Ist das Pogacar-Märchen zu schön um wahr zu sein?
Experte zweifelt an Tour-Sieger
Es ist noch keine Woche her, dass sich Tadej Pogacar zum Dominator der 107. Tour de France aufschwang. Aber bereits während der Tour kamen erste Zweifel an der Leistung des damals noch 21-jährigen Slowenen auf. "Hoffen wir, dass wir uns auch noch in fünf Jahren über diese unglaubliche Leistung freuen dürfen", meinte der einstige Tour-Fahrer Jens Voigt in der Live-Übertragung bei Eurosport.
Nun äußert auch Fritz Sörgel, der Leiter des Instituts für biomedizinische und pharmazeutische Forschung in Nürnberg, seine Bedenken. "Es gilt allgemein natürlich, dass Pogacar bisher kein Doping nachgewiesen wurde. Aber es ist schon sehr ungewöhnlich, dass jemand in dem Alter solche Wattzahlen tritt", erläuterte der Anti-Doping-Experte bei SPOX und fügte hinzu: "Das macht einen natürlich stutzig."
Diese ständigen Zweifel hat sich der Radsport mit seiner unrühmlichen Doping-Historie selbst erarbeitet. Dass diese aber nicht nur der Vergangenheit angehören, beweisen die Ermittlungen gegen das bei der Tour gestartete Team Arkea-Samsic um Radsport-Star Nairo Quintana, der die Vorwürfe aber strikt zurückwies.
Pogacar in Dimensionen von Armstrong und Pantani
Aber natürlich werfen diese Vorkommnise auch einen Schatten auf den Tour-Sieger. So hatte Pogacar bei seinem Tagessieg auf der 8. Etappe den Anstieg zum 1569 Meter hoch gelegenen Col de Peyresourde in den Pyrenäen schneller als je ein Tour-Fahrer zuvor ablsoviert und während der 24-minütigen Kletterpartie 6,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht getreten - Werte, die bisher nur von den überführten Dopern Marco Pantani und Lance Armstrong übertroffen wurden.
Ein Umstand, der auch Sörgel zu denken gab: "Eigentlich geht man davon aus, dass man im Radsport ein bisschen Reife braucht, ehe man zu solchen Leistungen fähig ist. Solche Werte sind von Lance Armstrong, Jan Ulrich, Marco Pantani und zuletzt vom Sky Team erreicht worden, wo bekanntlich auch nicht alles einwandfrei zugegangen ist."
Daher wirkt es makaber, dass ausgerechnet Armstrong den Husarenritt Pogacars im Bergzeitfahren auf der 20. Etappe, als er Landsmann Primoz Roglic noch abfing, als eine "der besten Leistungen, die wir jemals im Radsport gesehen haben", feierte.
Die Aussagen, dass es sich bei Pogacar um ein Ausnahmetalent des Radsports handle, wollte Sörgel nicht komplett von der Hand weisen. Allerdings gebe es seiner Meinung nach Indikatoren, die zumindest den Verdacht des Dopings rechtfertigen.
Indikatoren, aber keine Beweise
Zum einen würde der Doping-Prozess in München Verbindungen nach Slowenien aufzeigen. "Man sieht in dem Dopingprozess gegen Mark S., der gerade in München läuft, dass Slowenien da eine gewisse Rolle spielt und man viele Parallelen zu früheren Dopingentwicklungen im Radsport in Deutschland, England oder den USA erkennt. In diesen Ländern war eindeutig das Bestreben dahinter, sich im Radsport zu profilieren, zur Not auch mit unlauteren Mitteln."
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In den vergangenen elf Jahren wurden acht Slowenen der Einnahme verbotener Substanzen überführt. Insgesamt gingen in dieser Zeitspanne 19 Slowenen auf der World Tour an den Start.
Zum anderen nähre das Umfeld des Tour-Siegers weitere Zweifel. Mit Mauro Gianetti hat Pogacars UAE Team einen Temchef, der früher bei Saunier Duval verantwortlich war. Dessen Kapitän Riccardo Ricco wurde bei der Tour 2008 wegen Dopings aus dem Verkehr gezogen. Dazu hatte Pogacars Entdecker Andrej Hauptmann bereits während seiner aktiven Karriere immer wieder mit Dopingvorwürfen zu kämpfen. Für die Tour de France im Jahr 2000 wurde er wegen anormaler Werte gar nicht erst zugelassen.
Dennoch sind dies alles bisher nur Indikatoren und keine Beweise. Und wie Förster bereits erwähnte, gilt natürlich auch für Pogacar die Unschuldsvermutung - es bleibt nur zu hoffen, dass diese länger als die von Voigt genannten fünf Jahre halten möge.