Es waren wahrhaft bewegte Tage damals, bei Olympia in Mexico City.
Revolution mit 21, Rücktritt mit 22
Am 16. Oktober sorgten John Carlos und Tommie Smith mit ihrem Black-Power-Protest für einen ebenso folgenschweren wie ikonischen Moment. Zwei Tage danach flog Weitspringer Bob Beamon mit seinem Jahrhundertsatz in neue Sphären. Und nur einen Tag später wurde die Leichtathletik einmal mehr in ihren Grundfesten erschüttert - von Richard Douglas „Dick“ Fosbury.
Am 20. Oktober 1968 in Mexico City veränderte der Siegeszug der „Fosbury Flop“ den Hochsprung radikal: Der damals 21 Jahre alte Erfinder holte vor Landsmann Ed Caruthers Gold mit einem neuen olympischen Rekord von 2,24 Metern, läutete damit eine neue Ära ein - und ebnete auch einem der legendärsten deutschen Olympia-Momente den Weg.
Fosbury Flop wurde im Hochsprung zum Standard
Vor Fosbury war im Hochsprung der so genannte Straddle-Stil der Standard, bei dem die Sportler bäuchlings die Latte überquerten.
Der junge Fosbury mochte das nicht: Er fand den Straddle zu kompliziert, brach sich obendrein einmal bei einem verunglückten Versuch die Hand und kam zum Schluss, dass er es mit der althergebrachten Variante nie zum Spitzenspringer schaffen würde. Er begann mit anderen Techniken zu experimentieren und ersann den „Flop“, bei dem er rückwärts segelte.
Der Name "Flop" geht auf die Schlagzeile eines Sportjournalisten aus Fosburys Heimat Oregon zurück: "Fosbury Flops Over Bar" schrieb der, verglich den Sprungstil mit einem Fisch, der nach dem Fang an Land floppt - sich also auf den Rücken dreht und seinen Körper krümmt.
Trainer riet Fosbury vom Flop ab
Wäre es nach seinem damaligen Trainer Bernie Wagner gegangen, hätte die wohl größte technische Revolution der Leichtathletik-Geschichte nicht stattgefunden: Wagner wähnte Fosbury vollends auf dem Irrweg, als dieser sich anschickte, die Latte auf seine ihm eigene Weise zu überqueren.
„So wird nichts aus dir. Besser wäre es, wenn du zum Zirkus gehen würdest“, riet Wagner seinem schnellen, aber ungelenken Athleten spöttisch. Auch Teile der Presse amüsierten sich: „Der faulste Hochspringer der Welt“ betitelte eine US-Zeitung des für damalige Augen skurrile Bild Fosburys, wie er liegend über der Latte schwebte.
Fosbury aber ließ sich nicht beirren: Er sah die biomechanischen Vorteile seiner Idee, die ihn nach und nach durch immer weitere Verbesserung seiner Bewegungsabläufe in immer höhere Höhen trug.
Fosbury mit Olympia-Sieg überfordert
Die Rolle als anfangs einsamer Revolutionär passte zu Fosbury: Der junge Mann aus Portland (geboren am 6. März 1947) war ein scheuer Einzelgänger - wie er dann auch bei Olympia unterstrich. Anstatt die Eröffnungsfeier zu besuchen, fuhr er mit einem Van zu den Pyramiden, um sich den Sonnenuntergang anzuschauen und dort zu übernachten.
Mit dem „Olympiasieger-Sein“ war Fosbury eigenen Angaben zufolge „völlig überfordert“. Nur zwei Tage nach seinem Triumph verließ er das Olympische Dorf, ein Jahr später beendete er mit 22 seine Karriere und baute sich ein neues Leben als Bauingenieur und später Lokalpolitiker in Idaho auf.
Während sich ihr Urvater jung zurückzog, erfasste die Revolution schnell den ganzen Sport: Bei Olympia 1972 in München war schon die große Mehrzahl der Teilnehmer mit dem Fosbury Flop unterwegs, unter anderem auch die junge deutsche Überraschungssiegerin Ulrike Meyfarth - die mehrfach deutlich machte: Ohne Dick Fosbury hätte sie ihre großen Siege von München und Los Angeles 1984 nie errungen.
Der Leichtathletik-Frührentner Fosbury blieb dem Sport als Vorstandsmitglied der World Olympians Association verbunden. Am 12. März 2023 starb er mit 76 Jahren, nachdem er zum zweiten Mal an einem bösartigen Lymphom erkrankt war.