6:8, 1:6, 7:5, 11:9 und 17:15 - schon das nackte Ergebnis verdeutlicht die Dramatik, die in einem der aus deutscher Sicht legendärsten Davis-Cup-Matches aller Zeiten steckte.
Der Tennis-Held, der an AIDS starb
Nach fünf Stunden und 29 Minuten führt der damals 20 Jahre alte Michael Westphal das deutsche Davis-Cup-Team gegen die Tschechoslowakei gegen Tomas Smid sensationell ins Finale.
Es ist der 4. Oktober 1985, wenige Monate nach dem ersten Sieg des 17-jährigen Boris Becker in Wimbledon. Der Tennis-Boom in Deutschland ist dabei zu erblühen und Westphal ist einer seiner Protagonisten, 10.000 Zuschauern in der Frankfurter Festhalle feiern ihn.
Sechs Jahre später ist Michael Westphal tot.
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Michael Westphal starb 1991 an den Folgen von AIDS
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand der 1,90-Meter-Hüne aus Pinneberg auf Platz 49 der Weltrangliste, erreichte 1984 und 1985 die Endspiele von zwei ATP-Turnieren. Im Davis-Cup-Finale 1985 gegen die Schweden um Stefan Edberg und Mats Wilander scheitern Becker und Westphal als deutsche Einzelvertreter nur knapp am ersten großen Team-Triumph.
Westphal war bis 1990 aktiv, seine Leistungen ließen am Ende aber immer mehr nach - aus einem Grund, der erst später bekannt wurde: Im Jahr 1988 wurde ein HIV-Infektion bei Westphal diagnostiziert, er erkrankte an der Immunschwäche-Krankheit AIDS, bekam Fieberschübe, Herzrhythmus-Störungen, magerte auf 55 Kilogramm ab.
In der Nacht des 19. Juni 1991 starb Westphal an den Folgen der Erkrankung, mit nur 26 Jahren. Sein Schicksal trug dazu bei, die deutsche Öffentlichkeit für die Krankheit zu sensibilisieren, die damals - als die Medizin in ihrer Bekämpfung noch am Anfang gestanden war - auch in der westlichen Welt für viele Tragödien gesorgt hatte.
Westphals Erkrankung wurde nach Magic Johnson öffentlich
Der Schauspieler Rock Hudson, Queen-Sänger Freddie Mercury, der Pianist Liberace: Sie und viele andere starben zwischen Mitte der Achtziger und Anfang der Neunziger an der epidemisch verbreiteten Krankheit, die seit ihrer Entdeckung 1980 über 30 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte - zwei Jahre nach Westphal auch Wimbledon-Sieger und US-Open-Namenspate Arthur Ashe.
Die Umstände von Westphals Tod waren nicht gleich bekannt geworden: Auf seinen Wunsch hin verschwiegen Lebensgefährtin Jessica Stockmann und seine anderen Angehörigkeiten die Infektion, als Grund für seinen Tod war eine "unbekannte Viruserkrankung" genannt worden.
Die genaueren Umstände sprachen sich dennoch herum - und landeten schließlich in den Medien, nachdem im November 1991 der nächste spektakuläre HIV-Fall im Sport für Aufsehen sorgte: die Erkrankung von NBA-Superstar Earvin "Magic" Johnson.
HIV - damals ein noch größeres Tabu als heute
Warum Westphal nicht an die Öffentlichkeit gegangen war, war erahnbar durch die Art und Weise, wie mit der Enthüllung umgegangen wurde. AIDS war zur damaligen Zeit noch mehr stigmatisiert als heute, die Übertragung durch Drogen und Geschlechtsverkehr machte es zu einem Tabuthema, speziell auch dadurch, dass es lange als "Schwulenkrankheit" unterschätzt und diffamiert worden war. HIV-Infizierte und AIDS-Kranke wurden Opfer ängstlicher Ausgrenzung und böser Verleumdungen.
Vor allem auch in den USA taten sich in der Reaktion auf Magic Johnsons Bekenntnis Abgründe auf: In Umfragen befanden rund die Hälfte der Befragten, dass Johnson selber schuld an seiner Erkrankung sei - und selbst sein Aufruf zu "Safer Sex" war noch als unmoralische Ermutigung zu Unkeuschheit kritisiert worden.
Wie viel schwerer sich die Gesellschaft damals noch mit einem sensiblen Umgang tat, war zum Beispiel daran abzulesen, dass Johnson sich damals zur Klarstellung "Ich habe nie mit einem Mann geschlafen" genötigt sah.
Jessica Stockmann hielt sich an Versprechen
Westphals Umfeld bestätigte die AIDS-Erkrankung jahrelang auch weiterhin nicht, Stockmann hielt sich an ihr Versprechen, zehn Jahre damit zu warten, ehe sie über die Erkrankung ihres Partners sprach.
Die Schauspielerin heiratete 1992 Westphals Tennis-Kollegen Michael Stich und ist seit vielen Jahren im Kampf gegen AIDS engagiert: 1995 gründete sie zusammen mit ihrem Ex-Mann eine Stiftung für AIDS-kranke Kinder und ist auch im Kuratorium der Deutschen AIDS-Stiftung involviert.