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Der tiefe Fall einer Ikone der Leichtathletik!

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Der tiefe Fall einer Ikone

Sergej Bubka war früher das, was heute Armand Duplantis ist: der Rekordjäger und Superstar des Stabhochsprungs. Mittlerweile ist der Ruf des einstigen Volkshelden der Ukraine durch schwere Vorwürfe massiv beschädigt.
Sergej Bubka bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988
Sergej Bubka bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988
© IMAGO/WEREK
Dominik Schätzle
Dominik Schätzle
Sergej Bubka war früher das, was heute Armand Duplantis ist: der Rekordjäger und Superstar des Stabhochsprungs. Mittlerweile ist der Ruf des einstigen Volkshelden der Ukraine durch schwere Vorwürfe massiv beschädigt.

Armand Duplantis sorgte am Montagabend bei den Olympischen Spielen in Paris für einen magischen Moment. Mit 6,25 Meter stellte er bei seinem Olympiasieg den Stabhochsprung-Weltrekord auf eine unglaubliche neue Marke ein - und vergrößerte so sein schon in jungen Jahren reichhaltiges Vermächtnis.

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Was heute Duplantis ist, war früher Sergej Bubka: Er war der umjubelte Rekordspringer, der seine Disziplin in immer neue Höhen schraubte und so zu einem der absoluten Superstars der Leichtathletik aufgestiegen war. Er war es, der vor fast 40 Jahren, am 13. Juli 1985, ebenfalls in Paris Sportgeschichte schrieb und als erster Mensch überhaupt die historische Marke von sechs Metern knackte.

Der Ukrainer krönte sich sechsmal in Folge zum Weltmeister und zum Olympiasieger von Seoul 1988, stellte über 30 Weltrekorde auf. Bubka - anfangs noch für die UdSSR startend - wurde ab 1991 ein sportlicher Volksheld seines unabhängig gewordenen Landes. Kein Wunder, dass ausgerechnet er Duplantis die Goldmedaille in Paris umhängen darf. Doch der heute 60-Jährige ist in der Gunst der Menschen in der Ukraine inzwischen tief gefallen.

Schwere Vorwürfe gegen Bubka

Das hat freilich nichts damit zu tun, dass der schwedische Ausnahmeathlet Duplantis bereits 2020 den Uralt-Weltrekord der Ikone knackte und sich nun mit seinem zweiten Olympiasieg aufschwingt, an Bubkas Status als größter Athlet aller Zeiten in der Sportart zu kratzen.

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Bubka sieht sich aus Gründen, die nichts mit dem Sport zu tun haben, mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert. Er soll nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 gemeinsame Sache mit dem Aggressorstaat gemacht haben.

Eine umfassende Recherche von ukrainischen Investigativjournalisten der Medienplattform bihus.info förderte zu Tage, dass Bubkas Unternehmen „Mont Blanc“ in den von Russland annektierten Gebieten Treibstoff an die Besatzer verkauft haben soll.

Zunächst hatten die Journalisten drei Verträge des Unternehmens mit den Besatzern entdeckt, in denen es um Beträge von mehr als 800.000 Rubel geht, später noch zwei weitere über 73.000 sowie 2250 Rubel. Es geht vor allem um Gutscheine, die an den mindestens sechs Tankstellen eingelöst werden konnten, die Bubka mit seinem Bruder Wassyl in der besetzten Region Donezk betreibt, zudem um Gelder, die an den „Sergej Bubka Sports Club“ geflossen sein sollen.

Umgerechnet geht es dabei zwar nur um eine vergleichsweise geringe Summe von knapp 10.000 Euro, doch der Vorwurf einer möglichen Kollaboration hat Bubka einen Ruf als Landesverräter eingebracht.

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Nachdem im Sommer des vergangenen Jahres die schwerwiegenden Vorwürfe aufkamen, soll der ukrainische Sicherheitsdienst SBU eine Untersuchung gegen die Brüder eingeleitet haben. Wassyl wird in allen Verträgen als Direktor des Unternehmens aufgeführt, habe sie unterschrieben - und wurde in Abwesenheit wegen Kollaboration sowie der „Unterstützung einer terroristischen Organisation“ angeklagt.

Bubka bestreitet Kollaboration

Laut den Journalisten gehe aus den Unterlagen auch hervor, dass Wassyl Bürger der Russischen Förderation sein soll, Sergej werde als ukrainischer Staatsbürger aufgeführt, habe aber eine „echte und derzeit aktive“ russische Steuernummer, wie es in einem Bericht auf bihus.info heißt.

