Die von Novak Djokovic mitgegründete Spielergewerkschaft Professional Tennis Player Association lehnt sich gegen die etablierten Strukturen im Profitennis auf.
Tennis-Zoff eskaliert: Neue Details
Wie die PTPA am Dienstag mitteilte, hat sie „eine Reihe von Klagen“ in den USA, Großbritannien und der EU gegen die Dachverbände des Tennissports eingereicht. Betroffen seien die Spielervereinigungen ATP und WTA, der Tennis-Weltverband (ITF) und die für Dopingthemen zuständige International Tennis Integrity Agency (ITIA) - zuletzt im Fokus wegen der Fälle Jannik Sinner und Iga Swiatek.

„Das Tennis ist kaputt“, die PTPA will es „retten“
„Das Tennis ist kaputt“, sagte Ahmad Nassar, Exekutivdirektor der PTPA laut einer Pressemitteilung. Hinter einer glamourösen Fassade seien „die Spieler in einem unfairen System gefangen, das ihr Talent ausnutzt, ihre Einkünfte unterdrückt und ihre Gesundheit und Sicherheit gefährdet“.
Die Möglichkeiten einer Reform durch einen Dialog seien ausgeschöpft, es gehe darum, das Tennis „für die kommenden Generationen von Spielern und Fans zu retten“.
Die ATP, die WTA, die ITF und die ITIA operierten als quasi-monopolistisches Kartell, indem sie „eine Reihe drakonischer, ineinandergreifender wettbewerbswidriger Beschränkungen und missbräuchlicher Praktiken anwenden“ würden, hieß es weiter. Die Verbände würden ihre gemeinsame Machtposition gegenüber den Spielern ausnutzen und damit „die Kontrolle über ihre eigenen Karrieren und Markenrechte“ einschränken.
Konkret erwähnt wird in einer der Klagen, eingereicht bei einem Distriktgericht in New York, der Tourplan, das Ranglistensystem und die von den Verbänden ausgeübte Kontrolle über die Bildrechte der Stars.
„Die Spieler haben die Nase voll“, ergänzte PTPA-Boss Nassar in einem Interview mit dem Sports Business Journal: „Wir haben mit Leuten telefoniert, Meetings absolviert, Kontakt bei Turnieren gehabt. Aber es hat sich nichts geändert. Wir werden behandelt wie Frösche im kochenden Wasser - und haben uns entschieden, aus dem Topf zu springen.“
Djokovic ging 2020 auf Konfrontationskurs auch mit Federer und Nadal
„Hier geht es nicht nur um Geld, sondern um Fairness, Sicherheit und grundlegende Menschenwürde“, sagte der Kanadier Vasek Pospisil, Co-Gründer der Gewerkschaft, die Djokovic 2020 mit aus der Taufe hob - und sich für seinen Konfrontationskurs Kritik seiner alten Rivalen Rafael Nadal und Roger Federer einhandelte.
Die PTPA beruft sich bei ihrem Vorgehen laut eigener Aussage auch auf die „Mehrheit der Top-20-Spieler“, wie sie mitteilte. Namentlich werden diese aber nicht genannt, auch Djokovic nicht. Bei der US-Klage werden aber neben der PTPA auch 12 Spieler als Kläger benannt, neben Pospisil unter anderem auch der ehemalige Wimbledon-Finalist Nick Kyrgios.
Wie die New York Times bzw. ihr Sport-Ableger The Athletic berichten hat Djokovic sich bewusst entschieden, sich der Klage nicht persönlich anzuschließen: Er wolle sich selbst aus dem medialen Fokus nehmen, um nicht von „den Anliegen der Spieler als Kollektiv“ abzulenken, heißt es unter Berufung auf Eingeweihte.
Reaktionen der beschuldigten Organisationen ließen nicht lange auf sich warten - und fallen ähnlich deftig aus wie die Angriffe.
ATP und WTA reagieren scharf
„Während die ATP sich weiterhin auf Reformen konzentriert, die den Spielern auf verschiedenen Ebenen zugutekommen, hat die PTPA konsequent Spaltung und Ablenkung durch Fehlinformationen dem Fortschritt vorgezogen“, heißt es in einer Erklärung des Männerverbands.
„Fünf Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 2020 hat die PTPA Schwierigkeiten, eine bedeutende Rolle im Tennis zu etablieren, sodass ihre Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt rechtliche Schritte einzuleiten, nicht überraschend ist.“ Die ATP weise „die Behauptungen entschieden zurück“ und halte „den Fall für völlig unbegründet“.
Für die WTA ist das Vorgehen der PTPA laut Mitteilung „sowohl bedauerlich als auch fehlgeleitet. Wir werden unsere Position zu gegebener Zeit energisch verteidigen. Die WTA ist fest entschlossen, die Struktur und die Abläufe im professionellen Frauentennis weiterzuentwickeln und zu verbessern und hat dabei wie immer ein offenes Ohr für die Ansichten unserer Spielerinnen.“ Die Profis hätten „als gleichberechtigte Mitglieder“ eine „wichtige und einflussreiche Stimme“ in der Führung der WTA.
Die ITIA ist nach eigenen Angaben bestrebt, „bei ihrer Arbeit höchste Standards einzuhalten und bewährte Verfahren und angemessene Regeln bei der gesamten Fallbearbeitung zu befolgen, von der Informationsbeschaffung über die Ermittlungen bis hin zu gegebenenfalls verhängten Sanktionen“.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)