Als die Party starten sollte, trug Niki Pilic schon seinen Pyjama. Deutschland hatte gerade mit einem Finalerfolg in Schweden den Davis-Cup gewonnen. Der Kapitän der Siegermannschaft war aber schon im Hotel und wollte schlafen.
Lüge trug Becker und Stich zu Gold
Doch er hatte die Rechnung ohne Eric Jelen und Carl-Uwe Steeb gemacht. Die Tennisprofis stürmten Pilics Zimmer und zogen dem Trainer seinen Schlafanzug wieder aus. Sie befahlen ihm, mit in die Stadt zu kommen.
„Ich zog mich an, nach fünf Minuten war ich fertig und wir gingen in die Innenstadt von Göteborg“, erzählte Pilic in einem Interview mit dem Deutschen-Tennis-Bund (DTB).
Ob er auch heute an seinem 85. Geburtstag zur Party überzeugt werden muss, ist nicht überliefert. Für sein Lebenswerk, gerade als Trainer, kann sich Pilic definitv feiern lassen.
Davis-Cup-Siege mit drei Nationen
1988 feierte er seinen ersten Davis-Cup-Triumph - aber noch lange nicht seinen letzten. 1989 verteidigte Deutschland mit Kapitän Pilic und Topspieler Boris Becker den Titel erfolgreich. 1993 gab es den dritten Sieg. Pilic war erneut der Kapitän.
Dass er mit anderen Ländern Erfolg haben kann, bewies der Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel nach der Jahrtausendwende. 2005 gewann Pilic mit seinem Heimatland Kroatien den Davis Cup. 2010 arbeitete er als Berater für den serbischen Verband. Am Ende des Jahres hielten Novak Djokovic und Co. die Trophäe in die Höhe.
Während seiner aktiven Karriere war Pilic weniger erfolgreich. Immerhin vier Turniere gewann der am 27. August 1939 Mann aus Split. Als beste Weltranglisten-Platzierung spuckt die Datenbank einen zwölften Rang im Oktober 1973 aus.
In diesem Jahr stand Pilic auch im Endspiel der French Open. Gegen Ilie Nastase war der Linkshänder jedoch chancenlos. Pilic unterlag 3:6, 3:6, 0:6.
DTB-Coach bei "Schlacht von Hartford"
Als Davis-Cup-Kapitän erlebte er weitaus dramatischere Spiele. So wie 1987: Es war Pilic' drittes Jahr beim DTB, Deutschland drohte der Abstieg aus der Weltgruppe. Es kam zum Relegationsduell mit den USA.
Die Spiele in Hartford im Bundesstaat Connecticut gingen in die Tennis-Geschichte ein - insbesondere das Einzel zwischen dem jungen Boris Becker und Routinier John McEnroe. In die Psychospielchen der beiden Kontrahenten mischte sich auch Pilic immer wieder ein.
Am Ende hatte Becker die besseren Nerven und beendete mit seinem Matchball den Fünfsatz-Krimi nach 6:21 Stunden Spielzeit. In der Endabrechnung stand ein 3:2-Sieg für Deutschland und damit der Klassenerhalt.
Sensationssieg in Göteborg
Rund 17 Monate nach der "Schlacht von Hartford" stand das DTB-Team also im Finale. Die Ausgangslage vor den Sandplatzduellen im Göteborger Scandinavium war klar. Der Favorit hieß Schweden. Doch dann besiegte erst Carl-Uwe Steeb den French-Open-Sieger Mats Wilander.
Im Anschluss machte Boris Becker mit Stefan Edberg kurzen Prozess.
Am zweiten Tag konnte bereits das Doppel für die Entscheidung sorgen. Das Duo Boris Becker und Eric Jelen rang Stefan Edberg und Anders Jarryd nieder. „Ich hatte das Gefühl: Jetzt können wir sogar übers Wasser gehen“, sagte Pilic später.
Pilic ein Mann der kurzen Ansprache
Der Kroate brauchte übrigens keine großen Worte, um seine Spieler zu coachen. Oft hieß es nur: "Geh raus, mach Break!". Ein Boris Becker wusste dann, was er machen musste.
Wie im Dezember 1989, als er bei der Neuauflage des Davis-Cup-Finals die Schweden fast im Alleingang bezwang.
In seiner Biografie beschrieb Becker Pilic einst als "sehr resolut und der Peitsche zugetan". Der Kroate verdiente sich in der Tennisszene zudem den Spitznamen "Preuße vom Balkan".
Zwischen Becker und Stich vermittelt
Pilic machte auch als Diplomat eine gute Figur. So schaffte er es, Boris Becker und Michael Stich zusammenzubringen. Der extrovertierte Badener und der kühle Norddeutsche konnten eigentlich nicht miteinander.
Für Olympia 1992 machten sie gemeinsame Sache - und gewannen Doppel-Gold. Trainer Pilic gab zu, dass er in Einzelgesprächen viel gelogen habe, um die Spieler bei Laune zu halten.
Stich war der Topspieler bei Deutschlands dritten Davis-Cup-Triumph. 1993 gab es einen Finalsieg über Australien. Vier Jahre später folgte das unrühmliche Aus für Pilic. Das neue Führungsduo Becker und Steeb putschte, drängte den einstigen Mentor zum vorzeitigen Rücktritt.
Pilic dachte aber nicht daran, sich aus dem Tennisgeschäft zurückzuziehen. Er malochte lieber, als das Leben zu genießen. "Ich bin kein Typ, der im Restaurant sieben Cappuccino trinkt", sagte Pilic über sich.
Pilic formt jungen Djokovic
Er gewann also noch weitere Titel im Davis Cup. Und Pilic formte Talente in seiner Akademie in Oberschleißheim, nördlich von München. Novak Djokovic kam dort als 13-Jähriger hin. Unter Pilic entwickelte sich der Serbe zu einem Ausnahmespieler, heute ist er ein Weltstar.
Pilic hat Oberschleißheim vor wenigen Jahren verlassen. Sein Alterssitz ist das Seebad Opatija an der kroatischen Riviera.
Dem Hamburger Abendblatt verriet der Jubilar kurz vor seinem 80. Geburtstag 2019, dass er immer noch viel Sport treibe. 15 Liegestützen nach dem Aufstehen, später geht es für vier Stunden auf den Tennisplatz. Das jeden Tag. „Außer sonntags - da gehe ich in die Kirche.“