Im kommenden Juli werden die französische Radsport-Fans die Straßen wieder zu Tausenden säumen, sie werden nach ihren Hoffnungsträgern rufen, nach Romain Bardet oder Thibaut Pinot.
Bernard Hinault: Der Dachs wird 60
Und sie werden sich inständig wünschen, dass einer irgendwann so wird wie ihr Idol - so wie Le Blaireau, der Dachs, so wie Bernard Hinault, der letzte französische Tour-de-France-Sieger.
Am Freitag feiert der kantige Bretone mit dem Legendenstatus seinen 60. Geburtstag.
Sehnsucht nach einem Nachfolger
Halb so lange wird sein letzter Tour-Triumph im nächsten Jahr her sein. 1985 hatte Hinault seinen insgesamt fünften Gesamtsieg geholt und seither ist die Sehnsucht der Grande Nation nach einem Nachfolger beinahe zur Obsession angewachsen.
Auch Hinault schmerzt das elend lange Warten. "Wir haben noch immer keinen kompletten Fahrer", sagte er im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP etwas ernüchtert.
Bardet und Pinot zum Beispiel klettern exzellent, sind aber miserable Zeitfahrer.
Der Beckenbauer Frankreichs
Hinault, der in Frankreich ein Ansehen genießt wie hierzulande Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer, war auf jedem Terrain stark und gewann nicht nur bei der Tour, sondern dreimal auch beim Giro d'Italia, zweimal bei der Vuelta, er wurde Weltmeister und triumphierte selbst beim Klassiker Paris-Roubaix.
Mehr als 200 Erfolge hat Hinault in seiner Laufbahn angesammelt. Seine 28 Tour-Etappensiege werden lediglich vom "Kannibalen" Eddy Merckx überboten. Er habe ein "Traumleben" im Radsport gehabt, sagt Hinault rückblickend.
Hinault: Radsport nicht schlimmer als der Rest
So aufbrausend und kompromisslos wie er im Sattel sein konnte, so energisch wehrte und wehrt sich Hinault gegen das Sündenbock-Dasein des Radsports.
Die Dopingskandale der vergangenen knapp 20 Jahre hätten "all jene tief verletzt, die das Radfahren lieben. Aber wenn man auf alle Sportarten blickt, ist der Radsport nicht verdorbener als andere", findet er.
"Sie wollen die Tour de France killen"
2013, als ein französischer Senatsbericht den flächendeckenden Betrug bei der Tour de Dopage 1998 ans Licht brachte und unter anderem auch Erik Zabel überführte, schimpfte Hinault: "Wir sollten aufhören, Tote ans Tageslicht zu bringen. Sie wollen die Tour de France killen."
Hinault wettert aber nicht nur gegen die Ungleichbehandlung, er ist auch jenen gram, die dem Radsport bewusst geschadet haben. SHOP: Jetzt Radsport-Artikel kaufen
Der gefallene Superstar Lance Armstrong ist für Hinault schlichtweg gestorben. "Wenn ich ihn heute träfe, würde ich nicht mit ihm sprechen. Ich würde ihn noch nicht einmal grüßen", sagt er.
"Ich habe ein traumhaftes Leben"
Blutpanscherei wie zu Zeiten des Texaners gab es in der Ära Hinault nicht, der Gebrauch von Kortison oder Amphetaminen war dagegen weit verbreitet. Hinault selbst fiel nie positiv bei einer Dopingkontrolle auf.
Er sagt vielleicht auch deshalb heute, dass er alles noch einmal genauso machen würde. "Wenn mir morgen jemand sagt: 'Du bist 20, du kannst noch mal anfangen', dann würde ich nichts ändern. Ich habe ein traumhaftes Leben, ich wünschte, jeder könnte ein solches Leben haben."
Bardet und Pinot machen Hoffnung
Dieses Leben spielt sich zumeist im ländlichen Calorguen ab, mitten in der Bretagne nahe Dinan. Hinault besitzt dort seit vielen Jahren einen Bauernhof.
Und wenn er sich nicht gerade um diesen kümmert, wenn er in der PR-Abteilung für den Tour-Veranstalter ASO arbeitet, so wie jedes Jahr im Juli, dann ist er täglich bei der Tour-Siegerehrung zu sehen.
Wie gern würde er dabei endlich auch seinem französischen Nachfolger die Hand schütteln. Bei Bardet und Pinot hat Hinault immerhin Hoffnung. "Sie haben Charakter."