Der italienische Tennisstar Jannik Sinner musste sich in diesem Jahr einer der größten Herausforderungen seiner Karriere stellen: einem Dopingverdacht. „Es war eine harte Zeit“, erzählte Sinner dem US-Magazin Esquire rückblickend.
Sinner hatte „schlaflose Nächte“
Zweimal, am 10. und 18. März, wurde der 22-Jährige positiv auf Spuren des anabolen Steroids Clostebol getestet.
Die entdeckte Menge war winzig – weniger als ein Milliardstel Gramm –, doch sie reichte aus, um Sinner in einen Strudel aus Anschuldigungen und Unsicherheit zu stürzen.
„Ich konnte mir nicht Luft machen"
Zunächst folgte eine vorläufige Suspendierung vom 4. bis 5. April, die dann im Berufungsverfahren aufgehoben wurde. Doch die Erleichterung währte nur kurz, denn Mitte April musste er erneut pausieren. „Ich konnte mit niemandem darüber reden. Ich konnte mir nicht Luft machen oder Hilfe holen“, gestand Sinner.
Er gab zu: „Ich hatte schlaflose Nächte, denn selbst wenn man sich seiner Unschuld sicher ist, weiß man, dass diese Dinge kompliziert sind.“
Sinner: „Mir wurde klar, wer meine wahren Freunde sind“
Doch dann fand sein Team heraus, dass die Substanz aus einem rezeptfreien Wundspray stammte, das sein Physiotherapeut Giacomo Nardi genutzt hatte. Durch eine Massage wurden Spuren unabsichtlich übertragen. Die Internationale Tennis-Integritätsagentur (ITIA) akzeptierte die Erklärung und sprach Sinner frei. „Alle haben sofort die Wahrheit gesagt, und so konnte ich weiterspielen“, erzählte der Italiener erleichtert.
Trotzdem blieb der Schatten des Verdachts. „Ich ging zum Training in das Clubhaus von Cincinnati und dachte: Wie sehen sie mich an? Was denken sie wirklich von mir?“, erinnerte sich Sinner an die belastenden Momente. Doch in der schwierigen Zeit erkannte er auch, wer wirklich zu ihm steht: „Mir wurde klar, wer meine wahren Freunde sind.“
Doch die Erleichterung wich bald neuen Sorgen. Im September kündigte die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) an, Berufung einzulegen und eine Disqualifikation zu fordern. Sinner blieb jedoch standhaft und ließ sich nicht beirren. Er betonte: „Ich habe mich in diesem Jahr sowohl geistig als auch körperlich sehr weiterentwickelt.“
Mit Reife durch die Krise
Die Nummer Eins der Welt verdankt seine mentale Stärke auch der Arbeit mit Sportpsychologe Riccardo Ceccarelli. „Ich bin reifer geworden, ich verstehe mich selbst besser“, sagte er. „Es mag albern klingen, aber sich selbst kennenzulernen, ist von grundlegender Bedeutung.“
Trotz aller Herausforderungen erkämpfte sich Sinner in diesem Tennis-Jahr große Erfolge, darunter der Sieg bei den ATP-Finals. „Ich bin so sehr gewachsen dieses Jahr, sowohl mental als auch physisch“, sagte er abschließend.