Es ist nicht lange her, da waren die Brooklyn Nets die Lachnummer der NBA.
Die Auferstehung der Brooklyn Nets
Nach erfolglosen Trades für alternde Superstars, vollmundigen Aussagen des russischen Besitzers und enttäuschten Erwartungen stand die Franchise aus New York City vor einem Scherbenhaufen.
Kein Erfolg, keine Stars, keine Zukunft. Die Aussichten waren miserabel. 2016/17 gewannen sie gerade einmal 20 Spiele – kein Team war schlechter.
Am 7. April 2019 hat Brooklyn nichts mehr mit einer Lachnummer zu tun. Im Gegenteil: Die Nets, die 2012 von East Rutherford (New Jersey) nach Brooklyn umgezogen waren, sind die neue Macht in New York und haben die Playoffs erreicht (Ergebnisse und Spielplan der NBA).
Wie hat die Franchise den Turnaround geschafft?
Marks und Atkinson verändern Kultur
Der Macher hört auf den Namen Sean Marks. Im Januar 2016 wurde der ehemalige NBA-Spieler, der für sechs Teams auflief, als General Manager vorgestellt.
Er veränderte die Kultur der Franchise und sorgte mit klugen Trades und Verpflichtungen dafür, dass das Team Schritt für Schritt konkurrenzfähiger wurde.
Mit Kenny Atkinson installierte er im April 2016 einen Coach, der sich als Glücksfall herausstellen sollte und besonders als Spielerentwickler erstklassig ist.
Ex-Bundestrainer Fleming mittendrin
Und siehe da: Zwei Jahre nach der Katastrophen-Saison mit 20 Siegen ist Brooklyn zurück im Rampenlicht. In der eigenen Stadt haben die Knicks als Schlusslicht den Status als Lachnummer übernommen.
Einen kleinen Teil des Erfolgs trägt auch ein alter Bekannter aus Deutschland. Chris Fleming, zwischen 2014 und 2017 Bundestrainer und zuvor an der Seitenlinie bei Brose Bamberg und den Artland Dragons, gehört zu Atkinsons Trainerstab.
Und plötzlich stimmt nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft. Denn das Team um All-Star D'Angelo Russell hat durchaus Gehaltsspielraum für mehrere Free Agents und ist ein attraktives Ziel.
Denn es gibt schlechtere Orte als Brooklyn, um zu spielen und zu leben. Besonders, wenn eine Erfolgskultur zurück ist.
Mega-Trade für Pierce und Garnett
Diesen Erfolg hatte sich Mikhail Prokhorov weitaus früher und größer ausgemalt. 2010 wurde der russische Milliardär zum Hauptanteilseigner der Franchise.
Er versprach, zu heiraten, sollten die Nets nicht in den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit einen Titel einfahren. Eine vollmundige Aussage, für die er entsprechend tief in die Tasche griff.
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Mit den Trades für die alternden Stars Paul Pierce und Kevin Garnett ging Prokhorov im Sommer 2013 endgültig all-in. Brooklyn wies die höchste Gehaltsliste der Liga auf, auch die Luxussteuer hatte es mit 86 Millionen Dollar in sich.
Dass Prokhorov und der damalige General Manager Billy King dabei unter anderem drei Erstrundenpicks und damit die Zukunft verschleuderten, interessierte sie zunächst wenig.
Kein Erfolg, keine Picks
Zugegeben: Ein Leistungskern bestehend aus Deron Williams, Joe Johnson, Brook Lopez sowie Pierce und Garnett mit Jason Kidd an der Seitenlinie las sich auf dem Papier gut.
Doch alle Stars hatten ihren Zenit hinter sich, Kidd war als Coach ein Neuling und der Erfolg blieb aus. Mehr als der Einzug in die zweite Runde der Playoffs 2014 war nicht drin - trotz der Unterstützung von Rapper Jay-Z, der ebenfalls Anteile hielt.
Nach und nach zerbrach das Team, die Nets wurden immer schlechter. Doch wegen der nach Boston verscherbelten Draft-Picks kam in der alljährlichen Talenteziehung kein neuer Hoffnungsträger nach, der letzte Lottery Pick datiert aus dem Jahr 2010.
Milliardär zeigt sich einsichtig
Verheiratet ist Prokhorov bis heute nicht, immerhin zeigte er sich in einem offenen Brief an die Fans vor drei Jahren einsichtig.
Dieser Lernprozess führte dazu, dass sich Marks und Atkinson ("Leute, die ich sehr respektiere, sagten mir, ich sei verrückt, wenn ich den Job annehme") von einem Engagement in Brooklyn überzeugen ließen.
Dort arbeiteten sie geduldig an einem Neuaufbau, der sich durch die fehlenden Picks erheblich erschwerte. Doch viele der Spieler, die sie nach Brooklyn lotsen, hatten etwas zu beweisen. Das machte sich bezahlt.
Russell kontert Magics Zweifel
D'Angelo Russell, der zweite Pick des 2015er Drafts, wurde bei den Los Angeles Lakers belächelt und von Magic Johnson höchstpersönlich als Leader-untauglich betitelt.
Doch seit seinem Trade weg aus Kalifornien beweist der heute 23-Jährige seinen Kritikern, was in ihm steckt – und erreichte nun früher die Playoffs als sein Ex-Team.
"Das ist verrückt. Ich weiß nicht einmal, was ich denken soll", sagte Russell, nachdem er sein Team beim 108:96 gegen Indiana mit 20 Punkten, sechs Rebounds und sechs Assists endgültig in die Playoffs geführt hatte.
21,1 Zähler, 7,7 Vorlagen und 3,9 Abpraller machen den Linkshänder zum heißen Anwärter auf die Auszeichnung zum Most Improved Player, im Februar nahm er am All-Star Game teil.
Talente und Rollenspieler blühen auf
Dazu kommen vielversprechende Talente wie Caris LeVert, der bis zu seiner schweren Verletzung im November der Topscorer des Teams war, und Jarrett Allen, der es sich zu seiner Aufgabe gemacht hat, einen Superstar nach dem anderen am Ring zu blocken.
Nicht fehlen dürfen Rollenspieler wie Scharfschütze Joe Harris oder DeMarre Carroll und Spencer Dinwiddie, die ihre Karrieren wieder in Schwung bringen, und Veteranen wie Jared Dudley und Ed Davis.
Die Teamchemie wirkt exzellent, bei kaum einer Bank sind solche Jubelszenen zu sehen wie bei den Nets, wenn ein Spieler eine gelungene Aktion vollbringt.
Top-Teams gewarnt - Zukunft rosig
Brooklyn schlägt das elftschnellste Tempo der Liga an und versucht die fünftmeisten Dreier. Das geht auch hin und wieder schief, macht aber Spaß.
So wie beim Mega-Comeback gegen die Sacramento Kings, als die Nets am 19. März im vierten Viertel einen 25-Punkte-Rückstand aufholten. Es war die größte Aufholjagd der Franchise-Geschichte (Alle Tabellen der NBA).
Auch wegen dieser Mentalität ist das Team in den Playoffs keinesfalls ein Selbstläufer für die Toronto Raptors oder Philadelphia 76ers (Brooklyns endgültiger Platz entscheidet sich noch, Anm. d. Red.).
Doch selbst wenn die Saison dort ein jähes Ende finden sollte: Die Zukunft scheint rosig. Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht?