"Job's finished." So nüchtern hätte Kobe Bryant in seiner ganz eigenen Art den Titelgewinn der Los Angeles Lakers in der NBA wohl zusammengefasst. Diese Worte wählten auch zahlreiche Lakers-Fans auf der ganzen Welt sowie die Franchise, als sie in den sozialen Medien die erste Meisterschaft seit 2010 feierten.
In Gedenken an Kobe
Tatsächlich passte der entscheidende 106:93-Sieg gegen die Miami Heat in Spiel sechs nicht zum Image der Weltstadt Los Angeles und ihres bekanntesten Sport-Teams, den Lakers.
Die Franchise stand jahrelang für Spektakel, Showtime, Lala-Land - und Misserfolg. Fünf Jahre in Folge verpasste die Mannschaft die Playoffs, doch in dieser Saison - der längsten NBA-Spielzeit der Geschichte - war alles anders.
Der entscheidende Sieg gegen Miami in der NBA-Bubble von Disney World war geprägt von eiserner Defensive, Konzentration und Willen. 36 Punkte hatten die Heat bis zur Halbzeit nur erzielt, vor allem der zuvor überragende Jimmy Butler kam überhaupt nicht zum Zug.
"Doktortitel im Umgang mit Widrigkeiten"
Dieser neue, kämpferische Stil passt so perfekt zu diesem schwierigen Jahr wie der Titel zu den Lakers - die erste Meisterschaft seit zehn Jahren, als Bryant das Team zum Finalsieg über die Boston Celtics führte.
"Wir haben auf jeden Fall einen Doktortitel im Umgang mit Widrigkeiten", erklärte Trainer Frank Vogel danach: "Aber es hat sich alles gelohnt."
Stadt und Franchise mussten im Jahr 2020 so viel aushalten, dass sogar die Existenz der Lakers gefährdet war.
Im Januar verstarb NBA-Ikone Bryant, der seine gesamte Karriere nur für die Lakers gespielt hatte, bei einem Helikopterabsturz. Einen Monat später berührte die Trauerfeier in der Lakers-Arena Sportfans weltweit. Als die Corona-Pandemie die Welt überschwappte, galt das heimische Staples Center als "Superspread-Arena", weil dort nicht nur Basketball gespielt wird und von Januar bis März 39 Veranstaltungen stattfanden.
Als Konsequenz aus der Corona-Krise geriet die Stadt auch wirtschaftlich an ihre Grenzen, die Arbeitslosigkeit stieg auf teilweise 22 Prozent. Im Laufe des Jahres folgten schwere Waldbrände und Erdbeben, im Sommer glich die Millionen-Metropole angesichts der massiven Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA einem Kriegsgebiet.
Lakers stimmten für Saison-Abbruch
Entscheidend für den Titelgewinn war aber wohl eine Szene, als sich die Lakers bereits zwei Monate in der Bubble befanden. Nach den Schüssen auf den unbewaffneten Afro-Amerikaner Jacob Blake stimmte der Titelfavorit im August für einen Abbruch der Saison. Es folgte eine kurze Pause, danach ging die Saison weiter - und die Lakers verloren nur noch vier Spiele.
Laut diverser US-Medien entstand innerhalb des Teams in dieser Zeit die Botschaft: 'Wenn wir hier bleiben müssen, dann gewinnen wir auch den Titel.'
Dabei half dem Team der Glaube an Bryant, dem die ersehnte Meisterschaft geschenkt werden sollte. Die sogenannte "Mamba-Mentalität" ließ die Spieler glauben, dass sie die NBA-Legende bei schwachen Leistungen enttäuschen würden - es folgte stets eine prompte Reaktion.
LeBron und Co. finden den Fokus
Spieler und Coaches hatten eine Mission, der sie hartnäckig folgten: Der Fokus auf Bryant und seine Bedeutung für Team und Stadt. Diese Mission fehlte den anderen Titelfavoriten wie Stadtrivale Los Angeles Clippers oder den Milwaukee Bucks, in der Einsamkeit der abgeriegelten Bubble von Orlando fehlte ihnen letztlich der Fokus.
Die Lakers beschwerten sich nicht über die täglichen Corona-Tests und die strengen Beschränkungen innerhalb der Bubble, sondern sahen sie als Herausforderung.
"Ich glaube, es war so, wie Kobe es gewollt hätte", sagte James nach dem Titelgewinn: "Diese Entschlossenheit und Disziplin haben wir gezeigt, und dafür wollen wir nun respektiert werden."
Auch Bryants Witwe Vanessa zitierte in ihrem Glückwunsch-Post auf Instagram ihren Gatten mit den Worten: "Bleib auf Kurs - höre nicht auf Nebengeräusche." LeBron und sein Team hielten Wort.
Bryant als Vorbild und Mentor
Obwohl der Finals-MVP auch in Spiel sechs offensiv mit einem Triple-Double glänzte, war besonders seine Defensivarbeit gegen Butler bewundernswert.
LeBrons Start in Los Angeles 2018 war schwierig gewesen, sein alter Rivale Bryant setzte sich jedoch stark für ihn ein und vermittelte ihm den Respekt der Fans. Vor zwei Jahren prophezeite er, dass James die Lakers zum Titel führen werde - und behielt Recht.
Für James war die "Black Mamba" mehr als ein Rivale und Freund, er sah ihn als Mentor und Vorbild an. Nach Bryants Tod ließ er sich wie sein kongenialer Partner Anthony Davis ein Porträt von ihm tätowieren, vor den Finals-Spielen trug er Shirts mit Bryants Konterfei. Nach dem Meistertitel deutete er mit beiden Händen in den Himmel, fasste sich ans Herz und gedachte der Legende.
Bei der Pokal-Übergabe erklärte Davis, dass Kobe wie ein großer Bruder für das Team gewesen sei und sie den Titel für ihn gewonnen hätten.
LeBron will Kobes Vermächtnis zementieren
Obwohl James Bryant in vielerlei Hinsicht bereits übertrumpft hat und in einem Ranking der besten Spieler aller Zeiten vor der Ikone stehen würde, bleibt Bryant in den Herzen der Lakers-Fans immer die Nummer eins.
Er hat die DNA der Franchise definiert und verkörpert, er stand für die Lakers wie kein anderer Spieler. Das kann James selbst dann nicht erreichen, wenn er weitere Titel mit dem Team gewinnt. Das verdeutlichten die Fans auf den Straßen von Los Angeles, die den Titel in Trikots mit der berühmten "8" bzw. "24" feierten - James trägt die "23".
Legendenstatus in der Lakers-Familie zu haben ist allerdings auch nicht LeBrons Ziel, er will vielmehr das Vermächtnis von Bryant zementieren. Dass dies nicht mit Spektakel und Glanz gelingt, sondern mit harter Arbeit und Disziplin, haben die Lakers in diesem Jahr verinnerlicht.
Die Stadt der Engel hat endlich wieder Grund zur Freude.