Tränen und Freude, absolute Euphorie und tiefste Trauer, Sieg und Niederlage – nirgendwo sind die Extremformen der menschlichen Gefühlswelt so nah beieinander wie im Sport.
Die Rivalität von Björn Borg und John McEnroe
Auf jeden strahlenden Sieger, der im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gefeiert wird, sitzt ein niedergeschlagener Verlierer in der dunkelsten Ecke und wird mit Häme beworfen – oder noch schlimmer, mit Mitleid.
Aber die Top-Athleten nutzen die Energie, die in diesen Niederlagen steckt, um zu besseren Sportlern zu werden. Sie wollen das letzte aus ihren Körpern herausholen, um diese Momente nie wieder erleben zu müssen.
Oft profitieren sie dabei von Gegner, mit denen sie sich immer wieder messen, die sie zu immer neuen Höchstleistungen antreiben und mit denen sie die bisherigen Grenzen des Sports verschieben können. Diese Aufeinandertreffen werden dann zu den großen Rivalitäten, die den Sport ausmachen und die die Zuschauer in die Stadien treiben.
Eine dieser Rivalitäten, die die Tenniswelt in den 80er Jahren elektrisiert hatte, war die zwischen Björn Borg und John McEnroe. Der Weltklassespieler und Weltranglistenerste Borg und der amerikanische Emporkömmling McEnroe waren die perfekten Antagonisten.
Der schwedische "IceBorg" und der amerikanische "SuperBrat"
Börn Borg war der typisch kühle, ruhige Schwede. Er zeigte auf dem Court nur selten Emotionen. Von der Grundlinie aus zermürbte er seine Gegner und zwang sie mit seinem Defensivspiel von einem Fehler in den nächsten. Von seiner Mimik konnte man nur selten ablesen, ob er gerade den ersten Punkt in einem Spiel gemacht hat oder zum Sieg aufschlägt.
John McEnroe war das genaue Gegenteil. Er war der laute Amerikaner, der sich nicht um althergebrachte Gepflogenheiten kümmerte. So spielte er auch auf dem Platz. Langes Abwarten, den Punkt vorbereiten, taktische Feinheiten – das alles war nichts für McEnroe. Er suchte bei jeder Gelegenheit den Weg ans Netz. Kein anderer Spieler hatte das Serve-and-Volley so aggressiv praktiziert wie er.
Dazu ließ er seinen Emotionen freien Lauf. Er beschimpfte Schiedsrichter als Trottel und der Ausspruch "You cannot be serious" wurde zu seinem Markenzeichen. Beide hatten sich ihre Spitznamen "IceBorg" und "SuperBrat" redlich verdient.
McEnroes Aufstieg zu Borgs größtem Rivalen
Als McEnroe 1978 zum ersten Mal auf der ATP-Tour in Stockholm auf Borg traf, war der Schwede schon seit fünf Jahren als Profi unterwegs und Erster in der Weltrangliste. Aber das Unfassbare geschah, McEnroe schlug Borg in zwei Sätzen mit 6:3 und 6:4.
Dies war der Beginn der sportlichen Rivalität, die nur drei Jahre dauern sollte. Insgesamt standen sich die beiden 14 Mal, gegenüber, jeder gewann sieben Matches. Aber das Spiel, das ihre Rivalität unsterblich und die beiden auf ewig miteinander verbinden sollte, war das Wimbledon-Finale von 1980.
Wimbledon-Finale 1980: Das vielleicht beste Tennis-Match aller Zeiten
Vier Mal hatte der Schwede in Folge das prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt gewonnen. Er war DER Publikumsliebling schlechthin. McEnroe hingegen hatte sich im Halbfinale gegen Jimmy Connors mal wieder von seiner "besten" Seite gezeigt. Er fluchte, schrie herum und diskutierte mit dem Schiedsrichter. Und er zog aggressiv bei jeder Gelegenheit ans Netz, womit er die Zuschauer um lange und spektakuläre Ballwechsel brachte.
Die Zuschauer dankten es ihm mit einem ausgiebigen Pfeifkonzert, als er den Center Court betrat. Die Sympathien waren ganz klar verteilt. Es war das perfekte Medienereignis mit zwei absoluten Topathleten, deren Image unterschiedlicher nicht hätte sein können.
McEnroe suchte von Beginn an mit seiner Aggressivität am Netz den Erfolg. Borg hingegen entnervte den Amerikaner mit seinen ständigen Topspinbällen, die McEnroe immer wieder zu Fehlern zwangen.
Im vierten Satz schien es so, als wäre der Schwede schon auf der Siegerstraße. Aber sieben Matchbälle reichten nicht, um zu gewinnen. McEnroe wehrte sie alle ab und drehte den Satz noch nach einem 20-minütigen Tie-Break. "Ich wusste, dass ich das Match gewonnen habe", fasste McEnroe seine Gedanken nach dem vierten Satz zusammen.
Der Schwede reagierte seinerseits wie immer, nämlich gar nicht. Keinerlei Emotionen zeigten sich nach dem verlorenen Satz. Aber auf dem Platz zeigte er seine ganze Qualität. Nur drei Punkte sollte er im fünften Satz bei eigenem Aufschlag noch abgeben. Am Ende stand der fünfte Wimbledon-Sieg für Borg und ein Match, das in die Annalen der Tennisgeschichte eingegangen ist.
Rivalen auf, Freunde neben dem Platz
Nur eine Saison später entschloss sich Borg für seinen Rücktritt vom Tennis – mit nur 26 Jahren. Es war das Ende der großen Rivalität, die zwar nur drei Jahre andauerte, aber die Menschen auf der ganzen Welt elektrisierte. Das Ende der Rivalität bedeutete jedoch nicht, dass die beiden sich aus den Augen verloren.
Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Rivalitäten verband die beiden Ausnahme-Talente außerhalb des Platzes eine Freundschaft und gegenseitiger Respekt. "Björn hat mich zu einem besseren Spieler gemacht. Ich habe alles versucht, ihn zur Fortsetzung zu überreden. Selbst, wenn es mich die Nummer 1 gekostet hätte", sagt McEnroe heute zum vorzeitigem Karriereende Borgs.
Gerade diese freundschaftliche Beziehung der beiden neben dem Platz und weit über die Karriere hinaus macht diese Rivalität zu etwas Besonderem in der heutigen Welt der Extreme, die oft nur noch Schwarz und Weiß kennt. Dabei sind es gerade die Grautöne, in denen sich die besten Geschichten finden.
Borg/McEnroe als Hollywood-Spektakel
Das weiß auch Hollywood. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Traumfabrik der Geschichte angenommen hat. 2017 wurde das cineastische Denkmal der beiden der Öffentlichkeit vorgestellt. In "Borg/McEnroe – Duell zweier Gladiatoren" wird der Zuschauer mit auf eine fast zweistündige Reise durch diese drei Jahre genommen.
Allerdings wird der Film der wahren Geschichte nur wenig gerecht. Zwar überzeugen die Schauspieler in ihren jeweiligen Rollen. Sverrir Gudnason glänzt als Eisblock Borg und Shia LaBeouf musste sich wahrscheinlich nicht verstellen. Genau wie McEnroe macht auch LaBeouf im realen Leben immer wieder durch Skandale und Ausfälle auf sich aufmerksam.
Dennoch verpasst es der Film, den wirklichen Kern der Rivalität aufzunehmen. Er fokussiert sich fast ausschließlich auf den sportlichen Aspekt und die unterschiedlichen Charaktere der beiden. Dass beide, bei all ihrer Unterschiedlichkeit, neben dem Platz eigentlich Suchende und damit eine Art Seelenverwandte waren, ist nur eine Randnotiz. Dabei macht gerade diese Gemeinsamkeit die Einzigartigkeit in der Beziehung dieser beiden Menschen aus, die äußerlich unterschiedlicher kaum sein könnten.
Selbst in der Bewertung des Films zeigt sich die spezielle Beziehung der beiden. McEnroe prescht sofort nach vorne und bescheinigt dem Film, dass die Rivalität viel zu dramatisch dargestellt wurde. Borg hingegen sieht in dem Film zwar einiges nicht ganz korrekt dargestellt. Vor allem die Szene, dass er in der Jugend von seinem Trainer geschlagen worden sein soll, verneinte er. Aber im Endeffekt sei es ihm auch ziemlich egal.
Ob der Film nun der Realität entspricht oder nicht: Es ändert nichts daran, dass uns Borg und McEnroe eine der größten Rivalitäten der Sportgeschichte geliefert haben. Ganz nebenbei haben sie auch noch bewiesen, dass man sich auch nach den heftigsten Duellen noch in die Augen schauen kann, wenn man den Platz verlassen hat.
Teamleader im Laver-Cup 2018
Unabhängig von Hollywood, Alter oder all der freundschaftlichen Beziehungen, so ganz hat die beiden ihre Rivalität noch nicht losgelassen. Das bewiesen sie jetzt erst wieder beim Laver Cup 2018, als Björn Borg das Team Europa und John McEnroe das Team Welt anführte.
Beide überzeugten dabei mit ihrem ganz eigenen Führungsstil. "Ihr Stil ist ganz anders. John zeigt den Chef, entscheidet, was läuft. Björn ist ruhig, passt sich meist an. Er spricht nur, wenn er wirklich was zu sagen hat. Dann dafür klar und deutlich", ist selbst Tennis-Superstar Roger Federer von den beiden begeistert.
Auch für den Fall, dass es zu einem Unentschieden kommen sollte, hatte McEnroe schon die passende Lösung zur Hand. "Wenn es beim Laver-Cup 12:12 stehen sollte, spielen wir (Björn Borg und John McEnroe, d.Red.) vielleicht einen Tie-Break. Vergessen Sie Nadal, Federer und all die anderen. Wir entscheiden die Sache hier!"
Die Reaktion von Borg auf diesen Vorschlag ist nicht bekannt. Aber wahrscheinlich wäre er schweigend in die Kabine gegangen und hätte sich einfach umgezogen - bereit für ein erneutes Duell mit seinem ewigen Rivalen auf dem Platz.