Sein Denkmal als Tennislegende hatte durch seine privaten Skandale schon viele Kratzer abbekommen - jetzt aber ist es mehr denn je beschädigt.
Becker-Urteil: Darum gab‘s keine Gnade
Boris Becker muss wegen Insolvenzverschleppung ins Gefängnis, zweieinhalb Jahre Haft lautete das Urteil der Londoner Richterin Deborah Taylor gegen den sechsmaligen Grand-Slam-Sieger. (HINTERGRUND: Becker nun Straftäter wie auch...)
Bis zuletzt hatte Becker die Vorwürfe zurückgewiesen und darum gekämpft, den Southwark Crown Court als freier Mann verlassen zu können.
Doch der 29. April wurde zu einem düsteren Tag in seinem schillernden Leben - und der 54-Jährige muss seine Strafe unmittelbar antreten.
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Doch was erwartet Becker nun konkret? Gibt es womöglich doch noch einen Weg zurück in die Freiheit? SPORT1 beantwortet die wichtigsten Fragen.
Muss Becker die ganze Haftstrafe verbüßen?
Das Urteil lautet zweieinhalb Jahre, den Gesetzen zufolge wären sogar bis zu sieben Jahre Haft möglich gewesen.
Absitzen muss Becker nun mindestens 15 Monate hinter Gittern - selbst bei guter Führung. Allein den Rest der Strafe kann er auf Bewährung freikommen.
Bereits am 8. April hatte eine Jury Becker in dem Strafverfahren in vier von 24 Anklagepunkten für schuldig befunden. (REAKTIONEN: Das ist der Mega-GAU)
„Ich könnte Ihnen für jedes der Vergehen, derer Sie schuldig gesprochen wurden, 18 Monate Haft geben“, sagte Richterin Deborah Taylor. (Kalender der ATP-Saison 2022)
Weil die Strafen formal parallel verbüßt werden, ergab sich die Gesamtdauer von 30 Monaten Haft.
Warum konnte Becker kein milderes Urteil erwirken?
Mangelnde Kooperation war Becker bereits vor Wochen von den Geschworenen angekreidet worden - auch Taylor fand nun harte Worte bei ihrem Urteilsspruch.
„Betrug, Steuerhinterziehung und Geldwäsche: Sie haben alles verloren. Aber Sie haben keine Reue gezeigt. Sie sind dadurch gedemütigt worden, aber haben keine Demut gezeigt“, sagte die als knallhart geltende Richterin, die auch in der Vergangenheit keine Promi-Boni zuließ - und unter anderem auch Wikileaks-Gründer Julian Assange zu 50 Wochen Haft verknackte. (die ATP-Weltrangliste)
„Vom Gefühl her hat die Richterin schon durchscheinen lassen: Dir zeige ich es jetzt mal!“, sagte Rechtsexperte Paul Vogel beim Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Kann Becker das Urteil anfechten?
Becker kann gegen das Urteil zwar noch Rechtsmittel einlegen. Die Erfolgsaussichten dazu erachten Experten laut ARD aber als gering.
Fraglich wäre dann auch, ob Becker Berufung gegen seine Verurteilung generell, gegen die Länge seiner Strafe oder gegen beides einlegen will. (NEWS: Alles zum Tennis)
„Man kann das innerhalb von 28 Tagen probieren. Aber sobald das Strafmaß über zwei Jahren liegt wie hier, ist das sehr unwahrscheinlich“, zitierte die Tagesschau den Juristen Jeremy Boyle.
Anwalt Burkhard Benecken wiederum erklärte bei der Bild: „Natürlich kann Boris Becker dieses Urteil angreifen, doch es dauert mehrere Monate, bis es zum Verfahren kommt. Aber wenn er weiter den Unschuldigen macht, hat er keine Chance. Er hat nur mit Reue, mit einem Schuldeingeständnis, eine Chance auf Bewährung. Er muss sagen, dass er Fehler gemacht hat. Denn das gab es noch nicht.“
So oder so: Während eines möglichen Berufungsverfahrens müsste der 54-Jährige in Haft bleiben.
Nicht unbedingt förderlich für eine Wende: Seit seinem Karriereende 1999 war Becker immer in wieder juristische Auseinandersetzungen verwickelt, wurde unter anderem 2002 in München wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt.
Auch die spanische und die Schweizer Justiz hatten ihn zeitweise ins Visier genommen.
In welches Gefängnis kommt Becker - und wann?
Becker wurde noch direkt am Freitagabend mit einem Personen-Transport offenbar in das Londoner Gefängnis Wandsworth befördert.
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Allerdings ist das womöglich nur der vorläufige Verwahrungsort - so lange, bis eine Haftanstalt ausgewählt ist, in der Becker seine Strafe verbüßen wird.
Bliebe es beim Standort Wandsworth, säße Becker im zweitgrößten Gefängnis Großbritanniens ein, das in 6,5-Quadratmeter Zellen gegenwärtig 1500 Insassen Platz bietet.
Aber auch das Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ist denkbar - aktuell sitzen dort unter anderem Assange und diverse verurteilte Mörder und Terroristen ein. Zu den prominentesten Ex-Insassen zählt unter anderem auch der legendäre Zugräuber Ronnie Biggs.
Wie fallen die Reaktionen von Becker aus?
Ein Statement der gefallenen Tennis-Ikone direkt nach dem Urteilsspruch ist bis dato nicht bekannt.
Beobachter schilderten aber, dass Becker bei der Verkündung nach knapp vierstündiger Sitzung mehr oder minder in sich zusammengefallen sein soll, demnach erschüttert reagierte und sich an der Gerichtswand der Anklagebank abstützte.
Bei Beckers Lebensgefährtin Lilian de Carvalho Monteiro seien zudem Tränen geflossen. Auch Sohn Noah, der ebenfalls zur Unterstützung im Gerichtssaal anwesend war, habe das Urteil fassungslos zur Kenntnis genommen.
Konnte sich Becker überhaupt noch verabschieden?
Nach dem Richterinnen-Spruch gab es dafür keine Gelegenheit mehr. Becker musste seine mitgebrachte Tasche nehmen und den Saal in Richtung Sicherheitstrakt verlassen.
Die vor dem Gericht versammelten Medien-Teams erlebten nur noch Beckers Abfahrt in einem weißen Transporter.
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De Carvalho Monteiro wiederum entwich dem Rummel über einen Seiteneingang, fuhr in einem Mercedes davon!
Mit seiner Freundin war Becker zuvor noch Hand in Hand zum Gericht gekommen.