Am 31. Dezember 1977 konnte Evonne Goolagong Cawley endlich auch in ihrer Heimat Australien zeigen, was sie zuvor bereits in Paris und London demonstriert hatte. Sie kann Grand-Slam-Turniere gewinnen. Und das trotz ihrer Abstammung, trotz ihrer Geschichte – aufgrund ihres Talents, ihres Könnens und ihres Willens.
Australierin veränderte die Tenniswelt
Jener 31. Dezember 1977 dürfte für die Tennisspielerin ein Befreiungsschlag gewesen sein. Und das nicht etwa, weil ihr ein Titel bei einem Grand Slam zuvor nicht gelungen wäre – wie erwähnt, bei den French Open und in Wimbledon war sie bereits drei Jahre zuvor erfolgreich – sondern weil es ihr in ihrer Heimat gelang. Nach vielen Enttäuschungen.
1971,1972 und 1973 hatte die heute 73-Jährige das Endspiel der Australian Open erreicht, gewinnen konnte sie keine der drei Partien. Zweimal war Landsfrau Margaret Court zu stark, einmal Virginia Wade. 1974 war dann niemand mehr besser. Im Finale gelang ein Sieg gegen US-Star Chris Evert.
Wimbledon als großes Ziel
Neben Erleichterung dürfte Goolagong Cawley seinerzeit auch Genugtuung erfüllt haben. Einfach hatte es die Sportlerin seinerzeit nämlich nicht. Beim besten Willen nicht. Der Grund: ihre Herkunft. Als Nachfahrin der Aborigines, der australischen Ureinwohner, gehört sie dem Stamm der Wiradjuri an, ein Clan aus dem zentralen New South Wales.
Als drittes von acht Kindern war sie bereits in jungen Jahren vor allem eines - begeistert vom Tennissport. „Ich habe diese Prinzessinnen-Geschichte in einem Magazin gelesen“, erinnerte sie sich einst im Interview mit CNN Open Court zurück.
„Eine Geschichte handelte von einem Mädchen, das trainierte und an einen Ort namens Wimbledon gebracht wurde, wo sie auf einem magischen Platz gewann. Ich wusste nicht, dass es das wirklich gibt, aber sie sagte: ‚Ja, diesen Ort gibt es in England‘.“
Sieben Grand-Slam-Titel für Goolagong
Die Motivation war entfacht. Stundenlang spielte sie seinerzeit Bälle gegen eine Wand oder einen Wassertank, beide symbolisierten dabei das Netz im All England Club. „Jedes Mal, wenn ich nachts einschlief, träumte ich davon, auf diesem magischen Center Court zu spielen, und jedes Mal, wenn ich die Wand traf, stellte ich mir vor, ich wäre dort.“
1971, 20 Jahre nach ihrer Geburt, erreichte sie schließlich ihren großen Traum. Die zu Beginn ihrer Karriere unter dem Spitznamen „Sunshine Super Girl“ bekannte Australierin triumphierte in Wimbledon. Im selben Jahr hatte sie zudem die French Open gewonnen.
Insgesamt gelangen ihr in ihrer Karriere sieben Grand-Slam-Triumphe. Nur bei den US Open gewann sie nie, verlor stattdessen vier Endspiele in Folge.
Aborigine-Kinder mit großen Nachteilen
68 Turniersiege stehen in der Bilanz der Australierin, die es wohl nicht gegeben hätte, hätte nicht einst ein Mann aus ihrer Heimat die junge Evonne dazu ermutigt, Tennis zu spielen, nachdem er sie immer wieder dabei beobachtet hatte, wie sie durch den Zaun eines örtlichen Tennisplatzes spähte.
Eine besondere Geste, wurden Aborigines doch benachteiligt und waren weit verbreiteten Vorurteilen ausgesetzt. So hielten es viele Australier seinerzeit für das Beste, Aborigine-Kinder aus ihren Familien zu nehmen, um ihnen ein Leben fernab von Armut und eine Ausbildung in der Gesellschaft weißer Australier zu ermöglichen.
„Jedes Mal, wenn ein Auto die Straße entlang fuhr, sagte meine Mutter, wir sollten uns verstecken, sonst würde uns ein Sozialarbeiter mitnehmen“, so die Tennis-Legende im CNN-Interview. Doch die Familie Goolagong blieb zusammen und unterstützte Tocher Evonne bei ihrem Traum.
Stiftung als wichtige Aufgabe
Nachdem sie ein Tennistrainer aus Sydney gescoutet hatte, zog sie bereits mit zehn Jahren in die Metropole. Wie in ihrer Heimat begegnete ihr auch in der Millionenstadt Rassismus, auch wenn ihr Trainer alles tat, um sie davor zu schützen. „Er hat mir beigebracht, nicht an das zu glauben, was man liest, sondern an sich selbst, also habe ich nie etwas gelesen. Heute weiß ich, dass er mich von vielen Dingen ferngehalten hat.“
Ihre Erfolge im Tennis waren es schließlich auch, die ihr dabei halfen, Barrieren zu überwinden. So durfte sie beispielsweise 1972 als erste Nicht-Weiße in Südafrika zu Zeiten der Apartheid an einem Turnier teilnehmen.
Noch heute hilft sie mit ihrer Stiftung, die sie gemeinsam mit ihrem Mann Roger Cawley gegründet hat, Einheimischen in Australien. So werden Kinder ermutigt, mit dem Tennisspielen zu beginnen.
„Träumen, Glauben, Lernen, Erreichen“, lautet dabei das Motto. Ein Motto, das sie auch in ihrem eigenen Leben weit gebracht hat.