Als sich die Zuschauer heute vor fünf Jahren auf die Tribünen des Centre Courts von Wimbledon begaben, wussten sie, dass ein Gigantenduell auf sie zukam. Aber nicht, welche epischen Ausmaße es annehmen würde.
Der epische Abgesang eines Giganten
In einem historischen Endspiel-Krimi kassierte Rekordsieger Roger Federer am 14. Juli 2019 eine der bittersten Niederlagen seiner ruhmreichen Karriere.
Am Ende eines fast fünfstündigen Machtkampfes im längsten Endspiel der Turniergeschichte rang Novak Djokovic den Schweizer mit 7:6 (7:5), 1:6, 7:6 (7:4), 4:6, 13:12 (7:3) nieder und wiederholte seinen Triumph aus dem Vorjahr. Federer - der im Halbfinale gegen seinen zweiten großen Rivalen Rafael Nadal ausgeschaltet hatte - vergab im fünften Satz zwei Matchbälle.
Wimbledon 2019: Federer verpasst letzten Coup
Bereits 2014 und 2015 hatten sich Federer und Djokovic im Wimbledon-Finale gegenüber gestanden, auch dort hatte beide Male Djokovic triumphiert. Insgesamt war es im 48. Duell mit dem Schweizer sein 26. Erfolg.
Federer verpasste derweil die Chance, 25 Tage vor seinem 38. Geburtstag zum ältesten Grand-Slam-Gewinner der Geschichte aufzusteigen und seiner ruhmreichen Laufbahn dadurch einen weiteren Rekord hinzuzufügen. Der Australian-Open-Triumph 2018 blieb stattdessen der letzte Major-Sieg für den 2022 zurückgetretenen „King Roger“.
Exakt fünf Jahre danach will Djokovic heute in London Federers Wimbledon-Rekord von acht Titeln einzustellen. Der inzwischen selbst 37 Jahre alte „Djoker“ muss allerdings an Carlos Alcaraz vorbei, der seinerseits den nächsten Schritt einer Machtübernahme der neuen Generation gehen will.
Djokovic vs. Federer: Ein heißes Final-Duell
2019, in einer nicht unähnlichen Konstellation zwischen dem alternden Federer und Djokovic in seinen besten Jahren, hatte bereits der erste Satz einen kleinen Vorgeschmack auf den engen Kampf der beiden langjährigen Kontrahenten geliefert. Weder Federer noch Djokovic erlaubten ihrem Gegenüber auch nur einen einzigen leichten Punktgewinn. Der Tiebreak am Ende des auch laut der statistischen Werte nahezu völlig ausgeglichenen Durchgangs war die logische Konsequenz.
Auch hier besaßen beide Spieler genügend Chancen, wobei Djokovic schließlich besonders von einigen Nachlässigkeiten Federers profitierte. Exakt eine Stunde hatte das zähe Ringen um Satz eins letztlich gedauert. Es sollte dennoch lediglich das Vorspiel gewesen sein.
Ganz anders plötzlich der zweite Durchgang. Während Federer sein Niveau halten konnte, fiel Djokovic in ein kleines Leistungsloch und erlaubte sich etliche unerzwungene Fehler. Gleich dreimal musste der Serbe seinen Aufschlag abgeben, es waren die ersten Breaks des Tages. Mit einem Doppelfehler schenkte er Federer den letztlich mühelosen Satzgewinn. Das Match war wieder offen.
Aber Djokovic fand schnell wieder ins Match zurück. Dem immer wieder aufblitzenden Genie des Rasen-Ästheten Federer begegnete er mit kühler Präzision und einer beeindruckenden mentalen Stärke. Wieder fiel die Entscheidung erst im Tiebreak - wieder mit dem besseren Ende für Djokovic. Federer lag mit 1:2 Sätzen zurück, ohne einen einzigen Breakball zugelassen zu haben.
