Fans und Experten rieben sich Anfang Januar die Augen: Olga Nemes ist zurück auf der deutschen Tischtennis-Bühne.
Ein überraschendes Ikonen-Comeback
Das einstige Wunderkind der europäischen Frauen-Szene und nach der Flucht aus Rumänien lange deutsche Rekordnationalspielerin gab als Trainerin von Meister TTC Berlin Eastside bei der Pokalendrunde ein Überraschungscomeback in Deutschland.
Prompt mit Erfolg: Die zweimalige Team-Europameisterin coachte den Branchenführer zum Pokal-Hattrick.
„Das war anstrengend, aber hat Spaß gemacht“, fasste Nemes im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SID ihren kurzfristigen Einsatz als Vertreterin von Berlins länger krank fehlendem Coach Jens Ruland zusammen.
Die 56-Jährige freute sich auch über einen angenehmen Nebeneffekt: „Für mich ist schön, jetzt auch den Pokal gewonnen zu haben. Ich hatte nie die Chance - es gab damals keinen Pokal.“
Nemes galt als „größer als Boris Becker“
Damals - das bedeutet für Nemes zwischen den frühen 1980er und 2010er Jahren: Jahrzehnte voller Erfolge, mit Höhenflügen und Abstürzen, aber auch mit Brüchen.
Den markantesten Einschnitt wagte Nemes 1983 schon mit gerade erst 15 Jahren: Zwölf Monate nach ihrem Sensationserfolg beim Europe Top 12 in England als bis heute jüngste Siegerin setzte sich die ungarischstämmige Teenagerin bei den Swiss Open im Trainingsanzug mit Schläger und Münzgeld von Rumäniens Delegation ab - und fand in Deutschland ein neues Zuhause.
Ihr großes Talent und ihre spektakuläre Flucht machten Nemes zum Star. Inzwischen mit deutschem Pass stürmte die Block- und Konterspielerin in der Weltrangliste bis auf Platz fünf, das Idol Eberhard Schöler traute Nemes wegen ihrer „ganz hohen Qualitäten“ sogar WM-Chancen zu. So rasant erschmetterte sie sich Mitte der 80er begeisternde Siege, dass die erste echte Profispielerin im deutschen Frauen-Bereich für den Boulevard trotz grassierenden Tennis-Fiebers sogar „größer als Boris Becker“ (Bild am Sonntag) erschien.
Auch schwere Zeiten überstanden
Kurz danach erlebte Nemes auch Schattenseiten des Ruhms. Probleme durch eine lange unerkannte Schilddrüsenerkrankung etwa wurden ihr als Folge vermeintlicher Zügellosigkeit im goldenen Westen ausgelegt, ihr Verein ATSV Saarbrücken warf sein Ass vorübergehend sogar raus.
Die Kämpfernatur schaffte aber ihr erstes von mehreren Comebacks, gewann nochmals das Top 12, holte zwischen 1986 und 2003 fünf DM-Titel im Einzel (1995 nur acht Wochen nach der Geburt ihres Sohnes) und bestritt 170 Länderspiele. Mit drei Klubs gewann Nemes zudem Meisterschaften und Europapokale. Am Ende ihrer internationalen Laufbahn schlug die Immobilienmaklerin auch wieder für Rumänien auf.
In Berlin steht eine Verlängerung ihres Engagements wenigstens für die kommende Woche beginnende K.o.-Phase der Champions League im Raum. Nemes, die in Luxemburg ein Männer-Team trainiert und in der Schweiz noch „gemütlich“ in der ersten Liga spielt, ist auch interessiert: „Wenn es passt, helfe ich gerne.“