Annett Kaufmann blickte mit großen Augen dem mächtigen Vorhandschuss von Patrick Franziska hinterher, dann riss sie die Arme hoch und fiel ihrem Mixed-Partner nach dem Matchball um den Hals: Deutschlands Tischtennis-Senkrechtstarterin hat bei der EM in Linz ihren ersten Coup gelandet und durch den Halbfinal-Einzug mit Routinier Franziska mindestens Bronze sicher
Erster Coup für Shootingstar
Für die 18-Jährige ist es die erste Medaille bei einer Individual-EM.
„Ich habe immer an uns geglaubt“
„Ich habe immer an uns geglaubt, taktisch haben wir echt gut gespielt“, sagte Kaufmann nach dem 3:0 (13:11, 11:8, 12:10) im Viertelfinale am Donnerstag gegen Liam Pitchford (England) und Anna Hursey (Wales).
Dabei glänzte die Teenagerin im dritten Satz mit großer Nervenstärke - und überraschte damit sogar ihren so erfahrenen Mitspieler. „Wir lagen 1:7 zurück, da hat Annett gesagt: Den Satz holen wir noch. Und ich habe ihr geglaubt“, sagte der WM-Dritte im Doppel: „Es war ein tolles Match. Wir haben mit einer Medaille geliebäugelt, aber man weiß ja nie, was man für eine Auslosung erwischt.“
Im Halbfinale am Freitag (12.30 Uhr) treffen Franziska/Kaufmann nun auf das österreichische Duo mit dem bereits 45 Jahre alten Robert Gardos und Einzel-Europameisterin Sofia Polcanova. „Die können schon spielen, aber das können wir auch“, sagte Kaufmann. Und Franziska schob kämpferisch vor dem Duell mit den Lokalmatadoren hinterher: „Gegen die Halle spielen wir auch gerne.“ Das Finale wird ebenfalls am Freitag (21 Uhr) ausgetragen.
Bereits in der Runde der letzten 16 hatten Franziska/Kaufmann am Morgen eine starke Leistung geboten und die an Nummer zwei gesetzten Ovidiu Ionescu und Bernadette Szöcs aus Rumänien 3:1 (12:10, 11:7, 6:11, 11:3) geschlagen. „Der vierte Satz war der mit Abstand beste, den wir in unserer noch jungen gemeinsamen Karriere gespielt haben“, sagte Franziska.
Annett Kaufmann spürt ihre Entwicklung auch selbst
Kaufmann hatte mit den deutschen Frauen bereits zweimal Gold bei Team-Europameisterschaften gewonnen. Im Einzel holte die Linkshänderin schon bis zur U21 alle Titel. Bei Olympia in Paris machte sie trotz der am Ende dramatisch verpassten Team-Medaille mit ihren Leistungen auch ein breiteres Publikum auf sich aufmerksam.
Ihr Talent stellte Kaufmann in Linz aber nicht nur im Mixed sowie beim Einzug ins Doppel-Achtelfinale mit der EM-Zweiten Nina Mittelham voller Spielfreude unter Beweis. Denn im Einzel gestaltete die deutsche Meisterin ihren 4:0 (11:6, 11:2, 11:3, 11:9)-Auftakterfolg gegen ihre nur ein Jahr ältere Kontrahentin Elena Zaharia aus Rumänien in eine Lehrstunde um.
„Ich habe so richtig gemerkt, wie sehr ich mich inzwischen entwickelt habe“, kommentierte Kaufmann ihren beeindrucken Auftritt selbstbewusst. In der Runde der besten 32 fordert die „Vielspielerin“ im nächsten Duell mit einer Rumänin die topgesetzte Weltranglistenzwölfte Szöcs heraus.