Als Angelique Kerber das Auditorium, den größten der Räume, in denen die Pressekonferenzen in Melbourne stattfinden, betrat, blickte sie lächelnd in den Saal: „Das ist wie im Kino hier!“ Am Media Day stellen sich die Top-Profis den anwesenden Journalisten. Kerber, die Siegerin von 2016 und Rückkehrerin nach Babypause, gehörte dazu. 15 Minuten beantwortete sie bereitwillig die Fragen.
Die Wandlung der Angelique Kerber
Es ist eine neue Entspanntheit, die man bei Kerber dieser Tage spürt. Sie selbst sagt, dass sie nach der Geburt ihres Kindes relaxter geworden ist, aber: „Ich spüre immer noch das Feuer in mir.“ Die Enttäuschung nach Niederlagen ist groß, aber nicht mehr so lange anhaltend. „Wenn ich ins Hotel zurückkehre, muss ich wieder jemand anderes sein. Das ist nett.“
Kerber ist keine, die in der Vergangenheit viel von sich preisgegeben hat. Ihr Privatleben ließ sie gerne außen vor. Sie suchte nie aktiv das Rampenlicht. Das scheint anders in diesen ersten Wochen des Tennisjahres 2024.
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Olympia als großes Ziel für Kerber
Mit den Journalisten redete sie offen über ihre neue Mutterrolle. Über die Gespräche mit Caroline Wozniacki, eine der engsten Freundinnen Kerbers auf der Tour, die sich heutzutage um andere Themen drehen als noch vor einigen Jahren. Über den Wunsch, noch mal auf den Tennisplatz zurückzukehren.
Ein kleiner Familientross ist in Australien unterwegs. Kerber reist mit ihrem Lebensgefährten und ihrer Mutter, die sich während der Matches um das bald ein Jahr alte Kind kümmert. Dazu kommen mit Coach Torben Beltz und dem Physiotherapeuten Timo Schall zwei Vertrauensleute, mit denen sie große Erfolge gefeiert hat.
Sie hat eine Wohlfühlatmosphäre geschaffen, um wieder an die alten Leistungen anknüpfen zu können. Dass das seine Zeit braucht, ist Kerber klar: „Ich muss geduldig sein, egal was hier passiert. Ich werde ein paar Wochen oder auch ein paar Monate brauchen, um wieder meinen Rhythmus zu finden.“
Das Frauen-Tennis ist in der Abwesenheit Kerbers nicht stehen geblieben. Es hat sich eine Quadriga an Spielerinnen herausgebildet, die vornweg gehen. Iga Swiatek, Australian-Open-Titelverteidigerin Aryna Sabalenka, Elena Rybakina und Coco Gauff sind die Frontfrauen.
Ob Kerber an dieses Niveau in den nächsten Monaten herankommen kann, ist nicht sicher. Ihre besten Wochen kommen im Juni und Juli auf Rasen. In Berlin, bei ihrem Heimturnier in Bad Homburg und dann in Wimbledon. Ein weiteres Highlight soll Olympia in Paris werden. Sowohl Kerber als auch Alexander Zverev haben den Wunsch geäußert, zusammen Mixed spielen zu wollen.
Neue Ruhe als Mutter
Kerber gehört zu den Spielerinnen, die nach der Geburt eines Kindes wieder auf die Tour zurückkehren. Ein Vorgang, der in den vergangenen Jahren erfreulich normal geworden ist. Elina Svitolina und Caroline Wozniacki hatten im zurückliegenden Jahr ihr Comeback gegeben, mit Kerber kehrt auch Naomi Osaka in Melbourne auf die Grand-Slam-Bühne zurück. Insgesamt acht Mütter standen zu Beginn im Hauptfeld der Australian Open, unter anderem auch Tatjana Maria.
In der ersten Runde trifft Kerber auf eine alte Bekannte, gegen die sie hier an gleicher Stelle vor fünf Jahren eine empfindliche Niederlage hinnehmen musste. Danielle Collins, 2019 Halbfinalistin und 2022 sogar im Finale, ist eine Spielerin, die Kerber nicht liegt, wie auch Bundestrainerin Barbara Rittner sagt.
„Sie hat die Möglichkeiten mit ihrem Spiel, Angie wegzudrücken.“ 0:6, 2:6 hieß es 2019. Sollte Kerber dies Revanche gewinnen, würde wohl die Nummer 1 der Weltrangliste Iga Swiatek warten. Vor Wochenfrist war eben diese Swiatek beim United Cup eine Nummer zu groß für Kerber. Eine sehr schwierige Auslosung für die Rückkehrerin. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin muss indes niemandem mehr etwas beweisen. „Sie spielt nur noch für sich“, betonte Rittner.
Am 18. Januar feiert Kerber ihren 36. Geburtstag. Sollte sie zu dem Zeitpunkt noch im Turnier stehen, könnte dies getrost als große Überraschung verbucht werden. Und sie würde bestens gelaunt zu ihrem Kind ins Hotel zurückkehren.