Nichts war es mit dem erhofften Thriller und einer wirklich packenden Klettershow am Mont Blanc: Tadej Pogacar attackierte im explosiven Wiegetritt - doch auch am Fuße des mächtigen Alpenmassivs verpuffte sein mutiger Angriff auf Jonas Vingegaard und das Gelbe Trikot.
Brutale Bergankunft! Vingegaard pariert
Die ebenbürtigen Hauptdarsteller der 110. Tour de France haben sich bei der einzigen wie brutalen Bergankunft in den Alpen den nächsten großen Zweikampf auf Augenhöhe geliefert.
Eine Vorentscheidung im Sekunden-Krimi um den Gesamtsieg in Paris ist damit noch immer nicht gefallen.
In Saint-Gervais rollten die Rivalen am Sonntag Seite an Seite ins Ziel. Vor der Schlusswoche trennen Titelverteidiger Vingegaard im Maillot jaune und Herausforderer Pogacar lediglich zehn Sekunden. Der Ausgang des epischen Duells, das seit den Pyrenäen für Spannung und Dramatik sorgt, ist völlig offen.
Pogacar-Attacke auf Vingegaard verpufft
„Das Zeitfahren am Dienstag wird wichtig, aber natürlich auch die Etappe danach“, sagte Pogacar, der auf die Unterstützung seiner Liebsten zählen kann. „Meine Eltern und meine Freundin sind schon einige Tage hier - das ist eine große Motivation für mich. Natürlich hätte ich gerne einen Vorsprung, aber mit einem Gegner wie Jonas ist das nicht so einfach.“
Pogacar und Vingegaard hatten sich im Schlussanstieg lange belauert. Einen Kilometer vor dem Ziel ergriff der Slowene, Tour-Sieger von 2020 und 2021, die Initiative, konnte Vingegaard wie zuletzt aber nicht abschütteln.
Im Kampf um den dritten Podestplatz gerät das deutsche Top-Team Bora-hansgrohe mit seinem australischen Kapitän Jai Hindley ins Hintertreffen.
Hindley verlor Gesamtrang drei an den erst 22-jährigen Spanier Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers), der am Samstag in Morzine siegte. Der Rückstand wuchs am Sonntag auf 1:17 Minuten.
Der Tagessieger nach 179 km und knapp 4500 Höhenmetern in Saint-Gervais Mont-Blanc kam aus einer Fluchtgruppe. Der Niederländer Wout Poels, bei Bahrain Victorious Teamkollege der deutschen Radprofis Phil Bauhaus und Nikias Arndt, fuhr jubelnd als Solist über die Ziellinie.
Schrecksekunde um Buchmann
Zu Beginn des letzten Anstiegs hängte Poels den Belgier Wout van Aert als letzten Kontrahenten ab.
„Es war immer mein Traum, eine Tour-Etappe zu gewinnen. Jetzt kommen alle Emotionen hoch. Ich konnte das natürlich erst auf dem letzten Kilometer so richtig genießen. Dieser Sieg ist für Gino“, sagte Poels in Erinnerung an seinen im Vorfeld der Tour tödlich verunglückten Teamkollegen Gino Mäder.
Der Kölner Nils Politt (Bora-hansgrohe) gehörte zwischenzeitlich zur Gruppe der Ausreißer, im steilen Gelände war der Allrounder aber im Nachteil.
Dessen Teamkollege Emanuel Buchmann kam in der Schlussphase in einer Abfahrt zu Fall. Der deutsche Straßenrad-Meister blieb aber unverletzt und konnte das Rennen zuende fahren.
„Ich hatte vorgehabt, an Jai Hindley dranzubleiben. Der Plan war dann aber leider nicht mehr möglich“, sagte Buchmann hinterher der ARD.
Erneuter Massensturz sorgt für Wirbel
Einen Tag, nachdem zwei Begleitmotorräder auf der ersten Alpenetapp
e das Rennen beeinflusst hatten, blieb auch die 15. Etappe nicht frei von äußeren Störfaktoren.
Vingegaards Edelhelfer Sepp Kuss blieb bei hohem Tempo am Arm eines unachtsamen Zuschauers hängen, stürzte und räumte dabei auch seinen Teamkollegen Nathan van Hooydonck ab. Dahinter kamen zahlreiche weitere Fahrer bei dem Massensturz zu Fall.
Am Samstag hatten Motorräder auf der letzten Rampe zum Col de Joux Plane für Ärger gesorgt.
Eine womöglich entscheidende Attacke Pogacars verpuffte nach nur wenigen Metern, weil das Pressegespann zu spät auf den Antritt reagierte. Pogacar bremste, Vingegaard schloss auf - und sicherte sich kurz darauf am Gipfel acht Bonussekunden. „Ich habe dort eine Patrone verschossen ... es ist, wie es ist“, sagte Pogacar.
Zweiter Ruhetag, dann Einzelzeitfahren
Am zweiten Ruhetag am Montag können die Fahrer nach zwei strapaziösen Wochen nochmals Kraft tanken.
Das Duell um Gelb geht am Dienstag beim einzigen Einzelzeitfahren der Tour über 22,4 km nach Combloux in die nächste Runde.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)