Nils Politt soll im Gigantenduell ums Gelbe Trikot eine entscheidende Nebenrolle spielen, die alten Recken Simon Geschke und John Degenkolb flirten mit einem Etappensieg, und Pascal Ackermann erfüllt sich mit dem späten Debüt einen Lebenstraum: 27 Jahre nach Jan Ullrichs Triumph wird zwar kein deutscher Profi bei der 111. Tour de France in der Gesamtwertung vorne mitmischen, die Aussichten auf Radsport-Feiertage sind aber dennoch gut.
Ein Deutscher als X-Faktor der Tour?
„Ich habe eine extreme Vorfreude“, sagte Politt, der beim Auftakt des wichtigsten Rennens der Welt am Samstag in Florenz zu einem erlesenen Kreis gehört: Der Kölner ist einer von sieben Helfern im brutal starken UAE Team Emirates, die Topstar Tadej Pogacar gegen Widersacher Jonas Vingegaard zum dritten Tour-Sieg verhelfen sollen.
„Das große Ziel ist, mit Pogi das Giro-Tour-Double zu holen“, sagt der 30-Jährige - Pogacar hatte erst im März überlegen die Italien-Rundfahrt gewonnen, das Double gelang zuletzt Marco Pantani 1998.
Politt fährt seine achte Tour - für die nun bereits vierte Mannschaft. 2021 gewann er in Nimes als bislang letzter Deutscher eine Tour-Etappe, damals noch für Bora-hansgrohe. Das bayrische Topteam, das zur Tour mit großem Tamtam unter dem Namen des neuen Mehrheitseigners Red Bull antritt, steht zwar diesmal schwer im Fokus - allerdings mit überschaubarem deutschen Anteil: Die Top-Rundfahrer Lennard Kämna und Emanuel Buchmann (2019 Gesamtvierter) sind verletzt, waren aber ohnehin nicht für die Tour vorgesehen. Stattdessen soll der Schwarzwälder Nico Denz Bora-Starzugang Primoz Roglic unterstützen.
Denz: „Einer meiner großen Träume“
„Als Helfer bei einem Grand-Tour-Sieg dabei zu sein, ist einer meiner großen Träume“, sagt Denz, der im Vorjahr mit zwei Etappenerfolgen beim Giro glänzte. Der 30-Jährige hat durchaus das Zeug dazu, nach zwei Nullrunden die deutsche Siegflaute bei der Tour zu beenden, kann aber wohl nur dosiert auf eigene Rechnung fahren.
Anders als beispielsweise Simon Geschke. „Ich fühle mich topfit“, sagte der 38 Jahre alte Berliner vor seiner letzten Tour der Sport Bild: „Mein Traum ist es, eine Bergetappe zu gewinnen und um das gepunktete Bergtrikot mitzufahren.“ Beides gelang dem bärtigen Kletterer bereits: 2015 triumphierte Geschke in Pra-Loup, 2022 trug er neun Etappen lang das Bergjersey. Geschke, zuletzt schon starker 14. beim Giro, erhält im Cofidis-Team viele Freiheiten, um vor seinem Karriereende noch einmal ins Rampenlicht zu fahren.
Jubiläum für Degenkolb & Premiere für Ackermann
Das gilt auch für John Degenkolb, der mit seinem zehnten Tour-Start Jubiläum feiert. „Das macht mich froh, stolz und glücklich“, sagte der einstige Topsprinter, der längst zum Allrounder geworden ist und mit seiner ganzen Erfahrung das dsm-Team als „Roadcaptain“ anführt.
2018 gewann „Dege“ in Roubaix eine Tour-Etappe, damals auf dem berüchtigten Kopfsteinflaster. Dieses Mal geht es in der Champagne über nicht minder spektakuläre Schotterpisten. Mit Degenkolb vorneweg? „In der Vergangenheit waren so spezielle Etappen immer genau mein Ding.“
Mit Etappensiegen liebäugeln auch der bergstarke Allrounder Georg Zimmermann (Intermarche-Wanty) sowie die erfahrenen Bahrain-Victorious-Profis Nikias Arndt und Phil Bauhaus. Sprinter Bauhaus spurtete bei der Tour 2023 dreimal unter die Top drei.
In den Massenspurts wird der schnelle Bocholter auf Pascal Ackermann treffen. Der einstige Giro- und Vuelta-Etappensieger hatte es als Bora- und UAE-Profi nicht zur Tour de France geschafft, nach dem Wechsel zu Israel-Premier Tech ist Ackermann endlich beim Spektakel dabei. „Das ist ein ganz besonderes Gefühl. Mit dem Tourstart wird ein Kindheitstraum wahr“, sagte der 30-Jährige.