Der Druck war enorm, die Erwartungen riesig - und so holte sich Noah Lyles unmittelbar vor dem packenden Gold-Thriller von Paris noch einmal Hilfe. „Ich habe meine Therapeutin angerufen und sie sagte: ‚Du musst loslassen, du musst es fließen lassen‘“, sagte der neue Olympiasieger über die 100 m: „Und ich sagte: ‚In Ordnung, ich werde dir vertrauen.‘“ Nach dem Telefonat war Weltmeister Lyles dann bereit für das große Spektakel.
100-Meter-König mit bewegendem Tribut
Der 27-Jährige, der nie ein Geheimnis aus seinen Depressionen gemacht hat, raste im Stade de France in einem dramatischen Finale nach 9,79 Sekunden zu seinem ersten Olympiasieg. Am Ende hatte der 27-Jährige in der knappsten Entscheidung der Olympia-Geschichte über die Königsstrecke nur fünf Tausendstelsekunden Vorsprung auf den Jamaikaner Kishane Thompson. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis das Zielfoto ausgewertet war - und Lyles jubeln konnte.
Unsicherheit und große Emotionen nach Zieldurchlauf
Unmittelbar nach dem Zieldurchlauf war sich Lyles nicht sicher, dass er gewonnen hatte. "Ich bin zu Kishane gegangen und habe gesagt: 'Ich will ehrlich sein, Bruder, ich glaube, du hast gewonnen'", sagte Lyles: "Ich war darauf vorbereitet, dass sein Name auftauchen würde, und als ich dann meinen Namen sah, dachte ich: 'Meine Güte, das ist ja unglaublich. Ich bin unglaublich.'"
Im Moment seines bisher größten Erfolges gedachte Lyles auch einem ehemaligen Weggefährten. Bei X schrieb er: „Hey Coach Rashawn, das war für dich, Ruhe in Frieden“.
Vor versammelten Reportern sprach er ebenso über seinen Trainer, der „vor kurzem“ verstorben sei: „Ich weiß noch, wie ich auf den letzten Meter lief und dachte: ‚Das ist für dich, Mann.‘“ Lyles wurde dabei sichtlich emotional: „Ich dachte, dass er hier sein würde, um es zu sehen, ehrlich gesagt“, sagte er über Rashawn weiter.
Sein Coach habe stets daran geglaubt, dass er ein 100-Meter-Sprinter sein werde.
Dass er dabei so einige Hürden zu überwinden hatte, machte Lyles in einem weiteren Post bei X deutlich: „Ich habe Asthma, Allergien, eine Lese- und Rechtschreibschwäche, eine Aufmerksamkeits-Störung, Ängste und Depressionen. Aber ich werde euch sagen, dass die Dinge, die man hat, nicht definieren müssen, was man werden kann. Warum nicht Du?“
Und so holte Lyles Olympia-Gold über die 100 m nach 20 Jahren zurück in die USA geholt, nun peilt er das Double an. Zu "100 Prozent" werde er auch Gold über die 200 m gewinnen, sagte Lyles, der auf der lila Bahn insgesamt vier Triumphe anpeilt.
Nämlich noch mit den Staffeln über 4x100 und 4x400 m.