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Der unerfüllte Wunsch einer DDR-Ikone

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Der unerfüllte Wunsch einer DDR-Ikone

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Unerfüllter Wunsch einer DDR-Ikone

Petra Schneider wurde nicht nur Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Die ehemalige DDR-Schwimmerin hält noch heute einen deutschen Rekord.
Petra Schneider hält noch einen deutschen Rekord im Schwimmen
Petra Schneider hält noch einen deutschen Rekord im Schwimmen
© IMAGO/WEREK
Petra Schneider wurde nicht nur Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Die ehemalige DDR-Schwimmerin hält noch heute einen deutschen Rekord.

Begibt man sich auf die Suche nach den deutschen Schwimmrekorden, stößt man eher früher als später auf folgende Zeit: 4:36,10 Minuten.

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So lange brauchte Petra Schneider, als sie bei den Weltmeisterschaften 1982 im ecuadorianischen Guayaquil über 400 Meter Lagen einen Weltrekord aufstellte.

Der ist mittlerweile schon mehrmals gebrochen worden. Doch in den deutschen Bestenlisten taucht diese Zeit immer noch auf. Seit nunmehr 42 Jahren und fünf Monaten hält sie sämtlichen Angriffen stand – als mit Abstand ältester Rekord der deutschen Schwimmgeschichte.

Dabei wurde die Zeit nicht nur von ihren Konkurrentinnen attackiert, sondern auch von Schneider selbst. Denn die gebürtige Chemnitzerin, die am heutigen Samstag 62 Jahre alt wird, kämpft seit Jahren darum, dass ihre Marke aus dem August 1982 aus den offiziellen Rekordlisten gestrichen wird.

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DDR kämpfte im Sport für internationale Anerkennung

Der Grund liegt in ihrer Vergangenheit als Sportlerin der Deutschen Demokratischen Republik. In der DDR gehörte das Gewinnen von Medaillen, das Aufstellen von Rekorden zu den höchsten politischen Zielen.

So konnte der kommunistische Staat international die Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren, die ihm in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend verwehrt blieb.

Den Preis dafür zahlten vor allem die Sportlerinnen und Sportler, die insbesondere in den beiden olympischen Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik zu internationalem Ruhm gedrillt werden sollten.

Hier beginnt die besondere Geschichte von Petra Schneider, die am 11. Januar 1963 in Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß, geboren wurde.

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Wie viele andere hoffnungsvolle Talente in der DDR wurde sie schon im Kindesalter in Trainingsgruppen gesteckt mit dem Ziel, Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zu gewinnen.

Schneider beichtet ausführlich über DDR-Dopingpraxis

Sie war 14, als sie bei Coach Eberhard Mothes zu trainieren begann und mit der damaligen Dopingpraxis im DDR-Sport in Berührung kam.

„Eberhard Mothes hat mir und den anderen aus unserer Gruppe gesagt, die Pillen dienten zur Leistungssteigerung und zum Muskelwachstum“, sagte Schneider, die nach der Hochzeit 1988 mit dem ehemaligen Gewichtheber Ingobert Kind den Namen ihres Mannes angenommen hat, in einem Interview mit dem Journalisten Holger Schück.

Schück recherchierte in Sachen Doping-Vergangenheit der DDR und arbeitete lange mit dem bekannten Doping-Experten Hajo Seppelt zusammen.

In dem Interview, das Schück 1999 mit Schneider führte, berichtete die Sächsin ausführlich darüber, wie sie als junge Schwimmerin mit Anabolika in Kontakt kam und welche Folgen das hatte.

„Wir bekamen keine Erklärungen über Inhaltsstoffe, auch nicht über Nebenwirkungen. Und auch unsere Eltern wurden nicht informiert“, sagte sie. „Meine Mutter hatte es dann gemerkt, dass mit mir so einiges nicht stimmte. Meine Stimme war tiefer geworden. Und wie all überall im DDR-Schwimmsport wurde uns dann gesagt: ‚Ihr sollt nicht singen, sondern schwimmen‘. Die Antwort war damals die gängige Reaktion.“

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„Ich habe einige davon ins Wasser spucken können“

Die Dosis des Präparats Oral-Turinabol sei ständig erhöht worden: „Mit zwei blauen Pillen ging es los, dann gab es fünf bis sechs“. Mothes habe ihr die Tabletten am Beckenrand sogar in den Mund gesteckt. „Das hatte aber den Vorteil, dass ich einige davon ins Wasser spucken konnte. Unbemerkt natürlich. Ich habe auch das genau protokolliert“, erinnerte sich Schneider.

Die Folgen dieser Behandlung konnten sich aus sportlicher Sicht sehen lassen. Schneider wurde nicht nur Doppel-Weltmeisterin 1982 über 200 und 400 Meter Lagen, sie hatte zwei Jahre zuvor auf ihrer Paradestrecke über 400 Meter auch olympisches Gold in Moskau gewonnen.

Gesundheitlich aber hatte die Dopingpraxis der damaligen Zeit negative Folgen. Dass sie 1984 bei Olympia in Los Angeles nicht an den Start gehen konnte, lag nicht nur am Boykott der kommunistischen Staaten, sondern auch daran, dass sie 1983 ernsthaft erkrankte.

Mit 21 Jahren schon musste sie ihre Karriere beenden. Anschließend wurde es still um die einstige Heldin des Arbeiter- und Bauernstaats, die 1980 noch mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber ausgezeichnet wurde. Erst nach der politischen Wende steigerte sich wieder das Interesse an Schneider, die mittlerweile Kind hieß.

Schneiders Beitrag zur Doping-Aufarbeitung

Ihren bekanntesten Auftritt hatte sie 2005 in der ARD-Sendung „Kontraste“, als sie öffentlich die Streichung ihres damals schon 23 Jahre alten Rekords gefordert hat. „Mein Rekord war von Doping beeinflusst. Er ist nur noch ein Rekord der Vergangenheit“, sagte sie damals.

Im Gegensatz zur erfolgreichsten DDR-Schwimmerin und heutigen ZDF-Moderatorin Kristin Otto, die nach wie vor die wissentliche Einnahme von Dopingpräparaten bestreitet, trug Schneider maßgeblich zur Aufarbeitung der jahrzehntelangen DDR-Dopingpraxis bei.

Ihr Beitrag ging so weit, dass sie aufgrund der Einnahme von Dopingmitteln sogar ihren Namen nicht mehr in Rekordlisten sehen wollte. Ihr sehnlichster Wunsch, die 4:36,10 Minuten aus den Annalen zu streichen, ist jedoch bis heute nicht erfüllt worden.