Die Norwegerin Sonja Henie war die erfolgreichste Eiskunstläuferin der Geschichte, blieb acht Jahre in Folge unbesiegt - und wurde trotzdem erst nach ihrer Sportlerkarriere richtig berühmt.
Besessen von Geld und Sex?

Am 18. Februar 1928, heute vor 97 Jahren, startete Henie ihren einzigartigen Siegeszug mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen von St. Moritz. Mit 15 Jahren und 315 Tagen wurde sie jüngste Winter-Olympiasiegerin in einer Einzeldisziplin - ein Rekord, der erst 1998 von der US-amerikanischen Eiskunstläuferin Tara Lipinski gebrochen wurde.
„Fräulein Hoppla“ startet durch
Bereits vier Jahre zuvor hatte Henie als Elfjährige ihren Olympia-Einstand in Chamonix gegeben, doch der Wettkampf - wen wundert‘s - kam noch zu früh. Während der Kür verlor sie mehrmals den Faden und musste ihren Trainer fragen, was sie als nächstes zu tun hätte. Überliefert ist zudem, dass sie bei einem Sturz „Hoppla“ rief, was ihr den Spitznamen „Fräulein Hoppla“ einbrachte.

In Berlin wurde sie „Häseken“ genannt, nachdem Henie im Alter von 14 Jahren bei einem Auftritt im Sportpalast als Glücksbringer eine Hasenpfote um den Hals trug und ihr das Berliner Original Reinhold Habisch - genannt „Krücke“ - zurief: „Kiek mal, det Häseken“.
„Häseken“ machte dann aber Ernst: Nachdem sie sich 1926 - ebenfalls mit 14 Jahren - noch mit WM-Silber zufriedengeben musste, stand sie bei den zehn folgenden Weltmeisterschaften immer auf dem obersten Podest.
Bei Olympia begann ihre Siegesserie in jenen Februartagen 1928 in St. Moritz, wo sie deutlich vor der Österreicherin Fritzi Burger, die auch bei den Olympischen Spielen 1932 in Lake Placid ihre Hauptrivalin war, lag. Den dritten Olympiasieg holte Henie bei den von den Nazis inszenierten Spielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen, wodurch sie bis heute die einzige Eiskunstläuferin ist, die in der Damenkonkurrenz drei Olympiasiege feiern konnte.
Adolf Hitler ließ es sich nicht nehmen, der blonden Norwegerin die Goldmedaille um den Hals zu hängen. Ihre Nähe zu den Nazis ist dokumentiert, was ihr viele Norweger bis weit nach Kriegsende übel nahmen. Hitler lud Henie sogar mit ihren Eltern auf den Berghof in Obersalzberg zum Essen ein und überreichte ihr ein Foto mit Autogramm und Widmung.
Henie war ihrer Zeit voraus
Doch der dritte Olympiasieg war für Henie nicht etwa der Höhepunkt, sondern der Startschuss ihrer eigentlichen Karriere. Nur wenige Monate nach dem Triumph in Garmisch unterschrieb sie einen hochdotierten Vertrag bei der US-Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox, wobei sie sich als äußerst geschäftstüchtig erwies.
Henie bestand darauf, bereits in ihrem ersten Film mit ihrem Namen über dem Titel genannt zu werden und bekam eine Gage von 125.000 Dollar. Der Langzeitvertrag machte sie mit einem Schlag zu einer der höchstbezahlten Schauspielerinnen der Welt.
Nach dem Erfolg ihres ersten Films „One in a Million“, bei dem sie sich anlässlich der Premiere in Deutschland mit Joseph Goebbels traf, wurde Henies Status bestätigt und sie wurde immer anspruchsvoller in ihren Geschäftsbeziehungen mit Produzent Darryl F. Zanuck. Sie bestand darauf, totale Kontrolle über die Eislaufnummern zu haben, die sie im Film zeigte.
Ihr Erfolg war durchschlagend: Von 1937 bis 1948 entstanden in Hollywood zwölf erfolgreiche Eisrevue-Filme, von der Diva selbst choreographiert und mit ihr in der Hauptrolle.
Überhaupt war Henie immer ihrer Zeit voraus: Bereits als Teenager revolutionierte sie mit ihrem Stil das Eiskunstlaufen und schlug - was bei ihrem Amateurstatus eigentlich strikt verboten war - schon damals aus ihrem Können finanzielles Kapital. Als Revue- und Hollywoodstar verdiente sie später Millionen. Sie war emanzipiert und selbstbewusst – womit sie sich in der damals noch ausgeprägteren Männerwelt nicht nur beliebt machte.
Besessen von Geld und Sex?
Dies galt vor allem auch für ihr Privatleben: Neben ihren Ehen hatte Henie zahlreiche Liebhaber, wie ihre Eiskunstlaufpartner Jack Dunn und Stewart Reburn. Auch Boxlegende Joe Louis und die Schauspieler Tyrone Power und Van Johnson verbrachten intime Stunden mit ihr.
Am 12. Oktober 1969 starb Sonja Henie im Alter von nur 57 Jahren auf dem Rückflug von Paris nach Oslo, ein gutes Jahr nachdem Leukämie bei ihr diagnostiziert worden war.
Nach ihrem Tod sorgte ihre Biografie Queen of Ice, Queen of Shadows für Aufsehen, die ihr Bruder Leif zusammen mit Raymond Strait verfasste. Henie sei besessen gewesen von Geld und Sex und sei über Leichen gegangen, um ihre Ziele zu erreichen.
Ein differenziertes Bild stellte Sporthistoriker Ansgar Molzberger heraus: „Beim Mann hätte man vielleicht gesagt, er hat seine Karriere vorangetrieben, und im Frauenbild der damaligen Zeit wird dann gesagt, das ist aber mit Ellbogen und rücksichtslos. Also es heißt immer, sie hätte zur damaligen Zeit bereits ein Vermögen von circa 50 Millionen Dollar angehäuft. Und das erreiche ich wahrscheinlich nicht, indem ich immer zu allen lieb und brav und rücksichtsvoll bin, also da muss ich schon, wie man heute so schön sagt, mein Ding durchziehen.“