Das Comeback von Novak Djokovic hat Fragen aufgeworfen. Nach knapp drei Stunden unterlag der Weltranglistenerste in Monte Carlo dem Spanier Alejandro Davidovich Fokina überraschend mit 3:6, 7:6 (7:5), 1:6 - und wirkte im 3. Satz richtig ausgelaugt.
So verrückt sind Djokovics Klauseln
Die fehlende Matchpraxis war Djokovic anzusehen. Schließlich verpasste er aufgrund seiner Impf-Weigerung unter anderem die großen Turniere in Indian Wells und Miami. Auch das Theater rund um seine Einreise in Australien ist wohl allen noch in Erinnerung.
Djokovic bleibt nicht nur wegen dieser Episode für viele ein Rätsel. Der Autor Daniel Müksch hat sich in der ersten ausführlichen Biografie über den Serben mit dem „Mysterium Djokovic“ beschäftigt. Diese trägt den Titel „Novak Djokovic - Ein Leben lang im Krieg“.
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Mit SPORT1 sprach Müksch unter anderem über die Kindheit von Djokovic im Jugoslawien-Krieg, sein von Beginn an zum Scheitern verurteilter Kampf um die Liebe der Massen, aber auch über das überraschende Aus von Erfolgscoach Marian Vajda und kuriose Vertragsklauseln.
Hier ein Ausschnitt daraus - der komplette erste Teil des Interviews gibt es im Tennis-Podcast „Cross Court“ auf podcast.sport1.de und auf allen gängigen Plattformen zu hören, zusätzlich zum Djokovic-Interview sind dort auch Alcaraz, Zverev, Bencic und Barty Thema.
SPORT1: „Ein Leben lang im Krieg“ - ein großer Titel, gerade in diesen schlimmen Tagen ...
Daniel Müksch: Der Titel spielt zunächst einmal auf seine Kindheit im Jugoslawien-Krieg an, wo er als Teenager die Nächste in einem Luftschutzbunker verbracht hat. Das hat ihn bis heute stark geprägt. Der 10-Jährige Novak hatte das Gefühl, jemand will mir was wegnehmen, weil es für ihn so schwierig war, sein Talent im Tennis weiter auszuleben. Seine größten Konkurrenten Rafael Nadal und Roger Federer hatten es einfacher, auch wenn niemand etwas dafür kann. Aber es gibt dieses schöne Zitat von ihm: ‚Nicht jeder Tennis-Champions kommt aus den Country Clubs der Reichen.‘
SPORT1: Dieses Gefühl, er gegen alle, alle wollen ihm was wegnehmen - wie genau ist das entstanden?
Müksch: Es hat in der Jugend angefangen. Er hat kaum Junioren-Grand-Slams gespielt, weil es finanziell nicht ging. In der gleichen Zeit ist Rafael Nadal, der eben aus einem anderen Elternhaus mit anderen finanziellen Möglichkeiten kam, mit der Nike-Tour um die Welt geflogen. Da kann Nadal nichts dafür, aber er war überall präsent. Und da hat Djokovic gedacht, ich bin genauso gut oder nur etwas schlechter - aber ich habe völlig andere Möglichkeiten.
Die Beliebtheit bei Djokovic kann sich fast nur über Erfolge oder das Verhalten abseits des Platzes speisen. Sein Spiel auf dem Platz spektakulär zu finden, ist schwierig. Dazu hat er diese Aggressivitäts-Ausbrüche, die die Gelegenheits-Zuschauer auch nicht denken lassen: ‚Boah, das ist aber ein sympathischer junger Mann. Den würde ich gerne mal meiner Tochter vorstellen.‘ Federer hatte immer dieses Elegante, bei Djokovic sah schon immer nach Krieg aus.
SPORT1: Warum hatte es Djokovic von Beginn an so schwer, von der Masse der Fans geliebt zu werden?
Müksch: Da gab es zum Beispiel die Kontroverse bei den US Open mit Andy Roddick, wo sie sich fast in den Katakomben gekloppt hätten. Danach war es schwierig für ihn, in den USA beliebt zu werden. Man hat es womöglich auch zu zwanghaft versucht.
Seine vielen Aufgaben am Anfang waren auch ein Problem - teils aus unerklärlicher körperlicher Erschöpfung, es gab aber auch Behandlungspausen, wo er danach wieder wie ein junger Gott gespielt hat. Er hatte in den Anfangsjahren viele Aufgaben, was den Eindruck weckte, er ist einer, der aufgibt, wenn es nicht läuft. Das hatte meiner Meinung nach auch medizinische Gründe - aber es waren auch zweifelhafte Aufgaben dabei.
Wir tun uns in Westeuropa auch mit seiner Sport-Mentalität schwer. Wäre Novak Djokovic Franzose gewesen, wäre es uns leichter gefallen, ihn richtig gut zu finden.
SPORT1: Nach der ganzen Recherche - wie wirkt Djokovic auf Sie?
Müksch: Er hat Momente, wo er unglaublich schlaues Zeug erzählt. Danach denkt man, das ist wirklich einer Nummer 1 würdig. Und dann gibt es Instagram-Videos, wo man denkt - was erzählt der da für einen Quatsch? Es ist schwierig, ihn richtig zu greifen.
SPORT1: Wie sind die Reaktionen auf das Buch?
Müksch: Es gab einen großen Aufreger, als ich bei Servus TV sagte, dass Djokovic über eine Impfung nachdenkt. Darauf gab es einen Mini-Shitstorm auf Twitter von Djokovic-Fans. Die dachten, jemand will ihm reinlabern und unser Djoker würde das niemals tun. Zwei Wochen später folgte das BBC-Interview, in dem Djokovic erklärte, er werde sich nicht impfen lassen und sei bereit, dafür auf Turniere zu verzichten.
Danach haben alle wieder geschrieben „siehst du, das war totaler Bullshit“ - aber das war es nicht. Ich weiß, dass dies einer der Gründe war, warum es mit Marian Vajda auseinandergegangen war. Das wurde heftig diskutiert und Vajda sah die Impf-Thematik anders. Er hatte ihm eindringlich zur Impfung geraten.
Ich konnte auch nicht alles schreiben oder wörtlich zitieren, was mir der Inner Circle gesagt hatte. Djokovic hat mit allen Mitarbeitern, die mit ihm reisten, eine Verschwiegenheitsklausel bis nach der Karriere. Gebhard Gritsch darf zum Beispiel nicht nennen, welche expliziten Übungen er mit Novak absolviert hat. Djokovic ist ein Perfektionist, der mit seinem engsten Umfeld juristische Vereinbarungen getroffen hat.
Die ausführlichen Antworten zu diesen und weiteren Fragen gibt es im Podcast „Cross Court“ ab sofort auf podcast.sport1.de, in der SPORT1 App sowie auf den gängigen Streaming-Plattformen Spotify, Apple Podcasts, Google Podcast, Amazon Music, Deezer und Podigee.
Am 27. April folgt bei „Cross Court“ der zweite Teil des Interview mit Daniel Müksch, welcher unter anderem die Zusammenarbeit von Djokovic mit Boris Becker sowie Alternativmedizinern beleuchtet und einen Blick voraus auf das Ende des Duells mit Nadal und Federer wagt.