Vor genau 31 Jahren, am 04. Dezember 1993, bricht Eisschnellläufer Dan Jansen den Weltrekord über 500 Meter und bleibt dabei erstmals unter der magischen Grenze von 46 Sekunden. Es sollte ein erster Fingerzeig in Richtung des krönenden Endes einer der wohl emotionalsten Geschichten der Sporthistorie werden.
Ein emotionaler Weg zu Gold
Die tragische Geschichte von Jansen, der den passenden Spitznamen „The Heartbreak Kid“ erhielt, begann am Morgen des 14. Februars 1988. Jansens ältere Schwester Jane verstarb nach einem langen Kampf gegen Leukämie nur drei Stunden vor dem Rennen über die 500 Meter bei den Olympischen Spielen 1988.
Jansen ging bei seiner zweiten Olympia-Teilnahme als Favorit auf die Goldmedaille ins Rennen. Doch aufgrund der Tragödie um seine Schwester ging der US-Amerikaner mit einer beinahe unmenschlichen Last ins Rennen.
„Was ist, wenn die Leute denken, dass es mir egal ist?"
„Es war ein mentaler Kampf für mich. Was ist, wenn ich da rausgehe und gewinne und die Leute denken, dass es mir egal ist? Wenn man sich auf das Rennen bei den Olympischen Spielen vorbereitet, ist das nicht die Einstellung, die man haben sollte", erklärte Jansen 2019 rückblickend dem US-amerikanischen Lifestyle-Magazin Vivant Magazine. „Wir entschieden uns als Familie darüber, was Jane sich wünschen würde. Sie hätte sich so schlecht gefühlt, wenn ich nicht rausgegangen wäre und es versucht hätte. Sie wusste, dass dies mein Traum und mein Leben zu dieser Zeit war, und ich habe so hart gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo ich jetzt bin."
18 Millionen Haushalte in den USA saßen oder standen an diesem Tag vor ihrem Fernsehgerät und blickten gebannt darauf, ob Jansen trotz der Umstände in Calgary triumphieren würde. Nach einem Fehler stürzte Jansen jedoch und musste die erste Hoffnung auf eine Medaille begraben. Die nächste Chance bot sich dem Favoriten über die von ihm deutlich weniger favorisierten 1000 Meter.
Eine Runde vor dem Ziel schien die Überraschung tatsächlich Realität zu werden. Jansen ging mit der schnellsten Zwischenzeit in den Endspurt um die Medaille und lag eine Runde vor dem Ziel in Führung, doch dann der nächste Fehler. Jansen stürzte und auch seine letzte Hoffnung auf eine Medaille war dahin.
„Es hat nicht geklappt, weil mein Geist an einem Ort war und mein Körper an einem anderen. Aber, ich würde es wieder genauso machen. Ich ging raus und probierte es aus. Man weiß nie. Es ist sicherlich nicht so geworden, wie wir es uns vorgestellt haben, aber auf lange Sicht haben wir daraus gelernt. Ich habe mein Bestes gegeben und das ist alles, was man tun kann“, reflektierte Jansen seine Entscheidung, die von der Familie unterstützt worden sei.
Der einzige Trost für Jansen blieb nach 1988 der „U.S. Olympic Spirit Award“, welcher ihm für seine Entschlossenheit inmitten der Tragödie verliehen wurde.
Vier Jahre später ging der olympische Traum für Jansen in die nächste Runde. Bei den Olympischen Spielen in Albertville schrammte der Hoffnungsträger jedoch erneut an einer Medaille vorbei und wurde über die 500 Meter Vierter. Im Rennen über die 1000 Meter folgte ein katastrophaler 26. Platz.
Erst durch den Weltrekord 1993 keimt die Hoffnung auf eine Krönung seiner Karriere erneut auf. Die Olympischen Spiele in Lillehammer 1994 waren gleichzeitig auch die letzte Chance für Jansen, der vorab bekannt gegeben hatte, seine Karriere nach dem Turnier zu beenden. Der erneute Schock ließ allerdings nicht lange auf sich warten.
Jansen mit Zweifeln zu Gold und Weltrekord
Über 500 Meter überzeugte Jansen mit seinem Tempo, verlor bei einem Ausrutscher aber entscheidende Sekunden. Endergebnis, Rang acht für das „Heartbreak Kid“.
Die nun wirklich letzte Hoffnung seiner Karriere ruhte also auf den 1000 Metern. Der Strecke, über die eigentlich gar nicht an einen Sieg zu denken war, da sich Jansen auf die 500 Meter spezialisiert hatte.
„Irgendetwas war nicht in Ordnung. Meine Schlittschuhe griffen nicht auf dem Eis. Ich fühlte mich nicht fest, und meine Beine fühlten sich nicht normal an. Also habe ich nur gedacht. In anderthalb Minuten bist du fertig und die Olympischen Spiele sind vorbei, und ich war irgendwie darauf vorbereitet, dass es einfach nicht klappen würde“, blickte Jansen in einem Beitrag der Olympischen Spiele auf sein angeschlagenes Selbstvertrauen zurück.
Das Tempo, das von Jansen anschließend an den Tag gelegt wurde, ließ allerdings keinesfalls auf Zweifel schließen. Wieder lag der US-Amerikaner in der Zwischenzeit vorne, wieder rutschte er 200 Meter vor dem Ziel aus und musste um seine Medaille bangen. Als Jansen jedoch Ziellinie überquerte war der Jubel groß. Beim letzten Rennen seiner Karriere fuhr Jansen vor 26 Millionen TV-Zuschauern in den USA nicht nur zu seiner ersten Goldmedaille, sondern obendrauf auch zu einem neuen Weltrekord.
Die anschließenden Bilder waren nicht weniger emotional. Auf seiner Siegesrunde hielt Jansen seine einjährige Tochter im Arm, benannt nach seiner Schwester Jane. „Ich dachte an alles, was ich tun könnte, um Jane etwas zu sagen. Als es zu Ende war, dachte ich, ich würde ihr einen kleinen Gruß zukommen lassen. Also schaute ich auf und grüßte sie“, erklärte Jansen mit Blick auf die folgende Siegerehrung und ergänzte: „Ich habe Jane sogar gesagt, dass ich für sie gewinnen werde.“ Auch an den TV-Geräten dürften die Tränen geflossen sein.
„Es war an der Zeit etwas zurückzugeben"
Als US-Fahnenträger bei der Abschlussfeier und mit der Aufnahme in die US Olympic Hall of Fame im Jahr 2005 folgten nach dem Rennen die nächsten Auszeichnungen. Bis heute will Jansen der Gesellschaft aber auch etwas zurückgeben.
„Obwohl meine Eisschnelllaufkarriere ein glückliches Ende fand, war es an der Zeit, etwas zurückzugeben, denn ich hatte mir das bereits beim Tod meiner Schwester versprochen“, erklärte Jansen dem Vivant Magazine hinsichtlich der schon 1995 gegründeten Dan Jansen Foundation, die sich hauptsächlich für Familien in ähnlichen Situationen einsetzt.
„Es mag ein Klischee sein. Aber egal, ob es darum geht, eine gute Tat zu vollbringen oder Geld oder Zeit zu spenden, ich denke, es ist wirklich so viel lohnender, als die Leute sich vorstellen. Du kannst buchstäblich das Leben eines anderen verändern und verbessern“, appellierte er: „Tut, was ihr könnt, um zu helfen, denn unsere Zeit auf dieser Erde ist nicht mehr sehr lang.“