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Er taumelte ins Ziel und wurde zum größten deutschen Mythos

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Ein einzigartiger deutscher Mythos

Auf denkwürdige Weise krönte er sich zum ersten deutschen Zehnkampf-Olympiasieger und hinterließ danach auch in vielen anderen Sportarten Spuren - unter anderem als Chefcoach in der Fußball-Bundesliga. Willi Holdorf wäre heute 85 geworden.
Willi Holdorf im Jahr seines legendären Zehnkampf-Olympiasiegs 1964
Willi Holdorf im Jahr seines legendären Zehnkampf-Olympiasiegs 1964
© IMAGO/Sven Simon
Johannes Fischer
Auf denkwürdige Weise krönte er sich zum ersten deutschen Zehnkampf-Olympiasieger und hinterließ danach auch in vielen anderen Sportarten Spuren - unter anderem als Chefcoach in der Fußball-Bundesliga. Willi Holdorf wäre heute 85 geworden.

Als Willi Holdorf am 20. Oktober 1964 die Goldmedaille schon vor Augen hatte, begann er auf einmal zu taumeln. Mit letzter Kraft schleppte sich der Modellathlet über die Ziellinie und brach dann zusammen. Die Bilder, auf denen er sich auch Minuten später nur dank der Hilfe zweier Rivalen auf den Beinen halten konnte, gingen um die Welt.

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Es war das dramatische Ende des Zehnkampfs bei den Olympischen Spielen von Tokio, das erst auf den letzten Metern des abschließenden 1500-Meter-Laufes entschieden wurde. Er begründete einen Mythos des deutschen Sports, in dem noch viel, viel mehr steckte - unter anderem ein Engagement als Trainer in der Fußball-Bundesliga.

Kraftakt bei Olympia beeindruckte nachhaltig

Holdorf, der am heutigen 17. Februar 85 Jahre alt geworden wäre, galt mit seinen 24 Jahren damals als deutscher Medaillenkandidat - und er rechtfertigte die Hoffnungen über die Maßen. Nach neun Disziplinen lag er scheinbar komfortabel vor dem Esten Rein Aun, der für Sowjetrussland am Start war.

18 Sekunden lag der Deutsche zwar vor seinem Rivalen, doch als vergleichsweise schwacher Läufer musste Holdorf schneller rennen als jemals zuvor in seinem Leben - was er auch tat. Nach 4:35 Minuten endete Holdorfs Tortur, die zur ersten olympischen Goldmedaille eines deutschen Zehnkämpfers führte.

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Willi Holdorf bei der Zehnkampf Siegerehrung 1964 in Tokio
Willi Holdorf bei der Zehnkampf Siegerehrung 1964 in Tokio

„Holdorf war am Ende seiner Kräfte. Aber er holte aus sich selbst Reserven heraus, die niemand hatte vermuten können“, schilderte damals der französische Journalist Edouard Seidler in der Sportzeitung L‘Équipe.

„Ich dachte an meinen kleinen Sohn zu Hause. Der sollte später nicht einmal sagen: Mein Vater hätte Olympiasieger werden können, aber er war zu schlapp dazu“, schilderte Holdorf später dem Sportjournalisten Gustav Schwenk, was ihm damals durch den Kopf ging. Dank seiner Willensleistung wurde er 1964 zum Sportler des Jahres gekürt.

Auch als Trainer feierte Holdorf große Erfolge

Dabei hatte Holdorf nur durch Zufall zur Leichtathletik gefunden, nachdem er in seiner Jugend im Fußball und Handball aktiv war. Weil er als äußerst spurtkräftig galt, meldete sich der damals 18-Jährige bei den Landesmeisterschaften im Sprint an, die er prompt gewann.

Weil er auch einen schnellkräftigen Arm hatte, versuchte sich Holdorf im Zehnkampf und feierte bereits als Teenager erste Erfolge. Nachdem er die Olympischen Spiele 1960 in Rom nur um Haaresbreite verpasst hatte, folgte vier Jahre später die Krönung - und gleichzeitig das Ende seiner internationalen Karriere.

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Weil nach einem Olympiasieg nichts mehr kommen konnte, widmete sich Holdorf anderen Aufgaben. Unter anderem stürzte er sich im Zweierbob die Eiskanäle herunter und wurde 1973 Vize-Europameister. Große Erfolge feierte das Multitalent auch als Leichtathletiktrainer, wo er die Stabhochspringer Claus Schiprowski und Reinhard Kuretzky sowie den Hürdenläufer Günther Nickel in die Weltspitze führte.

Mit Georg Großmann wurde Willi Holdorf Vize-Europameister im Zweierbob
Mit Georg Großmann wurde Willi Holdorf Vize-Europameister im Zweierbob

Dabei blieb vor allem Schiprowskis Olympia-Coup bei den Spielen 1968 in Mexiko City in Erinnerung. In einem der spannendsten Wettkämpfe der Olympia-Historie lieferten sich drei Spitzenathleten einen fesselnden Showdown. Bob Seagren, Wolfgang Nordwig und Schiprowski hießen die drei Protagonisten im Estadio Olimpico Universitario. Sieben Stunden lang kämpfte das Trio um Gold im Stabhochsprung-Finale, das am Ende der Amerikaner Seagren vor Schiprowski und DDR-Athlet Nordwig hauchdünn für sich entschied.

Kurioses Experiment in der Fußball-Bundesliga

Holdorf, der während seines Studiums an der der Sporthochschule Köln studiert und bei Hennes Weisweiler in einem Kurs mit Udo Lattek, Gyula Lorant und Aki Schmidt den Trainerschein erworben hatte, wagte sich später auch in den Profifußball.

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Fortuna Köln - in Form des legendären Klubbosses Hans „Jean“ (Scheng) Löring - kam 1974 auf die wagemutige Idee, den damals 34 Jahre alten Holdorf als Coach im Abstiegskampf zu verpflichten. Löring setzte vor allem auf die inspirierende Strahlkraft Holdorfs, die seine Spieler aus einem mentalen Loch holen sollte.

Das Experiment misslang, Fortuna stieg ab. „Wir haben zu viele Spieler, die nur auf Technik machen, und zu wenige, die auch mal hinlangen können“, bedauerte er. Letztlich konnte er den Spielern nicht die Mentalität einimpfen, die er als Zehnkämpfer vorgelebt hatte.

Holdorf prägte auch den Handball-Vorzeigeklub THW Kiel

Nach seinem Wirken als Sportler und Trainer zeichnete sich Willi Holdorf in seinem späteren Leben auch als Funktionär aus. Fast drei Jahrzehnte lang prägte er in den verschiedenen Gremien den THW Kiel und war als einer von fünf Gründungs-Gesellschaftern maßgeblich an der Entwicklung des THW zum erfolgreichsten deutschen Handballklub beteiligt.

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Willi Holdorf wurde 1964 zum ersten deutschen Olympiasieger im Zehnkampf
Willi Holdorf wurde 1964 zum ersten deutschen Olympiasieger im Zehnkampf

Der breiten deutschen Öffentlichkeit blieb der gebürtige Holsteiner, der seit 2011 Mitglied der „Hall of Fame“ des deutschen Sports ist, aber als Leichtathlet in Erinnerung.

„Wenn man mit dem Zehnkampf anfängt, dann gibt es ein paar große Namen - Willi Holdorf stand da ganz, ganz oben“, sagte Niklas Kaul, der 2019 WM-Gold im Zehnkampf gewann, bei Focus online - kurz nachdem Holdorf am 5. Juli 2020 gestorben war.