Mit 16 Jahren kann man noch ins Schwärmen kommen, wenn man seinen Idolen ganz nahe ist. Mirra Andreeva spielte sich im vergangenen Jahr ins Rampenlicht. Beim Masters-Turnier in Madrid zog sie ins Achtelfinale ein und hatte danach einen Interview-Auftritt beim Tennis Channel.
16-Jährige überrascht Tennis-Welt
Angesprochen auf ihr Idol Andy Murray ließ sie sich zu der Aussage „Er ist so wunderschön im richtigen Leben“ hinreißen. Worauf angesprochener Murray hinterher in den sozialen Medien postete: „Wie gut sie erst wird, wenn sie ihre Augen hat machen lassen.“
An diesem Mittwoch war keine Zeit mehr für Schwärmereien, als Andreeva auf ein weiteres ihrer Vorbilder traf. Ons Jabeur wird von der 16-jährigen ob ihres Spielstils bewundert. Doch das ließ sich die Finalistin des Juniorinnen-Wettbewerbs der Australian Open 2023 nicht anmerken. Die 54 Minuten in der Rod Laver Arena wurden zu einer Lehrstunde für die arrivierte Top 10-Spielerin.
6:0 und 6:2 hieß es am Ende für Andreeva, die vom ersten Ballwechsel an selbstbewusst und ohne Respekt spielte und am Ende Jabeur mit deren eigenen Waffen schlug. Die Stopps, sonst eine Spezialität der Tunesierin, kamen jetzt von Andreeva mit absoluter Präzision.
Melbourne hatte sich tagsüber mal wieder von seiner wechselhaften Wetterseite gezeigt, so dass nur in den drei großen Stadien, die alle mit einem Dach ausgestattet sind, gespielt werden konnte.
Das erhöhte noch mal die Wirkung dieses Sieges. Das Interesse unter den anwesenden Journalisten war dementsprechend groß. Alle wollten die Spielerin des Tages sprechen. Hatte Andreeva ihre Pressekonferenz nach der 1. Runde noch in einem der ganz kleinen Räume abgehalten, wurde jetzt der größte Saal gebucht.
In einem Klub mit Steffi Graf
„Ja, ich war wirklich nervös vor diesem Match, aber ich sah, dass sie auch nervös war. Das hat mir geholfen.“ Angesprochen auf ihre Leistung, bestätigte sie den Eindruck von außen: „Ja, das war wahrscheinlich das beste Match meiner Karriere.“
Jede Statistik, die den eigenen Namen mit Steffi Graf auf einer Liste erscheinen lässt, ist eine herausragende Statistik. Das steht fest. Mirra Andreeva ist mit ihrem Sieg in der ersten Runde bei den Australian Open in einen sehr exklusiven Klub aufgestiegen. Sie gehört zu einer Gruppe von 14 Spielerinnen in der Open Era, die vor ihrem 17. Lebensjahr bei jedem Grand Slam mindestens ein Match gewonnen hat.
Graf steht auf dieser Liste, genauso wie Serena Williams oder auch Martina Hingis. Seit Coco Gauff ist Andreeva die jüngste Spielerin, der dieses Kunststück gelungen ist. Mit Alina Korneeva und Brenda Fruhvirtova waren noch zwei weitere 16-jährige im Hauptfeld vertreten, doch Andreeva macht den reifsten Eindruck.
Andreevas Lernkurve ist steil
Andreevas Spiel zeigt eine erstaunliche Zielstrebigkeit. Kaum Schwächen in einem der Grundschläge, mit sehr viel Power und jetzt schon einer außergewöhnlichen Spielintelligenz ausgestattet, lässt sie sich von ihren Gegnerinnen nicht überrumpeln. Die Lernkurve ist steil. In Wimbledon vergangenes Jahr verlor sie ihr Spiel gegen Coco Gauff noch deutlich. Aber auch jetzt ist schon bemerkbar, dass sie diese Fehler nicht wiederholen möchte.
Im vergangenen Jahr um diese Zeit spielte Andreeva ein spannendes Finale gegen ihre Landsfrau Alina Korneeva. Über drei Stunden standen die beiden auf dem Platz, ehe Korneeva in knappen drei Sätzen gewann.
Angesprochen auf diese Niederlage, meinte Andreeva: „Als ich dieses Spiel verlor, war ich sehr aufgebracht.“ Sie sei dieses Match noch etwas eine Woche in Gedanken durchgegangen, immer der Frage nachgehend, was sie hätte besser machen können. „Aber irgendwann habe ich gedacht, ich muss jetzt nach vorne schauen. Es ist nicht die schmerzhafteste Niederlage meines Lebens.“