Er will wirklich nicht. Boris Becker sagte dem Deutschen Tennisbund (DTB) am Montag zum zweiten Mal innerhalb von nicht einmal zwei Wochen ab. Beim ersten Mal war Carsten Arriens offiziell noch im Amt, jetzt ist der Posten des Davis-Cup-Teamchefs offen.
Schwierige Suche nach dem neuen Chef
Mit Becker hätten sich einige Herren beim DTB wohl gerne geschmückt, auch wenn das vor mittlerweile 15 Jahren bereits spektakulär schiefgegangen war.
Ein ernsthafter Kandidat war Becker aber wohl ohnehin nie, dafür hat er sich zu gut eingerichtet mit Novak Djokovic.
Aufmerksamkeit für Fed Cup
Ab sofort laufen Gespräche, ein Nachfolger für Arriens soll möglichst bis zum Ende der Woche präsentiert werden.
Wieso erst jetzt? Am Wochenende spielten noch die Damen im Fed Cup gegen Australien, ihnen sollte die ganze Aufmerksamkeit Tennis-Deutschlands gehören.
Das hinderte DTB-Boss Ulrich Klaus und seinen Vize Dirk Hordorff aber nicht daran, Arriens am 2. Februar zu feuern. Seitdem blühen die Spekulationen in den buntesten Farben - und schoben sich vor den sportlichen Erfolg der vergangenen Tage.
Und wie so oft geht es um Einfluss und Eitelkeiten. Aus dem seit rund einem Jahr dröhnenden Chaos heraus soll der Verband jetzt eine zumindest ruhigere Zukunft konstruieren - abhängig von der Personalie Philipp Kohlschreiber.
Becker und Schüttler sagen ab
Kein Wunder, dass Becker bei dieser Aussicht und seinen Alternativen nicht sofort "Hier!" schreit. Auch Rainer Schüttler hat keine Lust.
Michael Stich, Wimbledonsieger von 1992 und ebenso wenig an dem Job interessiert, übt bei SPORT1 zumindest leise Kritik - und meint: "Es fehlt aus meiner Sicht die Kompetenz im Leistungssport generell."
Bleibt als Topfavorit im Moment Alexander Waske. Auf SPORT1-Nachfrage wollte er sich zum Thema nicht äußern, doch vieles spricht für den 39-Jährigen: Waske spielte selbst für Deutschland im Davis Cup und kennt die aktuellen Spieler sehr gut. Er trainiert Tommy Haas und arbeitete auch mit Österreichs Nummer eins Jürgen Melzer zusammen.
Das Entscheidende: Waske würde wohl Philipp Kohlschreiber wieder in die Mannschaft integrieren. Zur Erinnerung: An Deutschlands momentan höchstplatziertem Spieler (Platz 22 im ATP-Ranking) war Arriens gescheitert.
Auf Versöhnung mit Kohlschreiber gedrängt
Hordorff hatte seit seinem Amtsantritt im November 2014 auf eine Versöhnung gedrängt - nach dem Eklat gegen Spanien und dem noch größeren Eklat am so genannten "Versöhnungstag" in Frankfurt.
Arriens setzte sich vorläufig durch, Deutschland scheiterte ohne Kohlschreiber im Viertelfinale nur knapp an Frankreich.
Hordorff jedoch ließ nicht locker, organisierte am Rande der Australian Open ein Gespräch mit Kohlschreiber. Arriens tauchte nicht auf - das war es dann für ihn.
Offensichtlich ist man beim DTB der gleichen Meinung wie Becker, der sagte: "Natürlich ist es unmöglich, die Nummer eins nicht im Team zu haben. Das ist Fakt, da führt kein Weg dran vorbei. Da kann der Trainer Arriens, Becker oder Lieber Gott heißen."
Selten Enthusiasmus für Davis Cup
Kohlschreiber soll also wieder ein Teil der Mannschaft werden, auch wenn er selbst in der Vergangenheit seinen Enthusiasmus für den Davis Cup stets gut zu verstecken wusste.
Seine Einzelbilanz mit elf Siegen und acht Niederlagen ist zudem weit entfernt von den Zahlen der Besten. Viele halten Kohlschreiber deshalb für entbehrlich. Doch statt Sport geht es um Politik.
Der neue Kapitän muss zwischen der Verbandsspitze und den Spielern vermitteln - und zusätzlich den Einzelgänger Kohlschreiber davon abhalten, die Mannschaft zu sprengen.
Kiefer lobt Arriens
Nicolas Kiefer kommt deswegen erst gar nicht in Frage, obwohl er sich selbst bereits sehr offensiv ins Spiel gebracht hat. Der ehemalige Profi lobte Arriens für dessen Standhaftigkeit im Fall Kohlschreiber.
Chancen hat dagegen wohl Christopher Kas, einer von Kohlschreibers ehemaligen Doppelpartnern. Mit dem entscheidenden Mann käme er zurecht - unklar wäre nur, wie seine Rolle als Trainer von Sabine Lisicki zum Job als Teamchef passen würde.
Obwohl die Kandidatenliste laut Hordorff "überschaubar" ist, könnte es zunächst auf eine Interimslösung hinauslaufen. Schließlich wartet vom 6. bis 8. März bereits Frankreich in der ersten Runde. Der Zeitplan ist ambitioniert.
Struff, Gojowczyk und Zverev für die Zukunft
Mit einer gewissen Radikalität könnte der Neue die Mannschaft fit machen für die kommenden Jahre.
Tommy Haas wird nicht mehr lange spielen, Namen wie Jan-Lennard Struff, Peter Gojowczyk und langfristig Alexander Zverev stehen für die Zukunft des Teams.
Kohlschreiber sollte die Jungen eigentlich mit seinen 31 Jahren anführen. Stattdessen muss sich der neue Kapitän um ihn besonders kümmern.