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Deutsche WM-Heldin: "Ich wurde wirklich überrannt"

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Deutsche WM-Heldin: "Ich wurde wirklich überrannt"

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WM-Heldin: „Wurde überrannt“

Annett Kaufmann triumphiert als erste Europäerin bei der U19-WM im Tischtennis. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht sie über Erfolge, Rückschläge und große Träume.
Annett Kaufmann wurde am 23. Juni 2006 in Wolfsburg geboren
Annett Kaufmann wurde am 23. Juni 2006 in Wolfsburg geboren
© IMAGO/MaJo
Annett Kaufmann triumphiert als erste Europäerin bei der U19-WM im Tischtennis. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht sie über Erfolge, Rückschläge und große Träume.

Annett Kaufmann hat mit ihrem Titelgewinn bei der U19-Junioren-Weltmeisterschaft Geschichte geschrieben: Als erste Europäerin triumphierte sie in dieser prestigeträchtigen Disziplin des Tischtennis. Noch kurz vor dem Turnier plagte sie eine Ellbogenverletzung, die ihre Teilnahme infrage stellte.

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Im Gespräch mit SPORT1 zeigt sich die 18-Jährige reflektiert und bodenständig. Sie spricht über den besonderen Druck, den sie durch ihre Errungenschaft empfindet, und darüber, wie sie sich selbst trotz aller Erwartungen treu bleibt.

Neben Einblicken in ihre sportliche Entwicklung verrät Kaufmann auch, welche Träume sie abseits des Tischtennis hegt – und warum Volleyball für sie eine Option wäre, wenn sie noch weiter wachsen würde.

SPORT1: Frau Kaufmann, Herzlichen Glückwunsch zum Titel bei der U19-Junioren-Weltmeisterschaft. Sie sind nicht nur die erste Deutsche, sondern sogar die erste Europäerin, die das vollbracht hat. War Ihnen das bewusst?

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Annett Kaufmann: Nein. Ich hätte es mir irgendwie erdenken können, aber jetzt im Nachhinein, wo ich das realisiere, ist das natürlich schon crazy. Ich wusste, dass ein Deutscher schonmal gewonnen hat. Das war Patrick Baum 2005, aber mir war nicht bewusst, dass bei den Frauen noch nie jemand gewonnen hatte. Im Nachhinein ist das jetzt auch eine Riesen-Verantwortung, die ich dadurch trage, dass ich die erste Europäerin bin.

SPORT1: Vor dem Turnier hatten Sie mit einer Ellenbogen-Verletzung am Schlagarm zu kämpfen. Wie geht es Ihnen jetzt?

Kaufmann: Gut, ich habe keine Beschwerden mehr. In der Woche Pause vor dem Turnier habe ich viel mit Physiotherapie gearbeitet. Seitdem ist es deutlich besser geworden. Durch die Überbelastung hatte ich davor einfach nie genug Zeit zum Regenerieren und diese eine Woche hat mir dann doch ziemlich viel gegeben. Erst war es gar nicht klar, ob ich überhaupt spiele, weil die Gesundheit vorgeht. Dass ich dann natürlich gewinne und jetzt auch keine Schmerzen habe, das ist der Jackpot.

„Mir war bewusst, dass ich gefährlich bin"

SPORT1: Hatten Sie vielleicht auch aufgrund der Verletzung das Gefühl, ohne Druck frei aufspielen zu können?

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Kaufmann: ‚Ohne Druck‘ würde ich nicht sagen. Ich bin letztes Jahr zweimal Vize-Weltmeisterin geworden und habe im Einzel Bronze geholt. Natürlich hat man da gewisse Erwartungen an sich selbst. Aber die habe ich beiseitegeschoben und bin angereist, ohne mir selbst viel Druck zu machen. Mir ist ja bewusst gewesen, dass ich mich gar nicht vorbereitet hatte und ich wollte einfach nur schmerzfrei spielen. Ich habe mir dann einfach gedacht: ‚Ich spiele Spiel für Spiel. Wenn‘s klappt, dann super. Wenn nicht, dann habe ich ein paar schöne Tage in Helsingborg und kann die schöne Stadt erkunden.‘ Ich bin mit weniger Erwartungen angereist, war mir aber auch bewusst, wie ich spielen kann – und dass ich gefährlich bin.

SPORT1: Am Samstag sind Sie aus Schweden zurückgekommen. Wie haben Sie Ihren Erfolg seitdem gefeiert?

Kaufmann: Am Samstag habe ich mit meiner Familie zusammen gegessen und den Sonntag habe ich mit Freunden verbracht. Gestern war ich dann noch auf einem Geburtstag – familienbasiert, nichts mit Party. Eigentlich habe ich nicht viel gemacht, außer Zeit mit meinen Engsten zu verbringen, was ich nicht immer so oft schaffe. Und außerdem hatte ich endlich mal Zeit, meine Bücher zu lesen. Da komm' ich sonst nie dazu, aber jetzt konnte ich wirklich mal abschalten und meine Ruhe haben.

