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Doping-Freispruch: "Stinkt zum Himmel!"

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Doping-Freispruch: "Stinkt zum Himmel!"

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„Das stinkt zum Himmel!“

Der Tennis-Weltranglistenerste Jannik Sinner kommt trotz zweier positiver Doping-Tests ungeschoren davon. Bei SPORT1 übt der Doping-Experte Fritz Sörgel scharfe Kritik.
Ein unabhängiges Tribunal stellte fest, dass Jannik Sinner durch einen Betreuer mit dem anabolen Steroid in Kontakt gekommen war. Doch der Italiener wurde freigesprochen.
Benjamin Bauer
Benjamin Bauer
Der Tennis-Weltranglistenerste Jannik Sinner kommt trotz zweier positiver Doping-Tests ungeschoren davon. Bei SPORT1 übt der Doping-Experte Fritz Sörgel scharfe Kritik.

Die Tennis-Welt in Aufruhr! Der aktuelle Weltranglistenerste Jannik Sinner ist im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet worden, wird aber vorerst nicht gesperrt, weil ein unabhängiges Gericht den 23-Jährigen von jeder Schuld freigesprochen hat.

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Sinner hatte erklärt, die Substanz könne nach einer Kontamination durch ein Mitglied des Betreuerteams in seinen Körper gelangt sein. Dieser habe ein in Italien rezeptfrei erhältliches Spray mit Clostebol auf seine eigene Haut aufgetragen, um eine Wunde zu behandeln.

Doping-Experte Prof. Dr. Fritz Sörgel äußert sich in einem Exklusiv-Interview mit SPORT1 kritisch zu den Vorgängen und fordert ein entschiedenes Vorgehen der WADA. Der anerkannte Pharmazeut und Pharmakologe kritisiert auch die unzureichenden Maßnahmen der zuständigen Behörden und stellt infrage, warum Sinner offenbar eine Sonderbehandlung erfährt. Zudem zieht Sörgel einen Vergleich zu einem prominenten Dopingfall.

Sörgel: „Fall außerhalb der WADA-Regeln abgelaufen“

SPORT1: Prof. Dr. Sörgel, ist Sinners Geschichte plausibel, dass von einem Spray so eine hohe Konzentration erreicht werden kann für eine positive Dopingprobe?

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Prof. Dr. Fritz Sörgel: Es gibt tatsächlich Salben und Sprays mit Clostebol, aber in Deutschland ist das nicht zugelassen, ein Anabolika-Spray für eine Wundbehandlung - lächerlich. Das Anti-Doping-Gesetz würde das gar nicht zulassen. Bei einer Wunde stehen andere Substanzen wie Antibiotika im Vordergrund. Ich vermute, dieses Spray wird gezielt für den Hochleistungssport auf inoffiziellen Wegen und im Internet vertrieben. Weil es ein Dopingmittel ist und man, wie in diesem Fall auch immer auf Unschuld, „kein Doping“ plädieren kann. Aber wenn jemand eine Schnittwunde hat, wie es bei dem Physio von Sinner der Fall gewesen sein soll, dann schmiert man die Salbe ja nicht pfundweise drauf. Sondern eher dünn. Auch wenn er ihn jeden Tag massiert, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass das Clostebol in solchen Mengen durch die Haut eindringt, dass es im Dopingtest auffällt.

SPORT1: Was bedeutet das konkret?

Sörgel: Aus meiner Sicht hat das Clostebol in dem Spray, das unter dem Namen Trofodermin vertrieben wird, mit 5 Prozent Clostebol schon eine Dopingwirkung - und lediglich die 5 Prozent des Antibiotikums Neomycin, die ja die eigentlich Wundheilungseffekte haben soll, machen in dem Präparat Sinn und haben keinen Doping-Effekt.

SPORT1: Wie bewerten Sie das Urteil?

Sörgel: Man muss in diesem Fall dazusagen: In den USA und im Tennis gibt es manchmal komische Urteile, weil dort solche Fälle durch so genannte Schiedsgerichte, die mit Sport nichts zu tun haben, entschieden werden. Da sitzen Leute drin, die mit der Materie nicht vertraut sind oder auf der Seite der Sportler stehen. Und wenn dann entsprechend geschickte Anwälte ins Spiel kommen, kann man einen Befund wegdiskutieren und einen Freispruch bekommen. Das sollte die Nationale Anti-Doping-Agentur sofort zur Anzeige bringen. Die Agentur in London, die den Fall entschied, dürfte im Sport nicht zählen.

