Es war das große Drama des vorletzten Olympia-Tags - und seine Umstände sorgen für einige Diskussionen um den schillernden Hochsprung-Supertar Gianmarco Tamberi.
Der bittere Preis für eine Extremkur?
Der italienische Welt- und Europameister und Olympia-Titelverteidiger scheiterte unter Tränen an der Höhe von 2,27 Metern, nachdem er schon in den vergangenen Tagen gesundheitlich schwer gebeutelt war.
Tamberis Olympia-Start stand lang auf der Kippe, er litt unter schmerzhaften Nierenkoliken, war mehrfach im Krankenhaus, spuckte Blut und wandte sich noch am Tag des Wettkampfs immer wieder via Instagram an seine Fans, um von seinem Leidensweg zu berichten.
Der 32-Jährige schaffte es letztlich ins Stade de France, wo er mit dem Kampf um die Medaillen aber letztlich nichts zu tun hatte. Der spektakulär geplatzte Gold-Traum wurde aber nicht nur von Mitgefühl begleitet - sondern auch von Diskussionen, ob Tamberi sein Drama selbst heraufbeschworen hat.
Diskussionen um Tamberis extreme Gewichtsabnahme
„Ich habe es nicht verdient. Ich habe alles für den Sport gegeben“, sagte Tamberi unter Tränen dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI: „Es war das, was ich als den letzten Wettkampf empfand, derjenige, dem man sein Leben widmet, denn so gehe ich mit dem Sport um. Es tut mir so leid.“
Zu Tamberis Vorbereitung - über die er via Social Media viele Details offengelegt hatte - gehörte ein heftiges Trainings- und Abnehmregiment, mit dem der 1,91-Meter-Mann er seinen Körperfettanteil auf knapp über 3 Prozent reduzierte, was selbst für Ausdauersportler als extremer Wert gilt.
Anfang Juli postete Tamberi ein Bild seines extrem getrimmten Oberkörpers, was in Italien schon damals Debatten auslöste: „Nicht der Körper, den ich will, aber der Körper, den ich brauche“, schrieb Tamberi. Diverse Experten werteten darauf als hochriskant, was Tamberi seinem Körper zumutete - und warfen auch die Frage auf, ob Tamberi seine Vorbildwirkung auf junge Menschen im Blick habe, die nicht unter derselben ärztlichen Kontrolle agieren wie er.
„Der Grat ist schmal, sehr schmal“, warnte der Sportmediziner Michelangelo Giampietro: „Gimbo muss einen Monat lang auf dem Drahtseil gehen, ohne zu fallen und sich zu verletzen.“ Sehr gezielte Ernährung und ärztliche Kontrolle sei unerlässlich, „er und seine Mitarbeiter sind sicherlich dazu in der Lage, aber niemand sollte versuchen, ihn nachzuahmen.“
Die Sportpsychologin Romana Caruso, die auch mit Ski-Star Sofia Goggia zusammenarbeitet, fand speziell diesen Aspekt bedenklich: „Wir wissen genau, dass der Sport extreme Opfer und Leiden erfordert, die dem Körper zugefügt werden. Das ist ein Preis, den man zahlen muss. Ich bin jedoch besorgt darüber, wie viele sensible Einblicke er mit hunderttausenden Menschen über die sozialen Netzwerke teilt. Jüngere Menschen, so wie viele von Tamberis Followern, wissen das nicht alles in der Tiefe zu lesen - und es kann leicht die Botschaft hängen bleiben: ‚Tamberi ist sehr dünn und sehr cool - ich muss so sein wie er‘.“
„Es ist undenkbar, dass ihn niemand gewarnt hat“
Tamberi selbst machte keinen Hehl daraus, dass sein Gewichtsverlust eine extreme Erfahrung war, die ihn stark beschäftigte. Er führte ihn auch als Teil der Erklärung für den Fauxpas bei der Eröffnungsfeier an, als er seinen Ehering in der Seine verlor.
Seine gesundheitlichen Probleme heizten die Diskussionen neu an: Diverse Beobachter merkten an, dass Nierenprobleme eine Folgeerscheinung radikalen Abnehmens sein können.
Der Corriere dello Sport kommentierte: „Es ist undenkbar, dass ihn niemand vor den Risiken eines so drastischen Gewichtsverlusts gewarnt hat, der einen dazu bringen kann, zu fliegen wie vor zwei Monaten bei der EM in Rom, aber einem auch die Beine aufschneiden kann - so wie gestern.“
Auch das Sportmedium platzierte dabei einen Seitenhieb auf Tamberis vieldiskutiertes Social-Media-Verhalten: „Er zehrt von den Likes und Kommentaren seiner Follower, als wären es Probiotika oder Vitamine.“ Nichtsdestotrotz zeigte sich das Blatt beeindruckt, was Tamberi unter den Umständen noch aus sicher herausholte: „Wenn es eine Auszeichnung für die beste technische Leistung eines verletzten Athleten bei diesen Spielen gäbe, würde sie an ihn gehen.“