Und ich habe versucht, meine ganzen Nachrichten zu beantworten: Ich wurde wirklich überrannt. Allein auf WhatsApp hatte ich ungefähr 200 Nachrichten. Gerade bin ich bei 50 angekommen. Und das allein bei WhatsApp: Von Instagram will ich erst überhaupt nichts wissen.

SPORT1: Sind Sie das nicht bereits von Olympia gewohnt, wo Sie für große Begeisterung bei vielen Fans gesorgt haben?

Kaufmann: Jein, aber es war schon relativ ähnlich. Ich glaube, ich habe mein System vergessen, wie ich damals so schnell auf alles antworten konnte. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich zurzeit nicht so viel am Handy bin, weil ich nach diesem Jahr einfach erschöpft bin.

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„Wenn ich noch größer werden würde, mach’ ich eine andere Sportart"

SPORT1: Im Finale haben Sie die Chinesin Zong Geman besiegt. Haben Sie mitbekommen, wie die Reaktion aus China war auf Ihren Sieg?

Kaufmann: Nein, aber ich kann mir schon vorstellen, dass die Trainer vielleicht nicht so zufrieden sind mit der Chinesin und ihrer Leistung. Als ich gespielt habe, habe ich nicht darauf geachtet, was auf der Tribüne abgeht – und wie sich die Trainerin der Gegnerin verhält. Wenn ich mir jetzt im Nachhinein mein Spiel anschaue und vor allem anhöre, dann war das echt laut. Die chinesische Trainerin hat wirklich ununterbrochen geredet. Die standen alle richtig unter Stress und das war ein kleiner Schock für die, weil sie bei den U19-Mädchen keinen Titel im Team gewonnen haben.

SPORT1: Mit 1,83 m sind Sie eine der größeren Tischtennisspielerinnen. Sehen Sie das aufgrund von besserer Reichweite und Schlaghärte als Vorteil, oder kann es aufgrund der Wendigkeit auch ein Nachteil sein.

Kaufmann: Mittlerweile bin ich sogar 1,85 m. Zwischenzeitlich wusste ich selbst nicht mehr genau, wie groß ich denn eigentlich bin. Trotz allem bin ich der Meinung, dass Tischtennis einfacher ist, wenn man größer ist. Klar: Dadurch, dass mein Ellbogen-Bereich größer ist, bin ich dort anfälliger und es gibt Bewegungsabläufe, die ich aufgrund meiner Größe nicht so schnell schaffe. Aber ich habe einen großen Vorteil mit den Winkeln, der Reichweite und auch mit der Schlagkraft, weil ich einen riesigen Umfang habe. Im Training beschwere ich mich trotzdem immer, dass ich so groß bin – und im Turnier bin ich einfach nur dankbar. Aber wenn ich noch größer werden würde, mach‘ ich eine andere Sportart (lacht). Über 1,90 m macht Tischtennis keinen Sinn mehr.

SPORT1: Welche Sportart wird‘s dann?

Kaufmann: Volleyball. Das habe ich im Abi gemacht und ich mag den Sport sehr gerne, spiele auch mit meinen Freunden viel Volleyball. Aber Gott sei Dank wachse ich nicht mehr und kann bei Tischtennis bleiben.

Kaufmann möchte als Mensch wachsen

SPORT1: Neben Tischtennis mögen Sie Volleyball sehr gerne. Ihr Vater war Eishockey-Profi, Ihre Mutter Skirennläuferin. Wie landet man da beim Tischtennis?

Kaufmann: Über meine ältere Schwester. Sie hatte angefangen und ich war immer in der Halle dabei. Ich hatte damit aber überhaupt kein Problem. Ich habe dann immer zugeschaut und Bälle gesammelt – und irgendwann hat sie dann ihren ersten Pokal mit nach Hause gebracht. Das wollte ich auch haben. Dann habe ich den Pokal natürlich geklaut – das ist ja meine Aufgabe als jüngere Schwester (lacht). Sie hat dann gemeint, dass ich doch selbst einen Pokal gewinnen sollte, und so hat es angefangen. Und ganz allgemein: Ich glaube, dass unsere Eltern nicht wollten, dass wir einen so gefährlichen Sport machen sollen (wie Eishockey; Anm. d. Red.). Und Ski-Sport ging einfach aufgrund der Lage in Bietigheim nicht.

SPORT1: In diesem Jahr ist bei Ihnen alles durch die Decke gegangen. Wie gehen Sie mit dieser neuen Popularität um, die auch durch Olympia entstanden ist?

Kaufmann: Ich bin von Natur aus eigentlich sehr bodenständig und bescheiden, so wurde ich erzogen. Dadurch fällt es mir nicht so schwer, ich freue mich sogar, dass Leute sich für mich interessieren und sich für mich freuen. Das Coolste daran ist, dass ich Werbung für Frauen-Tischtennis machen kann. Ich freue mich darüber, dass Tischtennis an sich mehr Popularität gewinnt. Viele Leute schreiben mir, dass sie wieder mit Tischtennis angefangen haben oder dass sie durch mich zum Sport gekommen sind. Solche Nachrichten erwärmen einfach mein Herz.

