Alexander Zverev haderte enorm mit sich und seinem Schicksal. „Irgendwann fängt man wirklich an zu glauben, dass es für einen nicht gedacht ist“, sagte der deutsche Tennis-Star und Olympiasieger, als er bitter enttäuscht und mit schmerzverzerrtem Gesicht Platz genommen hatte zu seiner vorerst letzten Pressekonferenz im mondänen Saal des All England Clubs: „Ich hatte eine Riesenchance hier in Wimbledon in diesem Jahr und den Ball so gut wie noch nie im Schläger.“
So hat man Zverev selten erlebt
So hat man Zverev bisher selten erlebt, seine Worte klangen fast schon fatalistisch. Zverev fühlte sich beim Rasenklassiker bereit für den ganz großen Coup und wollte endlich am Ende seines 34. Grand-Slam-Turniers eine Gravur seines Namens auf der Trophäe sehen - statt der ganz großen Befreiung und eines historischen Triumphs blieb am Ende jedoch vor allem Frust.
Einzig beim Gedanken an Olympia huschte Zverev dann doch noch ein kurzes Lächeln über die Lippen. „In Paris möchte ich spielen. Und gewinnen und die Fahne tragen“, sagte der Tennis-Topspieler: „Ich habe drei Wochen, das wird reichen.“
Zverev erneut von Verletzung gestoppt
Drei Wochen, um sich vom Knochenmarködem im Knie und der Kapselzerrung zu erholen, von der er berichtete. Drei Wochen, um sich mental wieder aufzurichten, was womöglich die schwierigere Aufgabe sein wird nach der 6:4, 7:6 (7:4), 4:6, 6:7 (3:7), 3:6-Niederlage im Achtelfinale gegen den am Ende starken Taylor Fritz.
Denn die Blessur steckt gewissermaßen auch ganz tief drin in Zverevs Kopf. „Ich habe alles gemacht, was ich tun konnte. Ich muss sagen, irgendwann fängt man an zu zweifeln“, sagte der Gescheiterte bei Prime Video.
Wieder, wie 2022 beim Halbfinaldrama in Paris, spielte Zverev im Turnierverlauf auf Top-Level und war augenscheinlich bereit für die Matches gegen die ganz großen Konkurrenten, die erst noch kommen sollten.
Nach dem Finale bei den French Open schien nun endlich auch auf dem zuvor vom deutschen Topspieler ungeliebten Rasen sehr viel zu passen. Sein unwiderstehlicher Aufschlag, dank dem er in den ersten drei Runden nicht ein Break kassiert hatte, war ein Gesprächsthema auf der schmucken Anlage.
„Irgendwann schwierig mit dem Glauben“
Doch erneut verhinderte Zverev zufolge eine Verletzung die große Chance auf mehr - und sein erster Viertelfinaleinzug in Wimbledon blieb aus.
„In Paris 2022 habe ich das beste Sandplatz-Tennis gespielt, das ich je gespielt habe, und verletze mich dort. Ich hatte das Gefühl, mit Rafael Nadal mithalten und möglicherweise das Turnier auch zu gewinnen zu können“, sagte Zverev rückblickend nach dem erneuten Dämpfer bei einem Major-Turnier.
Die Nummer 1 der Welt zu werden, sei „damals für mich zum Greifen nah“ gewesen. „Hier spiele ich das beste Rasenplatz-Tennis, was ich je gespielt habe, und verletzte mich wieder. Irgendwann ist es schwierig mit dem Glauben.“
„Ich habe mit unfassbar vielen Schmerzmitteln gespielt“, ergänzte der Weltranglisten-Vierte: „Mein Knie ist relativ geschwollen und hat viel Flüssigkeit. Es ist nichts, was außergewöhnlich schlimm ist, in dem Sinn, dass es operiert werden muss und ich länger ausfalle.“
Wimbledon-Ikone Stich wird deutlich
Stich wiederum meinte bei Prime Video: „Er (Zverev) machte den Eindruck, als ob er nicht 100 Prozent fit war. Aber meine Einstellung ist klar: Wenn du auf den Platz gehst, bist du fit, wenn du nicht fit bist, dann gehst du nicht auf den Platz.“
Die Verletzung sei laut Zverev eine Sache von ein bis zwei Wochen - aber es machte den Griff nach dem vergoldeten Pokal, den Boris Becker dreimal und Michael Stich als bislang letzter Deutscher 1991 in die Höhe stemmte, letztlich unmöglich.
Zverev kündigte an, weiter seinem großen Traum vom Major-Coup nachzujagen, die nächste Chance darauf besteht in New York, wo ihn 2020 im Finale gegen Dominic Thiem nur zwei Punkte vom Titel trennten.
Seine jahrelange Sehnsucht nach der Erlösung beschäftigt auch die Konkurrenz. „Umso länger es dauert bis zum ersten Slam-Titel, desto mehr denkt man drüber nach“, sagte Major-Rekordchampion Novak Djokovic: „Der Druck wird immer größer jedes Mal, wenn man denkt, okay, ich spiele wieder um den Titel.“
Zverev: Voller Fokus auf Olympia
So oder so: Zunächst einmal verschiebt sich der Fokus von Zverev auf Olympia. 2021 konnte der deutsche Topspieler in Tokio seinen bislang größten Erfolg feiern und will diesen in Paris wiederholen.
Wenngleich die Vorfreude gedämpft ist: „Momentan freuen ist schwierig, weil ich in Wimbledon raus bin mit einer Verletzung. Sich auf etwas freuen, kann ich in den nächsten Tagen.“
Ob Zverev zur Vorbereitung in der kommenden Woche in seiner Heimat Hamburg auf Sand wieder an den Start gehen kann, ist dagegen fraglich. Zunächst muss er sich von dem Wirkungstreffer in Wimbledon erholen. Körperlich wie geistig.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)