In einem großen Interview, das bei Sat1 am Dienstag zur Prime Time um 20:15 Uhr ausgestrahlt wurde, hat Boris Becker erstmals zu seiner Zeit im Gefängnis Rede und Antwort gestanden. Und er hat Tacheles geredet.
Becker: „Der wollte mich umbringen“
In einem „Sat.1 Spezial. Boris Becker“ hat Moderator Steven Gätjen das Gespräch mit der Tennis-Legende geführt. In dem emotionalen Dialog schossen dem Star immer wieder Tränen in die Augen - es gab deshalb kurze Pausen.
Gätjen hatte den 55-Jährigen auch schon in der Haftanstalt Huntercombe getroffen zu einem Vorgespräch.
“Ich war natürlich schuldig“, sagte Becker direkt mit Nachdruck. „Ich habe natürlich Fehler gemacht, aber nicht böswillig. Es gab nie einen vergleichbaren Fall. Also wussten wir alle nicht, wie entschieden wird. Ich habe während den drei Prozesswochen jeden Tag in der Kirche gebetet“, blickte der Ex-Profi zurück.
Nach der Verurteilung am 29. April spielten sich offenbar dramatische Wochen in der Haftanstalt Wandsworth ab.
„Ich hatte Angst um mein Leben - auch bei der Essensausgabe. Da sitzen Mörder, Kinderschänder und Drogendealer direkt nebeneinander. Und man trifft sie alle. Ich habe nur auf den Boden geschaut und niemanden angestarrt. Es geht dort ums nackte Überleben und man muss auf seine Haut aufpassen, weil es die Wärter nicht machen“, sagte Becker.
Becker wurde zwei Mal bedroht
Zudem verriet er, dass ein Mithäftling, der für mehrfachen Mord verurteilt ist, den Tennisspieler erpresse und mit Gewalt drohte. „Ich hatte auch einen Mithäftling, der mich umbringen wollte. Er saß schon 16 Jahre im Gefängnis. Man sagt auch, dass Häftlinge nach sieben Jahren Probleme mit der Außenwelt haben, dass die Psyche geschädigt ist.“
Für Becker sorgten diese Szenen für Panik. „Das sind Schwerverbrecher - ich nicht. Die wissen, wie man Menschen umbringt - ich nicht“, so Becker. Ihm kam laut eigener Aussage jedoch zugute, dass ihn drei Insassen während der Haft beschützten.
Die Tennis-Legende erzählte schonungslos ehrlich, dass er während seiner Haftzeit nicht bei seinem Namen genannt wurde. „Im Gefängnis bist Du niemand. Du bist nur eine Nummer. Meine war A2923EV. Ich wurde nicht Boris genannt“, beschrieb er seine Situation und fügte hinzu: „Es interessiert sie einen Scheißdreck, wer Du bist.“
Becker: „Das war der einsamste Moment meines Lebens“
An seinen ersten Abend in Haft kann er sich ebenfalls noch genau erinnern. „Das war der einsamste Moment meines Lebens. In diesem Moment bricht die Welt über einem zusammen.“
Trotzdem sah Becker die Zeit nicht nur negativ und hob auch positive Dinge hervor.
„Ich habe sehr viel Gewicht verloren. Ich bin mit 97 Kilo rein und mit 90 raus. Ich habe zum ersten Mal im Leben Hunger gespürt.“ Er habe sehr wenig gegessen und auch auf Alkohol und Zigaretten verzichtet. „Meiner Gesundheit tat der Aufenthalt gut.“
„Ich glaube, ich habe den Menschen in mir wiederentdeckt, der ich einmal war.“ Zwar sei es eine harte Lektion gewesen, aber das Ganze habe ihn etwas Wichtiges und Gutes gelehrt. „Und manche Dinge passieren aus gutem Grund.“
Becker-Zukunft nicht in Deutschland
Seine Zukunft sieht der Star übrigens nicht in der Bundesrepublik: “Ich glaube nicht Deutschland, weil ich meine Privatsphäre über alles schätze. Das schaffe ich hier nicht. Ich kann ehrlicherweise nicht sagen, wo es mich hinziehen wird. Ich habe Ideen, bin aber vorsichtig mit meinen Aussagen über die Zukunft geworden.“
Fest steht jedoch für ihn: Freundin Lilian de Carvalho Monteiro soll bis zu seinem Lebensende an seiner Seite bleiben. „Und ich hoffe, dass noch Kinder dazukommen“, so der Vater von vier Kindern.
Laut Sat1 soll es das einzige Interview von Becker sein, das er in diesem Jahr noch geben wird. Apple TV hatte bereits eine zweiteilige Doku über die Tennis-Legende angekündigt. (NEWS: Beckers verzweifelter Hilferuf)
Boris Becker profitierte von Sonderregelung
Im April war Becker zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er in seinem Insolvenzverfahren Teile seines Vermögens nicht korrekt angegeben haben soll. Vergangene Woche kam Becker vorzeitig frei. Dabei profitierte er von einer Sonderregel für straffällige Ausländer in Großbritannien.
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Diese besagt, dass die Haftstrafe nach bestimmter Zeit erlassen wird, sofern die Straftäter unmittelbar das Land verlassen. „Ich saß ab sechs Uhr in der Früh auf meiner Bettkante und hoffte, dass die Zellentür aufgeht“, beschrieb er den letzten Morgen hinter Gittern. „Sie kamen um halb acht, schlossen auf und fragten: ‚Bist du fertig?‘ Ich sagte: ‚Los geht‘s!‘ Ich hatte auch schon alles gepackt.“
Der Abschluss von Beckers Insolvenzverfahren wurde zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Damit ist der ehemalige Wimbledon-Gewinner nach wie vor nicht der Herr über seine Finanzen.
Immerhin bekam Becker zuletzt bereits ein Jobangebot. Dirk Hordoff, Vizepräsident des Deutschen Tennisbundes, meinte: „Salopp gesagt: Boris kann sich den Job aussuchen!“
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mit Sportinformationsdienst (SID)