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Wettbetrug: Wie schmutzig ist der weiße Sport?

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Wettbetrug: Wie schmutzig ist der weiße Sport?

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Die Antworten zum Tennis-Skandal

16 Spieler aus den Top 50 sollen Matches manipuliert haben. SPORT1 beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum Ausmaß und zu den Hintergründen des Manipulationsskandals.
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© SPORT1-Grafik: Paul Haenel
16 Spieler aus den Top 50 sollen Matches manipuliert haben. SPORT1 beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum Ausmaß und zu den Hintergründen des Manipulationsskandals.

Sie gelten als das Krebsgeschwür des Sports, schwer zu verhindern, kaum zu bekämpfen. Die Rede ist von Spiel-Manipulationen von Sportlern im Auftrag der Wettmafia.

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Nun ist das Tennis ins Visier gerückt. Nicht zum ersten Mal, aber doch in einer neuen Dimension. Gemeinsame Recherchen der englischen BBC und von BuzzFeed scheinen ergeben zu haben, dass in den letzten zehn Jahren 16 Weltklassespieler, alle zeitweise in den Top-50 der Welt gelistet und teilweise auch mit Siegen bei Grand Slams dekoriert, in Manipulationen von Tennisspielen involviert gewesen sein sollen.

Fast noch schlimmer: Verdachtsmomente und die angeblich beteiligten Spieler sollen sowohl der Profispielervereinigung ATP und deren mit großem Getöse 2008 gegründeten "Tennis Integrity Unit" (ITU), eine Art Anti-Korruptions-Behörde des Verbandes, bekannt gewesen sein. Bestraft oder gar gesperrt wurde aber keiner der verdächtigen Spieler.

Wie schmutzig ist der weiße Sport? SPORT1 beantwortet die Fragen zum Manipulationsskandal im Tennis:

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Worum geht's?

Den Rechercheuren von BBC und BuzzFeed wurden laut eigenen Angaben geheime Dokumente zugespielt, aus denen sich die Verdachtsmomente ergäben. Demnach haben Wettsyndikate aus Russland, Norditalien und Sizilien zum Teil mehrere Hunderttausend Pfund auf einzelne Spiele gewettet, betroffen seien auch drei Spiele in Wimbledon.

Spielern seien bis zu 50.000 Dollar pro Manipulation geboten worden. Dabei ging es nicht nur darum, Spiele absichtlich zu verlieren, sondern angeblich auch um Ausgänge einzelner Sätze.

Ein Datenjournalist von BuzzFeed untersuchte bei rund 26.000 Spielen zwischen 2009 und 2015 die Bewegungen der Wetteinsätze und Wettquoten und fand heraus, dass sich bei 11 Prozent dieser Spiele die Wettquoten während der Matches außergewöhnlich veränderten.

Insgesamt fand er 15 Spieler, die außergewöhnlich oft Spiele verloren, bei denen sie als Favoriten galten. Ein Beweis für Manipulationen ist dies nicht, ein Indiz aber schon.

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Werden verdächtige Spieler genannt?

Nein. Den Rechercheuren lägen zwar die Namen der Verdächtigen vor, allerdings habe man auf deren Veröffentlichung verzichtet, weil ohne den Zugriff auf deren Bankdaten oder Telefonprotokollen die persönliche Beteiligung der Spieler an Manipulationen nicht eindeutig nachgewiesen werden könnte, schrieb BBC.

In der Vergangenheit wurden etwa gegen Manipulationsvorwürfe gegen Nikolai Dawydenko, damals Nummer 4 der Welt, erhoben. Er war unter anderem beschuldigt worden, 2007 gegen den Außenseiter Martin Vasallo absichtlich aufgegeben zu haben.

Auf das Spiel der beiden waren außergewöhnlich hohe Wettsummen gesetzt worden, so dass Vasallo zum Zeitpunkt von Dawydenkos Aufgabe bei den Wettanbietern plötzlich als Favorit galt. Zu einer Verurteilung Dawydenkos kam es nicht.

