Man muss sich Tony Khan als gestressten Menschen vorstellen.
Wrestling-Promoter bremste Bayern aus
In knapp einer Woche beginnt die NFL-Saison für die Jacksonville Jaguars, wo er als „Chief Football Strategy Officer“ eine Führungsrolle hat.
Schwer beschäftigt ist er außerdem als Chef der Wrestling-Liga AEW, mit der er vergangene Woche eine historische Show vor 80.000 Fans im Londoner Wembley-Stadion auf die Bühne gebracht hat, am Sonntag in Chicago den nächsten Pay Per View produziert - und zwischendurch zum wiederholten Mal einen realen Prügel-Skandal um seinen hitzköpfigen Topstar CM Punk moderieren muss. Am Samstag entschied sich Khan dann dazu, seinen Wrestling-Superstar vor die Tür zu setzen.
Und ganz nebenbei war der umtriebige Sportmanager dann auch noch mittendrin im Transfer-Endspurt des europäischen Fußballs - und dem geplatzten Transfer von Joao Palhinha zum FC Bayern München.
Tony Khan hat von CM Punk bis Palhinha viel zu tun
Der umtriebige Khan füllt im echten und inszenierten Sport - wobei die Grenzen manchmal fließen - eine bemerkenswert lange Liste an Jobs aus, unter ihnen der als Vizechef und „Director of Football“ beim FC Fulham. Zum Leidwesen der Bayern immer noch Arbeitgeber von Thomas Tuchels Wunsch-Sechser Palhinha, dem der Klub des deutschen Keepers Bernd Leno in letzter Sekunde die Wechsel-Freigabe verweigert hat.
Hinter der Entscheidung, die in München viel Frust ausgelöst hat, steckt eine vertrackte Gemengelage, die Khan kaum eine Wahl ließ, außer Palhinha den Transferwunsch zu verweigern.
Nicht zuletzt auch, um einen drohenden Fan-Aufstand gegen ihn abzuwenden.
Palhinha-Transfer scheitert: Fulham-Besitzer bleibt möglicher Fan-Aufstand erspart
Khan, Sohn des milliardenschweren Klubbesitzers Shahid Khan, ist im Umfeld des Tabellenzwölften der Premier League eine umstrittene Figur.
Der 40-Jährige, 2017 in die Klubführung eingezogen, nachdem sein Vater den Verein von dem soeben verstorbenen Mohamed Al-Fayed gekauft hatte. Und Kritiker werfen ihm vor, den in den vergangenen Jahren mehrfach auf- und abgestiegenen Klub nicht ausreichend vorangebracht zu haben.
Für beständigen Argwohn von Fans und klubnahen Medien sorgen nicht zuletzt auch Khans zeit- und reiseintensive Engagements außerhalb des Fußballs. Speziell das 2019 gestartete WWE-Konkurrenzprodukt AEW liegt dem als Wrestling-Fan aufgewachsenen US-Amerikaner erkennbar nah am Herzen. Zu nahe, kritisieren viele Fulham-Fans, die immer wieder die Frage aufwerfen, ob der als Workaholic bekannte Khan sich in ausreichendem Maß auf Fulham konzentriere.
Nichtsdestotrotz nimmt Khan - der auch Gründer einer Firma für Sportdatenanalyse ist - für sich in Anspruch, auch in Fulham eine tragende Rolle zu spielen, speziell auch beim Thema Spielerverpflichtungen.
Liverpool-Legende verspottete Khan als „Clown“
Auch in der Außendarstellung Fulhams spielt Khan, der Jüngere eine tragende Rolle, nicht immer eine glückliche. Liverpool-Legende Jamie Carragher verspottete Khan 2020 als „Clown“, als der sich bei Twitter mit Fans in Diskussionen über die Qualität des Kaders verstrickte.
Auch in der aktuellen Transferperiode rumorte es bei Fulham kräftig: Das frühere Team von Felix Magath verlor den langjährigen Top-Torjäger Aleksandar Mitrovic an Al Hilal nach Saudi-Arabien.
Zudem ließ Trainer Marco Silva öffentlich Kritik an Khan durchklingen, indem er wenige Tage vor dem Deadline Day nicht weniger als fünf neue Spieler forderte - nicht ohne zu betonen, dass er den Bedarf eigentlich auch frühzeitig angemeldet hätte.
Vor diesem Hintergrund schlug die Nachricht des möglichen Palhinha-Transfers zu Bayern in London wie eine Bombe ein.
FC Bayern München geht leer aus - Palhinha bleibt in London
Palhinhas Verpflichtung von Sporting Lissabon im vergangenen Jahr war eine von Khans Erfolgsgeschichten, der Portugiese war in der vergangenen Saison ein absoluter Leistungsträger und Garant dafür, dass sich Fulham nach dem Aufstieg 2022 als Tabellenzehnter im gesicherten Mittelfeld der Liga festbiss.
Ein Verkauf Palhinhas an Bayern wäre da nun ein großes Risiko gewesen. Bei Coach Silva wäre der Frust über den Verlust groß gewesen, in den sozialen Medien meldeten sich auch Dutzende Fans, die forderten, dass auch Khan gehen solle, sollte er den 28-Jährigen ziehen lassen.
Khan hätte es wohl trotzdem getan, hätte er mehr Zeit gehabt, einen Ersatzmann zu rekrutieren. Im Gespräch war unter anderem der Ex-Münchener Pierre-Emile Hojbjerg von Tottenham - aber die Zeit erwies sich als zu knapp.
Fulham zog die für Bayern schmerzhafte, im eigenen Interesse aber folgerichtige Konsequenz und bremste den Palhinha-Wechsel - zumindest bis zum Winter - aus.
Hätte Fulham es nicht getan: Die Unruhe rund um den Klub und den vielbeschäftigten Director of Football wäre unkalkulierbar geworden.