Tennis in Deutschland ist seit dem Boom der 80er und 90er Jahre heutzutage mit Boris Becker und Steffi Graf verknüpft. Doch lange bevor Bumm-Bumm-Becker und die „Gräfin“ die Nation in den Filzball-Sog zogen, sorgte ein anderer Adliger für Furore auf und auch abseits des Courts.
Glamour und Widerstand einer Ikone
Gottfried Alexander Maximilian Walter Kurt Freiherr von Cramm, der Tennis-Baron, galt in den 1930ern als einer der populärsten deutschen Sportler. Auf dem Platz feierte er große Erfolge, abseits weigerte er dem Nazi-Regime das Gefolge und war offen bisexuell.
Während Deutschland unter Adolf Hitler seine hässliche Fratze zeigte, verkörperte von Cramm das Bild eines anderen Deutschen.
Eines der schönsten Schauspiele
1937 erkannte der amerikanische Sportautor John R. Tunis über von Cramm: „Diesem Athleten zuzusehen, groß, elegant, robust und unerschütterlich auf dem Platz, heißt, eines der schönsten Schauspiele zu genießen, die man in der Galaxie des Sports überhaupt haben kann.“
Cramm vereinte sportliche Klasse mit Eleganz, blendendem Aussehen und Erfolg. Doch sein Lebensstil passte nicht zu der Zeit. Und das wurde Cramm, der erst mit elf Jahren mit dem Tennis begann, zum Verhängnis. Da halfen dem am 7. Juli 1909 in der Nähe von Hildesheim geborenem und später in Berlin wohnendem von Cramm auch seine sportlichen Erfolge nichts.
Dreimal stand er im Finale von Wimbledon (1935/1936/1937), zweimal gewann er die French Open (1934/1936), im Doppel 1937 zudem die Grand-Slam-Turniere von Paris und die US Open. Für Deutschland stand er im Davis Cup 101 Mal auf dem Platz.
Gestapo verhaftet von Cramm
Die Nazis standen von Cramm kritisch gegenüber. Auf der einen Seite konnte man seine Erfolge gut verkaufen, auf der anderen war der gut vernetzte Weltbürger, der die deutsche NS-Propaganda nicht unterstützte, ihnen ein Dorn im Auge.
Als von Cramm 1938 von einer langen Turnierreise wieder in seiner Heimat ankam, klingelte die Gestapo bei Familie von Cramm, die sich gerade im Salon ihres Schlosses Brüggen nach dem Abendessen aufhielt. Der Tennisstar wurde verhaftet. Eine homosexuelle Affäre mit einem Juden sorgte für seine Festnahme und eine einjährige Haftstrafe.
Diese wurde nach sieben Monaten revidiert und auf Bewährung ausgesetzt. Von Cramms Mutter hatte bei Hermann Göring, hochdekorierter NSDAP-Politiker und Mitglied im selben Berliner Tennisklub wie von Cramm, um Milde gebeten.
Vorstrafe behindert Karriere
Dennoch blieb von Cramm vorbestraft, was ihm die Teilnahme an vielen internationalen Turnieren verwehrte. Und es kam noch schlimmer für von Cramm: Er wurde an die Ostfront geschickt. Er erlitt Erfrierungen und kam mit Heimaturlaub zurück. Später wurde er dann aus der Wehrmacht entlassen.
Von Cramm bäumte sich gegen das NS-Regime in den letzten Kriegsjahren auf. Nach dem Krieg nutzte er seine internationale Popularität und war der erste deutsche Sportler, der von den Besatzern die Erlaubnis zur Ausreise erhielt. 1947 und 1948 wurde er zum Sportler des Jahres gewählt, zudem sorgte er dafür, dass der von ihm 1948 mitgegründete Deutsche Tennisbund zwei Jahre später in den Internationalen Tennisverband aufgenommen wurde.
Doch von Cramm war nicht nur mit dem Filz erfolgreich, als Geschäftsmann importierte er ägyptische Baumwolle und lernte seine zweite Ehefrau kennen. Nach der Ehe mit Baroness Elisabeth, mit der er von 1930 bis 1937 liiert war, heiratete er 1955 Barbara Hutton und trat vom aktiven Tennissport zurück. Hutton war kein unbeschriebenes Blatt: Als Erbin von Woolworth hatte sie gesellschaftlichen Stellenwert. Doch die Beziehung hielt nicht lang.
Postum in die Ruhmeshalle
Tragisch ging das Leben von von Cramm zu Ende: Er starb am 9. November 1976 bei einem Autounfall in Ägypten im Rahmen einer Geschäftsreise. Postum wurde er 1977 als erster Deutscher in die International Tennis Hall of Fame aufgenommen.
Auch da hatte von Cramm Becker und Graf etwas voraus. Diese wurden erst 2003 bzw. 2004 in die Ruhmeshalle aufgenommen.