Es gibt nur wenige Spiele in der Geschichte des Sports, über die eine einzige Bezeichnung alles aussagt. Die fünfte Begegnung der Chicago Bulls bei den Utah Jazz in den NBA-Finals 1997 ist eines von ihnen. Bis heute reichen zwei Worte, und alle Basketball-Fans wissen, was gemeint ist: „Flu Game“.
Dieses Spiel schuf den Mythos Jordan
Denn am Abend des 11. Juni 1997 - vor genau 27 Jahren - wirkte der große Michael Jordan ausnahmsweise einmal wie ein Häufchen Elend.
Schon in den Stunden zuvor war der Zustand des Superstars das beherrschende Thema. „Die große Story des Tages ist Michael Jordans körperliche Verfassung“, eröffnete NBC-Kommentator Marv Albert die Übertragung von Spiel 5 in Salt Lake City.
Michael Jordan kommt entkräftet an der Halle an
Danach ist zu sehen, wie Jordan an der Halle ankommt, bereits völlig entkräftet. Der Kommentar dazu: "Er kämpft mit der Grippe, hat nichts gegessen und lag den ganzen Tag nur im Bett."
An Bewegung ist in solchen Momenten normalerweise nicht zu denken. Ganz zu schweigen von einem Basketball-Spiel - einem vorentscheidenden um die Meisterschaft noch dazu - vor tausenden völlig entfesselten Fans des Gegners im Hexenkessel Delta Center.
Doch Jordan bewegte sich nicht nur, er kämpfte, quälte sich und fand langsam ins Spiel hinein. Seine Mission schien jedoch aussichtslos. Mit 16 Punkten lag Chicago schon zu Beginn des zweiten Viertels hinten.
Jordan quält sich ins Spiel gegen Jazz
Hätte das Publikum nicht so einen Höllen-Lärm veranstaltet, hätte man womöglich hören können, wie Jordans Magen rebellierte. „Ich konnte nicht atmen. Ich hatte kaum Energie, mein Mund war völlig trocken. Sie gaben mir Gatorade, aber ich dachte nur an eine Infusion“, erinnerte sich der heute 61 Jahre alte Megastar später an dieses Spiel.
Und doch spielte er weiter und fing plötzlich auch an zu treffen. 17 Punkte waren es allein im zweiten Viertel, zur Pause waren seine Bulls wieder auf vier Zähler dran. Mit neuer Zuversicht, aber nach wie vor geschwächt, ging Jordan in die Kabine.
Warum er sich an diesem Abend so elendig fühlte, das wusste vermutlich nicht einmal er selbst. Bis heute ranken sich die wildesten Spekulationen und Theorien um diesen Tag. Auch ein Aspekt, der den Mythos rund um das „Flu Game“ begründet.
Denn ob es sich überhaupt um eine Grippe gehandelt hat, ist bis heute nicht einwandfrei geklärt. Es hält sich nämlich hartnäckig das Gerücht, Jordan habe eine Lebensmittelvergiftung gehabt.
Wurde Jordan vorsätzlich vergiftet?
Und nun wird es verschwörerisch: Jordan sei am Vorabend des Spiels vorsätzlich eine vergiftete Pizza in sein Hotelzimmer serviert worden, behauptet zumindest sein damaliger Fitnesstrainer Tim Grover.
Jordan habe am späten Abend noch Hunger bekommen, jedoch seien da bereits alle Restaurants geschlossen gewesen und das Hotel habe keinen Zimmerservice mehr angeboten.
„Wir bestellten also Pizza und dann kamen gleich fünf Typen, um diese Pizza zu liefern. Ich hatte ein schlechtes Gefühl“, sagte Grover bereits im Jahr 2013 zu ESPN.
Jordan habe als Einziger von der Pizza gegessen - und nur wenig später von Bauchkrämpfen geplagt am Boden gelegen. In der letzten Folge der Netflix-Doku „The Last Dance“ bekräftigte Grover noch einmal seine These.
"Jordan hat so viele Zigarren geraucht"
Der damalige Assistant Manager der verdächtigten Fast-Food-Filiale hat dem aber anschließend widersprochen. „Ich sagte allen, dass ich die Pizza mache und kein anderer. Danach bin ich alleine zum Hotel gefahren worden“, sagte Craig Fite bei 1280 The Zone‘s The Big Show.
Laut seinen Angaben waren also nicht fünf Personen, sondern nur er und der Fahrer an besagtem Abend im Hotel. Seine Theorie war folgende: „Jordan hat damals so viele Zigarren geraucht, die Fenster waren alle offen. Ihr wisst doch alle, dass es sehr kalt wird, wenn in Park City die Sonne untergeht.“
Völlige Klarheit wird es in diesem Fall wohl nicht mehr geben. Ganz im Gegensatz zum Ausgang des Spiels in Salt Lake City.
Pippen muss Bulls-Kollege Jordan stützen
Jordan ließ sich immer wieder kurz einwechseln und schaffte es irgendwie, in den wenigen kurzen Momenten zu explodieren, wie bei einem enorm wichtigen Dreier in der Crunchtime. Am Ende waren es insgesamt 38 Punkte!
Wie schwach er sich aber auch im Schlussviertel noch gefühlt haben musste, zeigt ein Bild, das dieses "Flu Game" besser beschreibt als es noch so viele Worte tun könnten.
Gestützt von seinem kongenialen Teamkollegen Scottie Pippen schleppte er sich an diesem Abend vom Parkett. Die Bulls hatten das „Flu Game“ mit 90:88 gewonnen.
Wenige Tage später holten sie in Chicago ihren fünften von insgesamt sechs Titeln mit Michael Jordan.