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Tour de France: Das traurige Schicksal eines tragischen Radsport-Helden

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Tour de France: Das traurige Schicksal eines tragischen Radsport-Helden

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Tour-Legende mit traurigem Schicksal

Am 23. Juli 1989 liefern sich Laurent Fignon und Greg LeMond bei der Tour de France einen packenden Sekunden-Krimi, der bis heute unerreicht ist. Fignons Leben endete viel zu früh.
Der junge Laurent Fignon gewann die Tour de France 1983 und 1984
Der junge Laurent Fignon gewann die Tour de France 1983 und 1984
© Imago
Denis de Haas, Martin Hoffmann
Am 23. Juli 1989 liefern sich Laurent Fignon und Greg LeMond bei der Tour de France einen packenden Sekunden-Krimi, der bis heute unerreicht ist. Fignons Leben endete viel zu früh.

Heute vor 35 Jahren bangte Greg LeMond im Ziel, als Laurent Fignon über die Champs Élysées düste. Die Sekunden verrannen. Der US-Amerikaner LeMond wusste: Wenn Fignon die Zeit von 27:47 Minuten überschreitet, würde das zu einer entscheidenden Verschiebung in der Gesamtwertung führen. Dann hätte LeMond die Tour de France gewonnen und nicht sein Konkurrent aus Frankreich.

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Fignon näherte sich dem Zielstrich. Noch 200 Meter. Auf der Uhr stand: 27:41 Minuten. Noch 100 Meter. Zwischenzeit: 27:49 Minuten. LeMond realisierte, dass er es doch noch geschafft hatte. Er jubelte, umarmte seine Nebenleute.

Fignon kam derweil im Ziel an - acht Sekunden zu spät. Der Geschlagene brach zusammen, kauerte auf dem Asphalt und vergoss bittere Tränen. Und mit Fignon weinte vor 35 Jahren - am 23. Juli 1989 - ganz Frankreich, die so stolze Radsport-Nation.

Es war das womöglich legendärste Drama in der Geschichte der Tour de France. Bis heute ist der tragisch früh verstorbene Fignon vor allem in seiner Heimat als besonders tragischer Held in Erinnerung.

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Laurent Fignon: Rad-“Professor“ mit Nickelbrille

Die Rivalität zwischen Fignon und LeMond war ein Duell der Gegensätze, ähnlich wie davor das innerfranzösische Duell zwischen Jacques Anquetil und Raymond Poulidor oder heute das zwischen dem offenherzigen Instinktfahrer Tadej Pogacar und dem eher kühleren Strategen Jonas Vingegaard.

Da war zum einen Fignon. Der Pariser galt in der Radsport-Szene als Professor. Das lag auch an seinem Aussehen. Die langen blonden Haare und die Nickelbrille waren Fignons Markenzeichen. Nach dem Abitur begann er ein Studium mit dem Titel „Die Wissenschaft von der Struktur der Materie“. Fignon verlor aber früh die Lust an Vorlesungen, an Klausuren und startete seine Profikarriere als Radfahrer.

Eine weise Entscheidung: 1983 nahm Fignon erstmals an der Tour de France teil. Nach der 17. Etappe schlüpfte er ins Gelbe Trikot und verteidigte es bei zum Schluss. 22 Jahre war Fignon gerade einmal alt, als er in seiner Geburtsstadt ganz oben auf dem Siegerpodest stand. Im folgenden Jahr konnte er seinen Erfolg wiederholen.

Die Franzosen dominierten zu dieser Zeit das berühmteste Radrennen der Welt. Der große Bernard Hinault holte 1985 seinen fünften Gesamtsieg. Bei dieser Rundfahrt strampelte sich auch erstmals Greg LeMond in den Vordergrund. Er brachte die USA auf die Radsport-Landkarte. Mit LeMonds erstem Tour-Sieg im Jahr 1986 erhielt der Radsport in den Vereinigten Staaten einen deutlichen Popularitätsschub.

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Rivale Greg LeMond bei Truthahnjagd fast getötet

Dem Sonnyboy aus Kalifornien schien die Zukunft zu gehören. Doch dann machte LeMond einen folgenreichen Ausflug. Mit seinem Schwager begab sich der Radprofi im Frühjahr 1987 auf Truthahnjagd.

Es kam zu einer verhängnisvollen Verwechslung. Der Schwager hielt LeMond für einen Truthahn, nahm das Gewehr in Anschlag und feuerte eine Schrotladung ab. 60 Geschosse trafen den Hobbyjäger. Zwei Millimeter unter LeMonds Herzen blieben zwei Kugeln stecken.

