Um sein Englisch muss sich Dominik Koepfer keine Sorgen mehr machen. Nach seinem jüngsten Überraschungssieg gegen den an Nummer 17 gesetzten Georgier Nikolos Bassilaschwili bei den US Open antwortete er in den anschließenden Interviews, als hätte er schon immer in den USA gelebt.
Das steckt hinter Koepfers Märchen
"Ich kann kaum glauben, was hier gerade passiert", sagte er da zum Beispiel im amerikanischen Fernsehen. Und bei Eurosport gestand er, es sei fast schon ungewohnt für ihn, der mittlerweile in Tampa/Florida wohnt, wieder mehr deutsch zu sprechen. Jetzt steht das größte Match seiner Profikarriere an: Im Achtelfinale des Grand-Slam-Turniers trifft er auf Daniil Medvedev, die Nummer 5 der Welt. "Unglaublich", meint Koepfer.
Aus dem Schwarzwald nach New Orleans
Dabei musste er sich anfangs erst an seine neue Heimat jenseits des Atlantiks gewöhnen. Wer ist der Mann, der derzeit die US Open aufmischt?
2012 kam Koepfer als schüchterner Junge vom beschaulichen Furtwangen im Schwarzwald nach New Orleans an die international renommierte Tulane University, um am College Tennis zu spielen. Coach Mark Booras hatte von einem Freund einen Tipp bekommen, flog nach Deutschland, war sofort überzeugt vom Talent des Abiturienten und holte ihn in sein Team.
"Er war sehr ruhig und hat anfangs kaum gesprochen", erinnert sich Booras im Gespräch mit SPORT1. "Nach und nach ist er aufgetaut."
Koepfer mit Kämpferqualitäten
Koepfers Tennisqualitäten waren dagegen von Beginn an unumstritten. "Ein extrem guter Schlag, ein starker Körper" - so beschreibt ihn der Trainer, der ihn über vier Jahre am College begleitete: "Dazu ist er ein echter Fighter." Niemand spielte gerne gegen den deutschen Linkshänder mit dem Spitznamen "Pitbull": "Er gibt nie auf, er gibt seinem Gegner keinen freien Punkt", schildert Booras die unglaublichen Kämpferqualitäten des 25-Jährigen.
Genau so erleben in diesen Tagen Gegner wie Zuschauer den Deutschen, der mit 79 Kilo bei 1,80 Metern eine ungewöhnlich bullige Figur für einen Tennisspieler hat: Koepfer sprintet jedem Ball hinterher, bringt scheinbar unerreichbare Bälle doch noch irgendwie zurück - und attackiert dann selbst, wenn er in der richtigen Position dafür ist.
Seine kompromisslosen, harten Schläge sind typisch für Spieler, die vom College kommen und sich auf Hardcourt besonders wohlfühlen. Seine Mentalität hebt ihn aber vom einen oder anderen College-Absolventen ab, der sein Talent nicht voll ausschöpft und auch mal zu Disziplinlosigkeiten oder Schlendrian neigt.
Mit klarem Kopf zum Erfolg
Als "im Kopf aufgeräumt" beschreibt Booras seinen ehemaligen Schützling: "Er ist mental extrem stark und hat seine Emotionen im Griff." Das unterscheide Koepfer von vielen anderen, die den Sprung in die Spitze nicht schafften. Und darin liegt auch der Grund für seinen plötzlichen Erfolgslauf.
Gegen den Aufschlagriesen Reilly Opelka blieb Koepfer durchgehend ruhig, nutzte zur richtigen Zeit seine Breakbälle und blieb bei den eigenen Aufschlagspielen cool, wenn es eng wurde. Auch gegen Nikoloz Basilashvili kam er im richtungsweisenden zweiten Satz nach einem Hänger und Break-Rückstand zurück und sicherte sich den Durchgang im Tiebreak.
Selbst Coach Booras ist beeindruckt, "wie Dominik die neue Situation, unter den Besten mitzuspielen, so schnell angenommen und für sich genutzt hat". Vor den US Open hatte er gerade mal zwei (von sieben) Matches auf der ATP-Tour gewonnen. Köpfer spielte überwiegend Challenger-Turniere vor einer Handvoll Zuschauer, bekam Preisgeld im dreistelligen Bereich und wusste manchmal kaum, wie er seinen Trainer und die Reisen bezahlen sollte.
Jetzt steht der Schwarzwälder plötzlich unter den Top 100 der Weltrangliste und darf in den größten Tennisarenen der Welt auflaufen. "Das ist ein Kindheitstraum, der in Erfüllung gegangen ist", sagte Koepfer, der mindestens auf Platz 84 klettern wird. Trainer Booras traut ihm noch mehr zu: "Top 50, vielleicht sogar Top 20", meint er. Sein Tipp für die nächste Runde: "Embrace the challenge, love the battle."
Besonders beim Aufschlag habe sich der Deutsche stark verbessert und weiter Luft nach oben. Dazu werde der taktische Bereich immer wichtiger, je höher es in Sachen Niveau geht. Bei den US Open hat Koepfer mit seinem Profi-Coach Rhyne Williams bislang stets den richtigen Plan gefunden.
College-Freunde und Mutter als Fans
"Es macht Spaß", sagt Koepfer, der mit seinem Einzug ins Achtelfinale fast so viel Preisgeld (280.000 Dollar) kassiert wie zuvor in seiner ganzen Profi-Karriere (332.732 Dollar). Seine Mutter muss nun schon zum dritten Mal ihren Flug umbuchen, weil der Sohn von Runde zu Runde marschiert und sie natürlich keine Partie verpassen will. Auch die College-Freunde unterstützen ihren Ex-Studienkollegen lautstark von der Tribüne.
Zu College-Zeiten scherzte Koepfer einmal, er werde an der Universität wohl in Erinnerung bleiben als "der Deutsche, der in den ersten zwei Wochen kein Englisch gesprochen hat". Weit gefehlt!
Auf einmal ist er dort ein Vorbild für alle, die es irgendwann einmal in die großen Arenen der Sportwelt schaffen wollen.