Lorenzo Musettis Körper zieren drei Tattoos: Ein Anker am rechten Handgelenk des Überraschungs-Halbfinalisten von Wimbledon symbolisiert den Rückhalt der Familie. Seine Passion für den Sport hat der 22 Jahre alte Italiener über seinem linken Ellbogen mit Herzschlag und Tennisschläger verewigt. Und dann ist da noch sein Leitspruch, der ziemlich gut zum steilen Aufstieg des Athleten aus der Toskana passt.
Elegante Rückhand wie Federer
„Il meglio deve ancora venire“ - das Beste kommt erst noch, steht auf der rechten Seite seines Brustkorbs. Genauso geht der Durchstarter seinen Kracher beim Rasenklassiker am Freitag gegen den 24-maligen Grand-Slam-Champion Novak Djokovic an.
Der Weltranglisten-25. hat keine Scheu vor der großen Bühne. „Es ist eine der schwersten Aufgaben auf der Tour. Aber ich bin ein ambitionierter Kerl und mag Herausforderungen“, sagt Musetti.
Für Djokovic scheint nach seiner Blitzheilung in London bislang alles zusammenzulaufen. Das Knie des 37-Jährigen hält, und die ganz großen Tests sind dem Ausnahmekönner bisher erspart geblieben. Der Belgrader zog an seinem zehnten Hochzeitstag mit Frau Jelena kampflos in sein 13. Halbfinale in Wimbledon ein.
Zuvor hatte sich der „Djoker“ schon einmal mit dem Publikum angelegt und die nötige Spannung für den Griff nach Titel Nummer acht aufgebaut - er will beim Rasenklassiker unbedingt zu Rekordsieger Roger Federer aufschließen.
Djokovic, den Musetti in einem denkwürdigen French-Open-Duell zuletzt bis 3:07 Uhr morgens forderte, ist Dauergast in der Vorschlussrunde der Championships des All England Clubs. Titelverteidiger Carlos Alcaraz und Daniil Medwedew, die sich im ersten Halbfinale duellieren, zählen ebenso zu den alten Bekannten auf dem Level. Für Musetti ist es dagegen jetzt schon der bislang größte Erfolg bei einem Grand Slam, der Durchbruch.
Musetti - Teil einer neuen Tennis-Generation
Wie Alcaraz, Holger Rune und Landsmann Jannik Sinner, der Nummer eins der Tenniswelt, ist er ein Vertreter der neuen Generation, die sich anschickt, die alternden Größen endgültig abzulösen. Doch der Sieger des ATP-Turniers in Hamburg von vor zwei Jahren hebt sich durchaus ab.
Er spielt die Rückhand elegant einhändig wie sein Idol Federer, was heutzutage eine Seltenheit ist, besticht mit taktischer Variabilität und trägt abseits des Platzes in jungen Jahren schon viel Verantwortung als Papa seines vier Monate alten Sohnes Ludovico.
Italien, das aktuell fünf Spieler mit maximal 23 Jahren in den Top 50 und auch bei den Frauen in Wimbledon-Finalistin Jasmine Paolini einen Shootingstar hat, ist einmal mehr entzückt.
„Was für ein Wunder“, schrieb die Gazzetta dello Sport angesichts der nächsten großen Erfolge. Und Musetti, dessen Heimatstadt Carrara berühmt ist für weißen Marmor und seine Bildhauerakademie, arbeitet in Wimbledon weiter an seinem Denkmal.