Alexander Zverev winkte bitter geschlagen ein letztes Mal ins Publikum und schlich dann mit leerem Blick vom Centre Court. Der Achtelfinalfluch des Olympiasiegers in Wimbledon hält nach einer dramatischen Niederlage an. Der Traum vom ersten Grand-Slam-Titel ist wieder einmal geplatzt.
Nach Zverev-Einbruch: Stich deutlich
Am Montag verlor der Deutsche gegen Taylor Fritz nach fünf Sätzen mit 6:4, 7:6, 4:6, 6:7, 3:6 und verpasste damit seinen erstmaligen Viertelfinaleinzug. Nachdem der 27-Jährige bereits mit 2:0 in den Sätzen führte, ließ er sich die Partie doch noch aus der Hand nehmen.
Im Nachhinein erklärte der Deutsche: „Mir könnte es besser gehen. Ich bin stolz, dass ich bis zum Ende gekämpft habe, es ist eine harte Niederlage.“ Er fügte hinzu, dass es offensichtlich gewesen sei, dass er nicht bei 100 Prozent war: „Ich habe auf einem Bein gespielt.“
Im achten Versuch war Zverev dem erstmaligen Sprung in London in die Runde der letzten Acht so nah - und spielte lange wie ein Topfavorit auf den Titel. Doch er konnte seine beeindruckende Leistung nicht über die volle Spieldauer gegen einen immer stärker werdenden Fritz halten.
Verletzung? Legende wird deutlich
„Das Viertelfinale war sein erklärtes Ziel, es hat wieder nicht geklappt. Aber man muss Taylor Fritz ein Kompliment machen“, sagte Michael Stich, der 1991 für den bis heute letzten deutschen Männertriumph auf dem „heiligen Rasen“ gesorgt hatte, bei Prime Video.
Stich machte jedoch auch deutlich: „Er (Zverev) machte den Eindruck, als ob er nicht 100 Prozent fit war. Aber meine Einstellung ist klar: Wenn du auf den Platz gehst, bist du fit, wenn du nicht fit bist, dann gehst du nicht auf den Platz.“
Stich: Das gab den Ausschlag gegen Zverev
Stich analysierte, dass am Ende Fritz sein Level gehalten habe und das des Deutschen ein bisschen abgekippt sei. „Das hat den Ausschlag gegeben.“
Zverevs Bruder Mischa erklärte in einem kurzen Statement: „Es ist schade, weil ich finde, dass er in Wimbledon bis zur Verletzung unglaubliches Tennis gespielt hat. Ich finde sogar noch besser als in Paris. Du weißt halt nicht, was wäre, wenn er gesund gewesen wäre.“
Daumen hoch nach MRT
Zverev, der angeschlagen in die Partie gegangen war, stand bei den French Open und 2020 auch schon bei den US Open in Grand-Slam-Finals. In New York gab er ebenfalls eine 2:0-Satzführung her - und kämpft seitdem beharrlich um seine Chance auf einen historischen Triumph.
In Wimbledon stimmte bis zum Achtelfinale fast alles. Seine große Stärke, den kaum zu kontrollierenden Aufschlag, spielte er auch zunächst auch gegen Fritz wieder aus - gab dann aber erstmals im Turnier einen Satz ab und kam nicht mehr zurück.
Viel hatte sich vor dem Match um Zverevs Knie gedreht, das bei einem Sturz im Drittrundenduell gegen den Briten Cameron Norrie etwas abbekommen hatte. Es folgten eine MRT-Untersuchung und dann am Sonntagnachmittag ein Belastungstest, nach dem das Team Zverev den Daumen hob.
Ob und wie stark beeinträchtigt er ins Match ging, behielt der deutsche Topspieler für sich. Beim Einschlagen am Vormittag mit Bruder und Manager Mischa machte Zverev einen fokussierten Eindruck und schien sich frei bewegen zu können.
„Klar, er trägt jetzt die Bandage, darunter auch ein Tape, aber das muss man so machen“, sagte Mischa Zverev bei Prime Video. Es handele sich nicht um eine Blessur, die bei starker Belastung größeren Schaden anrichten könne: „Auf die Zähne beißen und durch.“
Deutscher Tennis-Star startet stark
Im ersten Satz hatten beide bis zum Stand von 4:4 jeweils ihren eigenen Aufschlag durchgebracht und stark serviert. Doch dann unterbrach Zverev diese Serie und nahm Fritz den Aufschlag ab, was zum Satzgewinn reichte.
Der zweite Satz verlief ähnlich ausgeglichen. Beide servierten erneut stark, sodass es in den Tiebreak ging. Dort gab Zverev von Beginn den Ton an und gewann ihn souverän mit 7:4. Zverev ließ einen Jubelschrei folgen, alles deutete auf den Einzug ins Viertelfinale hin.
Den dritten Satz gab der 27-Jährige in der Folge jedoch ab. Auch dort agierten beide bis zum 4:4 sehr ausgeglichen - doch dann gelang diesmal dem offensiver werdenden Fritz das entscheidende Break.
Wimbledon: Zverev gibt Sieg aus der Hand
Nachdem Zverev kurzzeitig gewackelt hatte, war davon im vierten Satz nichts mehr zu sehen. Beide Kontrahenten schenkten sich nichts, beim erneuten Stand von 4:4 bewies Zverev Nervenstärke, als er ein 0:30 bei eigenem Aufschlag noch drehte.
Die Partie entwickelte sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Krimi und es ging erneut in den Tiebreak. In diesem übernahmt der US-Amerikaner die Initiative, wodurch er in den Sätzen auf 2:2 stellte.
Bei Zverev schien sich das Knie mehr und mehr bemerkbar zu machen, er bewegte sich nicht mehr so gut wie in den ersten beiden Sätzen. So stellte Fritz schnell auf 4:1. Der Deutsche kam daraufhin nicht mehr in die Spur, Fritz servierte am Ende souverän zum 6:3 aus.
Zverev noch ohne Majortitel
Zverev hatte bereits in den Jahren 2017 und 2021 die Runde der letzten 16 erreicht. In diesem Jahr wollte er mehr, konnte im ersten Match nach der Knieblessur seine Überlegenheit der ersten beiden Sätze aber nicht über die gesamte Matchdauer halten.
Die deutsche Nummer 1 stand bei den US Open 2020 und zuletzt bei den French Open im Finale, in Melbourne erreichte er zweimal das Halbfinale. Trotz starker Leistungen in den ersten drei Runden bleibt Wimbledon für ihn das schwächste Major-Event.
Fritz‘ Viertelfinalgegner steht bereits fest: Am Mittwoch wird er auf Lorenzo Musetti treffen. Der 22 Jahre alte Italiener ist die Nummer 25 der Welt.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)