Tadej Pogacar steuert auf seinen dritten Gesamtsieg bei der Tour de France zu - in so dominanter Manier, dass er mal wieder von einer alten Diskussion eingeholt wird.
„Natürlich hegen die Fahrer Verdacht“
Die Frage, ob die historischen Fabelzeiten des Slowenen vom Team UAE Emirates auf sauberem Wege erzielt worden sein können, wird vor allem in Frankreich seit einigen Tagen verstärkt debattiert. Nun wird offenbar, dass sie auch bei den Kollegen Gesprächsthema ist. In der französischen Tageszeitung Le Télégramme berichtet dies ein namentlich ungenannter Fahrer.
„Ich weiß nicht, was es ist, aber ...“
„Natürlich hegen die Fahrer Verdacht“, wird das anonyme Peloton-Mitglied zitiert: „Das passiert zwangsläufig, wenn man solche außergewöhnlichen Leistungen sieht - zumal wir schon alles auf die Spitze getrieben haben und nicht noch mehr trainieren können.“
Argwohn äußert auch ein ebenfalls anonymer Sportdirektor - nicht nur in Bezug auf Pogacar: „Einige machen in Bezug auf die Etappen in der Höhe etwas anderes. Ich weiß nicht, was es ist, aber da ist irgendwas, was den Effekt der Höhe verstärkt.“
Vor einigen Tagen hatte bereits Lotto-Dstny-Teamchef Stéphane Heulot die Diskussion mit offener Verwunderung über das Ausmaß der Überlegenheit von Top-Fahrern wie Pogacar und Titelverteidiger Jonas Vingegaard angestoßen. Man müsse wegen der Vergangenheit des Radsports „immer zweifeln“, sagte der Franzose, der Pogacar vor einigen Jahren - als er noch nicht Teamchef war - noch offener kritisiert hatte. Unter anderem verwies er auf den belasteten Ruf des früher in Doping-Affären verstrickten UAE-Teamchefs Mauro Gianetti.
Pulverisierter Pantani-Rekord schürte die Diskussionen
Die Diskussion um Pogacar wurde vor allem von seiner Fabelzeit bei der Anfahrt auf das Plateau de Beille geschürt, bei der er den alten Streckenrekord des überführten Dopers Marco Pantani aus der Hochzeit des EPO-Betrugs um fast vier Minuten unterboten hatte.
Die Diskussion ähnelt der, die es im vergangenen Jahr um Konkurrent Vingegaard gab, als dieser Pogacar beim Zeitfahren in Combloux um fast drei Minuten entschwebte und der restlichen Konkurrenz um über vier. Wie Vingegaard im vergangenen Jahr begründete Pogacar seine Fabelzeiten mit Verweisen auf Fortschritte in Sachen Technik, Trainingsmethodik und Ernährung.
Bei Ouest-France bewertete der französische Radsport-Trainer Albane Lorenzini dies mit Skepsis: Die technischen Fortschritte bei den Reifen und anderen Elementen wie Kette und Schmierstoffen würden im Vergleich zur Pantani-Ära einen Zeitgewinn von „30, maximal 40 Sekunden“ erklären, „aber nicht fast vier Minuten“. Lorenzini findet vor allem auch seltsam, wie wenig Pogacar und auch Vingegaard die Anstrengungen anzumerken seien: „Sie grinsen und lachen hinterher auf dem Hometrainer, als ob nichts gewesen wäre.“ Es sei schwer nachvollziehbar, wie die heutigen Top-Fahrer „stärker fahren als die Besten der EPO-Ära“.
Zu Hilfe kam Pogacar und Co. wiederum der fünfmalige Tour-Sieger Bernard Hinault, der sich „angewidert“ von der Diskussion zeigte und Neidgefühle in Frankreich als Ursache vermutet: „Wir sollten aufhören, uns ständig Fragen zu stellen. Das ist lächerlich. Haben wir Beweise?“