Bei den Grand Slams ist ihr der ganz große Wurf gegen ihre Zeitgenossinnen Steffi Graf und Monica Seles nie gelungen.
Der vergessene Makel einer Graf-Rivalin
Dafür verewigte sie sich auf einer anderen großen Bühne, holte zweimal Doppel-Gold bei Olympia mit Partnerin Gigi Fernández. Auch im Einzel gewann sie 1992 eine Medaille, teilte sich als Bronzegewinnerin das Treppchen mit der illustren Runde aus US-Kollegin Jennifer Capriati (Gold), Graf (Silber) und Arantxa Sánchez-Vicario (zweites Bronze).
Mary Joe Fernández, der einstige Jungstar mit dem schwarzen Zopf, wird heute 50 Jahre alt und kann auf eine gelungene Karriere zurückblicken.
Ausgerechnet auf ihrem Olympia-Coup 1992 liegt jedoch ein Schatten, der erst Jahre später herauskam und heute wieder eher vergessen ist: Wegen eines vertuschten Positivtests auf ein illegales Dopingmittel hätte sie anscheinend gar nicht in Barcelona antreten dürfen.
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Mary Joe Fernandez wurde vor Olympia 1992 positiv getestet
Elf Jahre nach Fernández’ Medaillengewinnen enthüllte ein ehemaliger Dopingjäger des US-Olympiakomitees USOC den heiklen Makel.
Fernández’ Name fand sich auf einer Liste, die der ehemalige Chefkontrolleur Dr. Wade Exum 2003 dem Magazin Sports Illustrated im Zuge eines Rechtsstreits zuspielte: Es enthielt die Namen von über 100 Athleten, die zwischen 1988 und 2000 im Vorfeld von Olympia positiv getestet worden wären, aber trotzdem die Freigabe für die Spiele erhalten hatten - was das USOC vertuscht hätte.
Neben Fernández wurden auch weitere Stars wie Fußballer Alexi Lalas und vor allem auch Leichtathletik-Legende Carl Lewis belastet.
Bei Fernández ging es um den Wirkstoff Pseudoephedrin, der ähnlich wie das “richtige” Ephedrin, über das Diego Maradona bei der Fußball-WM 1994 gestolpert war, sowohl als Mittel gegen Erkältungssymptome im Einsatz ist, aber in bestimmter Dosierung auch aufputschend wirkt.
Substanz Pseudoephedrin mit wechselhafter Geschichte
Fernández gab die Einnahme des Stoffs bei einem Turnier in Miami fünf Monate vor Olympia 1992 zu und stellte ihn - natürlich - als Erkältungsmedikation ohne böse Absicht dar.
Das muss keine Ausrede sein, bei Pseudoephedrin geht es um einen der vielen Grenzfälle zwischen Medizin und Doping: Die Substanz war zwischenzeitlich auch erlaubt worden, weil sie in der Erkältungsmedizin so verbreitet ist. Seit 2010 ist sie aber wieder auf der Verbotsliste der WADA.
Dass das USOC - 2001 von der USADA als offizielle Instanz im US-Anti-Dopingkampf abgelöst - den Fall unter den Teppich gekehrt und keiner öffentlichen Beurteilung zugänglich gemacht hat, hinterließ aber in jedem Fall einen Nachgeschmack.
Fernández’ Ruf als Vorbild, “das jedes olympische und amerikanische Ideal verkörpert” (US-Verbandsboss Alan Schwartz nach der Enthüllung von 2003), nahm Schaden.
Fernández scheitert an Steffi Graf und Monica Seles
Fernández, geboren am 19. August 1971 in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo, war zum Zeitpunkt der Enthüllung schon drei Jahre im Ruhestand.
Im Jahr 2000 trat sie als eine der erfolgreichsten US-Tennisstars der Generation vor Venus und Serena Williams ab, sie war zwischenzeitlich Nummer 4 der Weltrangliste.
Dem großen Traum eines Grand-Slam-Gewinns kam sie mehrfach ganz nahe, trotz großer Siege gegen Stars wie Sánchez-Vicario und Gabriela Sabatini klappte es aber nie mit dem Pokal: Sie verlor die Finals der Australian Open 1990 (gegen Graf) und 1992 (gegen Seles) sowie 1993 das Endspiel der French Open - wieder gegen Graf.
Fernandez’ Mann ist der Manager von Roger Federer
Im Doppel war Fernández auch bei den Majors erfolgreicher. 1991 gewann sie in Melbourne mit Patty Fendick gegen ihre spätere Olympia-Partnerin Gigi Fernández und die verstorbene Jana Novotna, 1996 kam in Paris ein weiterer Titel hinzu, an der Seite von Lindsay Davenport.
Nach ihrem Abtritt war Fernandez zwischen 2008 und 2016 Trainerin des Fed-Cup-Teams der USA, heute ist sie als Expertin für ESPN im Einsatz.
Sie ist dabei nicht das einzige Familienmitglied, das im Tennis weiter eine Rolle spielt: Ihr Mann Tony Godsick, mit dem sie zwei Kinder hat, ist der Manager von Roger Federer und hatte mit seiner Agentur IMG bis Anfang des Jahres auch Alexander Zverev betreut.