Der 15. Dezember 1974 war ein Urknall. Für eine große Tennis-Karriere. Für eine große Sportnation.
Das traurige Schicksal einer Ikone
Der 22 Jahre alte Guillermo Vilas feierte an diesem Tag seinen ersten großen Turniersieg, gewann in fünf Sätzen das Finale des Masters Grand Prix, der heutigen ATP Finals, gegen die rumänische Legende Ilie Nastase.
Der junge Argentinier mit dem wallenden Haar bewies sich damit erstmals als einer der besten Tennisspieler der Welt - was er in den Jahren darauf noch viele Male eindrucksvoll unterstreichen sollte.
Vilas löste in seiner Heimat einen ähnlichen Tennis-Boom aus wie im Jahrzehnt darauf Boris Becker und Steffi Graf in Deutschland. Er blieb in Erinnerung als einer der prägnantesten Charaktere auf und neben dem Platz. Inzwischen kämpft der heute 72-Jährige gegen eine schwere Krankheit.
Guillermo Vilas war einer der Besten der Siebziger
Der Sandplatzspezialist aus Buenos Aires war in den Siebzigern ein großer Rivale von Ikonen wie Björn Borg - mit dem er gut befreundet war - und Jimmy Connors, galt zeitweise als bester Spieler überhaupt. (Borg vs. McEnroe: Ihre legendäre Rivalität)
Vilas gewann vier Grand-Slam-Turniere (French und US Open 1977, Australian Open 1978 und 1979), speziell sein bestes Jahr 1977 setzte Maßstäbe: Er gewann insgesamt 16 Einzeltitel, gewann 46 Matches in Folge und brach damals mit einer Serie von 53 Siegen auf Sand auch einen Rekord der Open Era - erst 29 Jahre später von Rafael Nadal übertroffen.
Der bahnbrechende Erfolg des „jungen Bullen aus der Pampa“ - vermarktet vom späteren Becker-Manager Ion Tiriac - ebnete auch späteren argentinischen Stars wie Gabriela Sabatini und Juan Martin del Potro den Weg. (Ion Tiriac: So viel strich er von Boris Becker ein)
„Vor Vilas gab es 70.000 Tennisspieler. In den Achtzigerjahren hatten wir eine Million Spieler“, fasste der argentinische Journalist Guillermo Salatini einmal den Einfluss seines Namensvetters zusammen.
Kreativ auf und neben dem Tennis-Court
Der Grundlinien-Spezialist galt als Tennis-Besessener, der manisch trainierte und Erschöpfungssymptome der Legende nach dabei manchmal mit großen Mengen Cola betäubt haben soll (einmal angeblich 24 am Tag).
Der Sport verdankt Vilas auch die Erfindung des „Tweener“, des Trickschlags durch die Beine, den sich Vilas aus dem Polo abgeschaut hatte. Auch abseits des Courts war Vilas kreativ, veröffentlichte Gedichte, zeichnete auf Audiokassetten philosophische Gedanken über seinen Sport und das Leben auf.
„Du spielst vielleicht ein Match, bei dem jeder sagt, es ist das Beste, das er je gesehen hat“, sinnierte er einmal: „Aber im nächsten Jahr ist es vergessen. Ein Tennisspieler muss die Mona Lisa zwei-, dreimal im Jahr malen.“
Später Kampf um Nummer-1-Würde wurde Stoff für Netflix
Wie sehr Vilas faszinierte und bewegte, zeigt sich auch in einem Projekt, mit dem 2015 der argentinische Journalist Eduardo Puppo und der rumänische Mathematiker Marian Ciulpan an die Öffentlichkeit gingen: Mit statistischen Nachforschungen errechneten sie, dass Vilas 1975 und 1976 eigentlich sieben Wochen lang Nummer 1 der ATP-Weltrangliste hätte sein müssen.
Offiziell war Vilas das nie, zur Verwunderung vieler: Das Ranglistensystem war seinerzeit nicht so transparent wie es heute ist, die Rankings wurden auch nur unregelmäßig veröffentlicht.
Vilas fing Feuer für den Kampf um die nachträgliche Anerkennung seines Nummer-1-Status, der auch in einer biografischen Netflix-Doku („Guillermo Vilas – Settling the Score“) verewigt wurde.
Zu Vilas‘ Enttäuschung beschloss die ATP letztlich – ohne die Faktenlage zu dementieren -, ihm die nachträgliche Anerkennung zu verweigern. Der Verband befürchtete einen Präzedenzfall, der weitere Klagen nach sich ziehen könnte und die Statistiken der Vergangenheit zur Makulatur hätte machen können.
Vilas leidet heute an Demenz
Traurig: Wie argentinische Medien 2021 berichteten, leidet Vilas an einer Demenz-Erkrankung, sein geistiger Zustand hätte sich in den vergangenen Jahren stark verschlechtert.
Vilas lebt inzwischen von der Öffentlichkeit abgeschieden mit seiner Familie in Monaco. Vilas‘, dem früher unter anderem eine Affäre mit Prinzessin Caroline von Monaco nachgesagt wurde, wurde 2005 spät häuslich: Er heiratete die Thailänderin Phiangphathu Khumueang und bekam mit ihr noch vier Kinder.