SPORT1: Mit welchen Folgen?

Sörgel: Wenn jemand positiv auf Clostebol getestet wird, dann wird er automatisch gesperrt. Die Reihenfolge nach einem positiven Test, der angezweifelt wird, ist der Gang zur nationalen Anti-Doping Agentur, zur WADA, zum CAS. Wieso kann Sinner dann von einem Gericht freigesprochen werden? So einen Fall hatten wir bei uns noch nicht. Im Fall des Handball-Torwarts Nikola Portner (wegen Crystal Meth beim SC Magdeburg vorübergehend suspendiert, Anm. d. Red.) hat das der Handballverband versucht, das Schiedsgericht des Handballverbands hat ihn freigesprochen und die NADA hat prompt beim CAS Berufung eingelegt. Der Fall Sinner ist außerhalb der WADA-Regeln abgelaufen. Das verstehe ich nicht.

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Kritik an der Anti-Doping-Behörde: Was lief schief?

SPORT1: Die Angelegenheit hat für Sie einen seltsamen Beigeschmack?

Sörgel: Auf jeden Fall, das stinkt zum Himmel. Diese Methode der Ausrede, dass es über die Haut aufgenommen wird, wird in letzter Zeit verstärkt verwendet. Und das ist nun ein weiterer Fall.

SPORT1: Müsste die WADA jetzt nicht tätig werden?

Sörgel: Die WADA müsste jetzt eingreifen, denn der Internationale Tennisverband ist Mitglied der WADA. Interessant ist, dass er erst 2003 Mitglied wurde - und das sagt doch schon alles.

SPORT1: Geht die Causa Sinner weiter, oder ist das Thema durch?

Sörgel: Aus meiner Sicht ist das Thema nicht durch. Es ist ein eindeutiger Befund. Clostebol ist Clostebol, und Clostebol führt automatisch zu einer zwei- bis vierjährigen Sperre. Da führt kein Weg dran vorbei. Dagegen kann Sinner vor dem CAS vorgehen, aber nicht einem dem Tennis nahestehende Gericht.

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Tennis-Superstar? „Sperre hätte viel früher erfolgen müssen“

SPORT1: Diese Sperre kann aber nur die WADA aussprechen, oder?

Sörgel: Erst spricht der nationale Verband, also der italienische NADO Italia. Die Sperre müsste über die WADA kommen.

SPORT1: Aber der positive Dopingfall war im März. Hat es die WADA verschlafen?

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Sörgel: Die Sperre hätte viel früher erfolgen müssen. Aber im Tennis war das schon früher so, dass da eine Geheimniskrämerei draus gemacht wird und man den ein oder anderen Spieler geschont hat.

SPORT1: Bei Simona Halep hat man durchgegriffen - bevor der CAS das Urteil stark entschärfte ...

Fritz Sörgel: Dass alle gleichbehandelt werden, war noch nie der Fall.

„Warum sollte Sinner eine Sonderregel bekommen?“

SPORT1: Wie lautet Ihr Fazit?

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Sörgel: Wenn die WADA generell bei solchen Fällen nicht durchgreift beziehungsweise auch das CAS keine klaren Urteile fällt, und wie in den in den letzten Jahren aufgrund ähnlicher Ausreden Freisprüche aussprach, dann geht es immer so weiter. Jetzt muss ein klarer Strich gezogen werden. Positiver Nachweis ist positiver Nachweis. Jeder ist für seinen Körper verantwortlich. So hat es früher mal geheißen, „Strict Liability“ und das darf nicht weiter umgangen werden.

SPORT1: Glauben Sie, dass dieser Strich bei der Nummer 1 der Tenniswelt gemacht wird?

Sörgel: Warum sollte man das nicht machen? Ich sehe keinen Grund, das nicht bei der Nummer 1 der Tenniswelt zu machen. Gerade bei der Nummer 1. Man muss nur den Fall Ben Johnson (ehemaliger kanadischer Leichtathlet, dessen Olympia-Sieg über die 100 Meter 1988 wegen Dopings wieder aberkannt wurde, Anm. d. Red.) hervorholen. Da hat man auch durchgegriffen. Es spielt keine Rolle, ob jemand Nummer eins oder Nummer 15 ist. Warum sollte Sinner eine Sonderregel bekommen?