Wieso Tennis?

In Deutschland wurden 2015 rund 4,5 Milliarden Euro mit Sportwetten umgesetzt. Nach dem Fußball gilt Tennis europaweit als zweitgrößter Wettmarkt im Sport. Spielmanipulationen sind in der Einzelsportart Tennis naturgemäß noch leichter umzusetzen als in Mannschaftssportarten, zumal nicht nur auf den Ausgang der Spiele gewettet werden kann, sondern auch live um die Ausgänge der Sätze und sogar einzelner Spiele.

Gerüchte um Wettbetrug gibt es im Tennis schon lange, Verurteilungen sind aber selten.

Seit 2008 wurden insgesamt 18 eher unbekannte Spieler bestraft, sechs Profis wurden sogar mit lebenslangen Sperren belegt - unter anderem 2011 der Österreicher Daniel Köllerer, der sich selbst später als "Bauernopfer" bezeichnete und Manipulationen im Tennis allgemein als "Gang und Gäbe" bezeichnete.

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Superstar und Boris-Becker-Schützling Novak Djokovic berichtete am Rande der Australian Open, dass ihm 2007 einmal über Mittelsmänner 200.000 Dollar für eine Niederlage beim Turnier in St. Petersburg angeboten worden seien.

Welche Rolle spielt die ATP?

Sollten sich die von BBC und BuzzFeed berichteten Verdachtsmomente erhärten: keine gute. Die Vereinigung und die TIU, vergleichbar mit der Ethik-Kommission der FIFA, würden die Namen der verdächtigen Sportler kennen, hätten aber nichts unternommen. Wohl auch, weil die recherchierten Fälle teilweise aus dem Jahr 2007 stammten, die TIU aber erst 2008 ihre Arbeit aufgenommen hat.

ATP-Präsident Chris Kermode dementierte. "Ich weise die Beschuldigungen zurück, dass wir irgendwelche Dinge zurückhalten oder nicht gründlich untersuchen. Wir sind wachsam", sagte er und forderte "Beweise".

Manipulationen im Tennis seien aber möglich. "Wir sind uns bewusst, dass es wie in anderen Sportarten auch im Tennis diesbezügliche Risiken gibt. Aber die Verschiebungen bewegen sich auf einem unglaublich niedrigen Niveau", beteuerte Kermode.

Bislang seien über 14 Millionen Dollar investiert worden, um gegen Korruption vorzugehen. Die TIU kann bei konkreten Verdachtsfällen die Prüfung von Smartphones, Computern und Laptops der Profis fordern. Weigern sich die Spieler, droht ihnen eine Strafe von bis zu zwei Jahren.

Ähnlich wie beim Fußball, wo unter anderem DFL und DFB ein Warnsystem des Anbieters Sportradar nutzen, das verdächtige Wettbewegungen anzeigen soll, lässt auch die TIU den Wettmarkt von einem Dienstleister überwachen.

Was sagen die Spieler?

Die Tennisprofis reagierten erwartungsgemäß zurückhaltend und antworteten ganz im Sinne von ATP und TIU:. "Wettbetrug gibt es leider Gottes in jeder Sportart. Man darf aber jetzt nicht alle Spieler und die Tour schlecht machen", sagte etwa Philipp Kohlschreiber und lobte die TIU: "Man arbeitet positiv dagegen, es gibt für uns Spieler viele neue Regeln."

Australian-Open-Titelverteidiger Djokovic sagte:  "Ich glaube nicht, dass das ein Schatten auf unseren Sport wirft. Es gibt bislang keine klaren Beweise, dass aktive Spieler betroffen sind." Einzig der Franzose Julien Benneteau machte einen radikalen Vorschlag, wie Wettmanipulationen effektiv verhindert werden könnten: "Meiner Meinung nach sollten Wetten in Individual-Sportarten gar nicht erlaubt sein", sagte er.