Es ist Januar 1999, als viele Zuschauer beim Junioren-Tennisturnier Les Petits As im französischen Tarbes ihren Augen nicht trauen, was für ein unglaubliches Niveau sie gerade von zwei 12-Jährigen zu sehen bekommen.
Ein Abschied in Nadals Schatten
Die Namen der beiden Kinder? Rafael Nadal und Richard Gasquet, die beide als die größten Tennistalente in ihrem Alter gelten. Nicht wenige sehen den Franzosen dabei sogar noch einen Tick voraus, da er in jungen Jahren zunächst ein wenig erfolgreicher ist.
So auch an diesem Tag: Gasquet gewinnt das hochklassige Duell mit 6:7, 6:3, 6:4 und holt sich wenige Jahre später den äußerst prestigeträchtigen Turniersieg. Nadal zieht ein Jahr später nach - doch was damals noch keiner ahnt: Die Karrieren der beiden würden anschließend weit auseinanderdriften.
Lässt man den Sieg durch Nadals verletzungsbedingte Aufgabe 2003 bei einem Challenger im St. Jean De Luz außen vor, schaffte es Gasquet danach nie wieder, Nadal zu bezwingen. Ihre unglaubliche direkte Bilanz auf ATP-Ebene lautet sogar 18:0(!) zugunsten des Spaniers.
Gasquet schon wieder im Schatten von Nadal
Auch in Sachen Erfolge könnten die beiden Karrieren nicht unterschiedlicher verlaufen sein.
Während Nadal mit 22 Grand-Slam-Siegen zu einem der erfolgreichen Spieler der Geschichte mutierte, reichte es für Gasquet nie zu einem Grand-Slam-Sieg. Seine höchste Weltranglistenplatzierung erreichte er 2007 als Nummer 7 - aller Ehren wert, aber angesichts seines Potenzials dennoch ein wenig enttäuschend.
Es könnte insofern nicht passender sein, dass beide Tennisstars nun am selben Tag ihr Karriereende verkünden (Gasquet hört nach den French Open 2025 auf, Nadal nach dem Davis Cup im November) und Gasquet damit wieder zur Randfigur wird - im Schatten von Nadal, wie seine ganze Karriere über.
Gasquet lässt bei French Open früh aufhorchen
Doch wie konnte es dazu kommen, dass aus einem der größten Talente zwar ein sehr guter Profi wurde, der aber dennoch hinter den Erwartungen vieler klar zurückblieb?
Sein Start in die Karriere verlief äußerst vielversprechend. Seine Eltern arbeiteten beide als Tenniscoach, weshalb der junge Richard eine sehr gute Ausbildung genoss und sehr früh bereits viel Zeit auf dem Tennisplatz verbrachte - nur wenige Jahre später wurde er für die nationale Nachwuchsförderung entdeckt.
Bereits 2002 gewann er als noch 15-Jähriger den Junioren-Wettbewerb bei den French Open und nahm sogar bei den Erwachsenen teil, wo er dem späteren French-Open-Sieger Albert Costa einen Satz abnahm. Eine unglaubliche Leistung für den zweijüngsten Spieler, der jemals im Hauptfeld in Paris antrat.
Nachdem Gasquet auch noch beim Juniorenturnier der US Open triumphierte, beendete er das Jahr als Nummer 1 der Welt bei den Junioren. Zu diesem Zeitpunkt war er der jüngste Spieler, dem dies gelang und zudem der jüngste Spieler in der Geschichte, der auf der ATP-Tour das Jahr unter den Top 200 beendete.
Nadal enteilt Gasquet Schritt für Schritt
Zunächst ging der steile Aufstieg sogar munter weiter: Ende 2003 war Richard Gasquet mit 17 Jahren der jüngste Spieler unter den Top 100. Der 15 Tage ältere Nadal bewegte sich zu diesem Zeitpunkt trotzdem bereits in anderen Sphären und befand sich bereits unter den Top 50 der Welt wieder.