Djokovic muss in den Entscheidungssatz
Doch das spätestens jetzt mitreißende Match hielt noch eine weitere Wendung parat. Denn im vierten Durchgang stemmte sich der „Maestro“ noch einmal mit aller Macht gegen die drohende Niederlage und erzwang tatsächlich den Entscheidungssatz. Auch hier wogte das Match mehrfach hin und her: Break Djokovic zum 3:2, Break Federer zum 3:4. Und wieder einmal war alles ausgeglichen.
Das Match steuerte schließlich auf sein dramatisches Finale zu. Das Publikum, längst völlig euphorisiert, sorgte für eine Gänsehautatmosphäre, beide Spieler lieferten sich einen erbarmungslosen Kampf um jeden Ball.
Beim Stand von 7:7 glückte Federer ein Break, er sah wie der sichere Sieger aus - und vergab doch bei eigenem Aufschlag zwei Siegchancen. So kam es zur Premiere des Showdowns im fünften Satz, an dessen Ende der Serbe im Match-Tiebreak das glücklichere Ende für sich hatte. Obwohl Federer bei fast allen statistischen Vergleichen vorn lag, machte Djokovics Effizienz in den entscheidenden Momenten den Unterschied.
Der Tiebreak für den fünften Satz war erst 2019 als Reaktion auf ausufernde Marathon-Partien eingeführt worden und kam erstmals in einem Einzel-Match zur Anwendung. Der „War of 13-12″, wie er in der englischen Presse getauft wurde, fand sein Ende.
Federer: "Das war verrückt"
„Ich glaube, das war das spektakulärste Finale, das ich jemals bestritten habe“, meinte Djokovic im Anschluss: „Leider ist es so, dass in so einem Finale einer verlieren muss. Es ist ein bisschen komisch, im Tiebreak zu gewinnen.“
„Es war ein großartiges Match. Es hat alles geboten. Wir haben großes Tennis geboten. Gratulation an Novak, das war verrückt“, sagte Federer und gestand: „Es wird eine Weile dauern, das zu überwinden - auch körperlich.“
Djokovic feierte so letztlich seinen fünften Erfolg bei dem Rasen-Klassiker in London und den 16. Major-Sieg insgesamt. Inzwischen steht er bei 24 und es ist klar geworden, dass er die großen Rivalen Nadal (22) und Federer (20) abgehängt hat.
Längstes Wimbledon-Finale aller Zeiten
Mit am Ende 4:57 Stunden Spielzeit brach das denkwürdige Endspiel auch den Rekord für das längste Wimbledon-Finale. Die Bestmarke hatte bis dato Federers Duell 2008 mit Rafael Nadal gehalten (4:48 Stunden).
Übrigens: Den Rekord für das längste Finale der gesamten Grand-Slam-Historie konnte das Duell nicht brechen. Diesen hält das Endspiel bei den Australian Open in Melbourne 2012 zwischen Djokovic und Rafael Nadal mit unfassbaren 5:53 Stunden, indem sich ebenfalls der Serbe mit 5:7, 6:4, 6:2, 6:7 (5:7), 7:5 durchsetzte.
Der Serbe musste sich nicht nur Federer, sondern auch den Zuschauern erwehren - eine sich bis heute fortsetzende Geschichte. Damals wandte Djokovic einen mentalen Trick an, um das Pro-Federer-Publikum in seinem Kopf zu übertönen: „Wenn die Leute ‚Roger‘ rufen, höre ich ‚Novak‘. Es mag dumm klingen, aber so ist es.“
Für Federer war es das letzte Grand-Slam-Finale und seine bitterste Niederlage seit jener gegen Nadal elf Jahre zuvor. „Dieses lief auf gewisser Weise glatter, weil wir die Regenpausen, die einsetzende Dämmerung und all dies nicht hatten. Aber klar, episches Ende, so viele Momente, es gibt Ähnlichkeiten. Aber die einzige Ähnlichkeit, die ich sehe, ist, dass ich beide Male der Verlierer bin.“
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)