Es hätte gute Gelegenheiten gegeben in diesem Sommer 1999, passende Plätze in Paris, Wimbledon oder New York. Doch Steffi Graf entschied sich für Heidelberg und einen schmucklosen Konferenzraum im Marriot-Hotel.
Leiser Abschied einer Sport-Legende
Was sie zu verkünden hatte, brauchte „keine Fanfaren und keinen Rummel“, wie die Times später anerkennend schrieb. Graf brauchte nur „eine Pressekonferenz, um zu sagen, dass es vorbei ist. So mag sie es.“
Am 13. August 1999 endete die goldene Ära des deutschen Tennis, sechs Wochen nachdem Boris Becker auf "seinem" Center Court in Wimbledon Abschied genommen hatte.
Graf-Rücktritt mit Tränen in den Augen
Graf trat leiser ab, jedoch nicht weniger bewegt. "Tennis hat mein ganzes Leben bestimmt, es ist schwer loszulassen", flüsterte sie mit Tränen in den Augen.
Als sie sich wieder gefasst hatte, beschrieb sie jedoch auch ihre "Erleichterung", die auf die unwiderrufliche Entscheidung folgte.
Titel bei French Open, Finale in Wimbledon
Hinter Graf lagen die emotionalsten Monate ihrer Karriere: In Paris hatte sie gegen die junge Martina Hingis ihren 22. und schönsten Grand-Slam-Triumph gefeiert, kurz darauf in Wimbledon noch einmal das Finale erreicht.
Erstmals gestand sie sich zarte Gefühle für den unaufhörlich baggernden Andre Agassi ein, es hätte alles so schön sein können, doch ihr Körper forderte endgültig seinen Tribut für 17 Jahre in der Mühle der Profitour.
Graf kämpft sich mit Schmerzmitteln durch
Schon lange hatte Graf die Strapazen nur noch mit Schmerzmitteln ausgehalten, ihr letztes Match beendete sie gar nicht mehr.
Anfang August in San Diego gab sie gegen die US-Amerikanerin Amy Frazier beim Stand von 6:4, 5:7, 1:2 wegen einer Oberschenkelzerrung auf. „Es waren nach Wimbledon keine einfachen Wochen, weil ich zum ersten Mal den Spaß und die Freude am Tennis vermisst habe. Das war ein komisches Gefühl für mich, das ich so nicht kannte“, sagte Graf.
Den Rücktritt konnte sie nicht mehr hinauszögern, selbst die nahenden US Open, bei denen sie als Mitfavoritin gestartet wäre und die eine besondere Bühne für den Abschied geboten hätten, hatten ihren Reiz verloren.
Das, was sie in Paris und noch einmal in Wimbledon erlebt hatte, "war so intensiv", sagte Graf: "Ich hatte danach vielleicht das Gefühl, dass nichts mehr kommen konnte, was ich noch erreichen kann."
Heirat mit Agassi und Rückzug aus der Öffentlichkeit
Die Zahlen sprachen schon längst für diese These: 107 Titel, davon 22 bei den vier größten Turnieren, 377 Wochen an der Spitze ihres Sports. Darüber hinaus war ihr auch die Zuneigung der Fans auf der ganzen Welt sicher.
"Im Kontrast zwischen ihren Erfolgen und auch ihren Zweifeln hat sie es geschafft, dass man sie liebt - für immer", schrieb die französische Sportzeitung L'Equipe, die ihre Titelseite für Deutschlands größte Sportlerin der Geschichte freiräumte.
Die Zweifel, die ungewollte Aufmerksamkeit, der Spießrutenlauf nach der Affäre um ihren Vater Peter, der wegen Steuerhinterziehung einige Jahre im Gefängnis verbrachte - all das ließ Graf hinter sich.
Zwei Jahre nach dem denkwürdigen 13. August 1999 heiratete sie ihren Berufskollegen Agassi und zog sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück.
Die Fanfaren und den Rummel der Tenniswelt hat sie nie gebraucht - und später auch nie vermisst.