„Je mehr Jahre vergingen, desto weniger glaubwürdig wurde der Vergleich mit ihm. Aber zumindest wurde ich mit ihm verglichen - das ist das, was mir bleiben wird“, erzählte Gasquet mit einem Lachen bei Le Monde kurz nach dessen Rücktrittsbekanntgabe.
Eigentlich war das Interview wohl wegen Gasquets Rücktrittsankündigung geplant gewesen - doch der Nadal-Hammer führte dazu, dass sich auch diesmal ein Teil des Interviews von Gasquet wieder um den Spanier drehen musste.
Gasquet kommt mit Druck in Frankreich nicht klar
Sportlich ging die Schere zwischen den beiden ab 2004 richtig weit auseinander. Gasquet bekam mit Ausnahme des Triumphs beim Mixed-Doppel in Paris nur wenig gebacken. Später sagte er über sich, dass er damals nicht sicher war, ob er überhaupt der Richtige für diesen Job sei.
Auch das Brennglas der französischen Presse, die große Dinge von ihm erwartete, wurde zu viel für den schüchternen Teenager, der das Rampenlicht eher scheute und einfach nur auf dem Tennisplatz stehen wollte ohne das ganze Drumherum. Doch der Druck von außen zerdrückte ihn regelrecht.
Sogar ans Karriereende dachte Gasquet damals. Es wäre ein früher Tod für eine der schönsten einhändigen Rückhände gewesen, die von Tennis.com sogar 2023 noch auf Platz fünf der schönsten in der Tennis-Geschichte gewählt wurde.
Frankreichs Tennis-Star zerschellt an den Big 3
Dazu kam es zum Glück nicht. Gasquet setzte danach sogar immer wieder Highlights wie mit seinem sensationellen Sieg 2005 in Monte Carlo, als er den haushohen Favoriten Roger Federer bezwang. Nachdem er 2007 das Wimbledon-Halbfinale erreichte, träumte ganz Frankreich schon von großen Titeln.
„Früher oder später wird sich dem Franzosen die Chance bieten, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen“, ist sich die französische Presse damals sicher. Doch es kam anders. Lediglich noch zweimal sollte er in seiner mehr als 20-jährigen Karriere ein Grand-Halbfinale erreichen.
Weiter schafft er es nie. Vielmehr ist es geradezu passend, dass Gasquet in seinen drei Grand-Slam-Halbfinals jeweils auf einen der Big 3 traf, also Federer, Novak Djokovic und Nadal, und ihm dabei nicht mal ein Satzgewinn gelang.
Gasquet mit dem Team erfolgreicher als im Einzel
Zwischendurch wurde er 2009 nach einer positiven Kokain-Probe für zweieinhalb Monate suspendiert. Gasquet beteuerte seine Unschuld, im Gegensatz zu seiner Urinprobe ist seine Haarprobe auch negativ. Die Richter folgten daher seiner Erklärung, dass er die Droge durch Küsse auf einer Party aufgenommen hatte.
Auch wenn die ganz großen Erfolge im Einzel in seiner Karriere ausblieben, feierte er doch einige große Siege mit anderen an seiner Seite - wie zum Beispiel mit dem Gewinn des Davis Cups 2017 oder mit der Olympia-Bronzemedaille im Doppel in London 2012.
So bleibt am Ende der Karriere-Rückblick auf einen Spieler, der nicht alles aus seinem Talent rausholen konnte. Über 20 Jahre und 1000 ATP-Matches zeigen aber dennoch, dass der Tennissport nach dem French Open 2025 mit Gasquet eine echte Größe des Sports verliert.
Und irgendwie hätte es passender nicht sein können - und ist ihm vermutlich sogar ganz Recht -, dass seine Rücktrittsankündigung nur kurze Zeit später von Nadals Nachricht überstrahlt wird und er ein wenig in der Hintergrund rückt. Dort fühlte er sich schließlich am wohlsten.