Aber wenn mir das mal zu viel wird, nehme ich mir Pause von Social Media. Zum Beispiel vom Nachrichten beantworten. Das kenne ich noch vom Urlaub im Sommer nach Olympia. Ich bin dann aber auch konsequent und gönne mir die Pause. Da setze ich mir dann einfach eine Grenze.

Wenn ich zu Weihnachten und Silvester mit meiner Familie am Tisch sitze und auf das Jahr zurückblicke, wie weit ich in diesem Jahr gekommen bin und wie sehr ich als Mensch gewachsen bin, macht mich das wirklich sehr happy. Dafür bin ich auch motiviert, fürs nächste Jahr an mir zu arbeiten.

„Möchte, dass Menschen das Gefühl bekommen, dass sie auch die echte Annett kennenlernen"

SPORT1: Was wären denn mögliche Ziele für 2025? Haben Sie ganz klassische Neujahresvorsätze?

Kaufmann (lacht): Mein Ziel fürs Leben ist es, sich als Mensch zu entwickeln. Völlig egal, ob auf emotionaler Ebene, Intelligenz-Ebene oder auf spielerischer Ebene ist. Das versuche ich, das ganze Jahr über zu schaffen. Sportlich variiert es bei mir. Aber gesund bleiben steht bei mir über allem. Und was ich mir immer vornehme: mehr Geduld. Aber das ist schon besser geworden. Ich werde ja auch älter.

SPORT1: Sie sind auf Instagram aktiv und teilen mitunter auch mal private Dinge. Wo ziehen sie dabei eine Grenze?

Kaufmann: Ich versuche es mit einem Mix auf meinem Social Media. Ich möchte, dass Menschen das Gefühl bekommen, dass sie auch die echte Annett kennenlernen, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze. Ich würde zum Beispiel niemals ein Bikini-Foto posten, auch wenn ich kein Problem damit habe, wenn das andere Sportler machen. Das würde zu sehr in meine Privatsphäre gehen und ich bin sehr achtsam, was das Internet angeht. Was einmal im Internet ist, bleibt im Internet. Von mir und meinen Freunden poste ich aber immer gerne etwas.

SPORT1: Bei Olympia hatten Sie über Ihre Zukunft gesprochen und wie schwer es sein kann, vom Tischtennis zu leben. Außerdem hatten Sie darüber gesprochen, alternativ gerne TV-Moderatorin im Sport werden zu wollen.

Kaufmann: Als Frau vom Tischtennis zu leben ist etwas schwieriger als bei den Männern, aber ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist. Eine Villa könnte ich mir davon nicht kaufen, aber das ist so weit auch kein Problem. Ich mag die TV-Moderation oder allgemein den Sport: Ich mag es, vor großen Menschenmengen zu sprechen und bin überhaupt nicht kamerascheu. Und ich mag nicht nur Tischtennis, sondern auch Volleyball, Basketball und Handball. Natürlich müsste ich mich dann etwas mehr informieren, aber das würde ich schaffen. Ich mag es einfach, sich mit verschiedenen Sportlern auszutauschen und dem Publikum einen Einblick zu geben. Und ja, ich kann viel reden, das ist eine gute Voraussetzung für den Job (lacht).

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Kaufmann hat Idole im Basketball

SPORT1: Hatten Sie Idole aus anderen Sportarten? Und ist man während Olympia jemandem davon über den Weg gelaufen?

Kaufmann: Bei Olympia habe ich gefühlt niemanden im Deutschen Haus gesehen. Vom Zeitplan her bin ich nie jemandem über den Weg gelaufen. Idole habe ich keine konkreten, aber ich schaue mir bei vielen Sportlern etwas vom Mindset ab. Ich bin zum Beispiel ein supergroßer Fan von Michael Jordan. Auch Kobe Bryant, was die Mentalität angeht.

SPORT1: Sind Sie generell ein großer Basketball-Fan?

Kaufmann: Es geht. Wenn die NBA läuft, schaue ich immer gerne. Und die großen Namen um Stephen Curry und Co. kenne ich natürlich auch alle, aber jedes Spiel schaue ich nicht. Aber am liebsten schaue ich Volleyball, einfach weil mir die Sportart mehr gefällt. Aber ja, Kobe Bryant und Michael Jordan sind für mich im Basketball so etwas wie Idole, die ich sehr wertschätze.

SPORT1: Woher kommt Ihr Kontakt zum Basketball, insbesondere zu Kobe und MJ?

Kaufmann: Ich habe oft mit meinem Papa darüber gesprochen. Jordan kennt man schon als Kind, über Kobe habe ich sehr viele Dokumentationen und YouTube-Clips gesehen. Da habe ich immer wieder von dieser besonderen Mamba-Mentality gehört. Das hat mich interessiert, also habe ich geguckt, und dann im Anschluss mit meinem Papa darüber gesprochen. Dadurch, dass diese Leute so populär sind, sind sie für viele zurecht Vorbilder. Das ist krass, was die erreicht haben. Wenn ich irgendwann so ein Vorbild für Kinder sein kann, wäre das ein Traum.