„Als das Blut mir damals mit jedem Herzschlag in 30 Zentimeter hohen Fontänen aus vielen Löchern im Rücken schoss und ich kaum noch atmen konnte, weil meine rechte Lunge zusammengefallen war, habe ich an meinen Tod geglaubt“, beschrieb er den Unfall später in einem Spiegel-Interview.

Dreikampf mit LeMond, Fignon, Delgado

LeMond überlebte und trat Monate später wieder in die Pedale. Schon 1989 ging er erneut bei der Tour de France an den Start. Bei der 76. Auflage der Rundfahrt kristallisierte sich bald ein Trio mit Siegchancen heraus.

Neben Fignon und LeMond lag auch der Spanier Pedro Delgado gut im Rennen. Er rechnete sich lange Zeit Chancen aus, seinen Vorjahreserfolg zu wiederholen.

Doch als am 23. Juli in Versailles das Einzelzeitfahren begann, war aus dem Dreikampf ein Zweikampf geworden. Delgado war abgehängt. Fignon musste nun nur die 50 Sekunden Vorsprung auf LeMond ins Ziel retten.

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Dass es zur spannendsten Entscheidung der Tour-de-France-Geschichte kam, lag auch an einem ungewöhnlichen Etappenplan. Heute gibt es zum Abschluss der Rundfahrt nur eine Art Ehrenrunde. Attacken auf das Gelbe Trikot sind am letzten Tour-Sonntag verpönt. Der Gesamtführende gönnt sich auf dem Weg nach Paris schonmal ein Glas Champagner.

Doch 1989 galt das ungeschriebene Gesetz noch nicht, alles war anders. Zum Abschluss gab es den Kampf gegen die Uhr - ein Einzelzeitfahren über 25,5 Kilometer. Fignon war zuversichtlich, das Gelbe Trikot bis zum Schluss zu verteidigen. Allerdings beeinträchtigte ihn eine wunde Stelle am Gesäß. „Es schmerzt wie die Hölle, aber danach habe ich es vergessen“, beschrieb Fignon seine Gedanken vor dem Start später in seiner Biografie.

Der Helm von LeMond machte den Unterschied

LeMond hatte für das Zeitfahren sein Material angepasst. Er benutzte einen Triathlon-Lenker, der ihm half, eine strömungsgünstigere Position auf dem Rad einzunehmen. Zudem trug LeMond einen Tropfenhelm.

Fignon hatte auf so eine Kopfbedeckung verzichtet. Er band sich die langen Haare lediglich mit einem Band zum Pferdeschwanz zusammen. Vermutlich hatte LeMond mit seiner Tüftelei die entscheidenden Sekunden rausgeholt. 1990 holte er sich noch einmal den Gesamtsieg, diesmal blieb das große Drama aus.

Fignon geriet wenige Monate nach dem Drama von 1989 in die Negativschlagzeilen, wurde nach einem positiven Doping-Test - dem zweiten seiner Karriere - für drei Monate suspendiert.

In Erinnerung blieb Fignon trotzdem vor allem als der Mann, der die Tour de France auf den letzten Metern verloren hatte. Als Fignon darauf angesprochen wurde, blaffte er aber nur zurück: „Nein, ich bin der Mann, der sie zweimal gewonnen hat!“

Fignon starb 2010 an Krebs

Das Leben des tragisch-widersprüchlichen Helden Fignon endete zu früh: Im Juni 2009 wurde bekannt, dass Fignon an metastasierendem Bauchspeicheldrüsenkrebs litt. Im Jahr darauf war er in Frankreich trotzdem noch als TV-Kommentator für die Tour im Einsatz, obwohl der Tumor auch schon auf seine Stimmlippen drückte.

Am 31. August 2010 starb Fignon in Paris, wenige Wochen nach seinem 50. Geburtstag. Als er noch lebte, spekulierte er offen darüber, ob das Doping zu aktiven Zeiten eine Rolle bei seiner tödlichen Erkrankung gespielt haben könnte.

LeMond, der heute selbst gegen eine Krebserkrankung kämpft, wohnte der Beerdigung bei und weinte um Fignon, so wie dieser 21 Jahre zuvor geweint hatte: „Er und ich - wir haben Sportgeschichte geschrieben. Wir haben gezeigt, warum wir alle den Sport so lieben. Und das kann uns niemand mehr nehmen.“

Laurent Fignon wurde auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise beigesetzt.