Bubka wehrte sich im September gegen die Berichte, beteuerte in einem Youtube-Video, dass er „immer für die Ukraine gekämpft“ habe, „aber jetzt hat eine Kampagne gegen mich begonnen, um meinen Ruf zu zerstören“. Er sei seit 2014 nicht mehr in den besetzten Gebieten gewesen, habe deshalb etwa auch die Beerdigung seiner Mutter verpasst. „Ich habe nichts mit irgendwelchen Geschäften in den besetzten Gebieten zu tun“, so Bubka damals. Konkretere Fragen diverser Medien ließ er seitdem mehrfach unbeantwortet.

Viele aktuelle ukrainische Sportlerinnen und Sportler zweifeln lau an Bubkas Version der Geschichte. Die Stabhochsprung-Ikone konnte etwa Jaroslawa Mahutschich nicht überzeugen, die Weltrekordlerin und Hochsprung-Olympiasiegerin von Paris. „Als der Krieg begann, kooperierten alle Sportler und warteten zumindest auf eine Erklärung von Bubka. Wir haben einen Brief verfasst, aber er trug nie Bubkas Unterschrift“, wurde sie im vergangenen Jahr bei Politico zitiert.

Olympiasiegerin findet vernichtende Worte

Sie und andere Athleten hätten ihn angerufen und ihm geschrieben, doch er habe erst später seine Erklärung abgegeben, „aber die war bedeutungslos“, so Mahutschich, die vernichtende Worte für Bubka findet: „Ich respektiere ihn als Sportler, aber nicht als Mensch.“ Die Athleten hätten sich etwa erhofft, dass sich der 60-Jährige für ein Verbot der Nationalen Olympischen Komitees Russlands und Belarus‘ einsetzen würde, da er einer der einflussreichen 107 Mitgleider des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ist.

Der 60-Jährige drohte derweil mit einer Klage gegen die Journalisten, die mit ihrer Recherche die Vorwürfe erhoben hatten, doch obwohl seitdem Monate verstrichen sind, soll sie bisher nicht eingereicht worden sein.

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Was offenbar noch weiteres Öl im Feuer aller Zweifler ist: Während der russische Angriffskrieg in der Ukraine weiterhin tobt, soll Bubka übereinstimmenden Medienberichten zufolge nach Monaco gezogen sein und dort ein schönes Leben führen - er wurde immer wieder bei Fußballspielen der AS Monaco im VIP-Bereich gesehen. Der Klub gehört dem russischen Milliardär Dmitri Rybolowlew, gegen den ukrainische Sanktionen verhängt worden waren.

Andere ukrainische Sportikonen, darunter die ehemaligen Boxer Wladimir und Vitali Klitschko oder der Ex-Fußballer Andrij Schewtschenko, verurteilen den Krieg des Kremls und Russlands Präsident Wladimir Putin aufs Schärfste, und unterstützen die ukrainischen Verteidigungsanstrengungen. Von Bubka werden ähnliche Signale vermisst.

Image für alle Zeit zerstört?

Laut der ukrainischen Strafverfolgungsbehörden soll Bubka bereits am 1. März 2022 mit einer Sondergenehmigung das Land verlassen haben, berichtet die ukrainische Onlinezeitung Ukrainska Pravda. Zum damaligen Zeitpunkt hätte er das Land nicht ohne Erlaubnis verlassen dürfen, da er noch im wehrfähigen Alter unter 60 Jahren war. Danach sei er zwar wieder im Land gewesen, doch zuletzt am 4. Juli 2022 ausgereist und seither nicht mehr zurückgekommen.

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Damals war Bubka zusammen mit IOC-Präsident Thomas Bach beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew gewesen. Das IOC hatte nach dem Besuch auch eine Pressemitteilung veröffentlicht, die danach kritisiert wurde, da darin kein Wort über Russlands Angriff oder eine Verurteilung dessen zu lesen war. Stattdessen ging es darin eher allgemein um die Unterstützung des IOC für die ukrainischen Athleten.

In der Ukraine scheint Bubkas Image für alle Zeit beschädigt, vielleicht ganz zerstört. Noch in den 90er und 2000er Jahren wurde er als Nationalheld verehrt, als größter Sportler nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Nach seiner aktiven Karriere, zog es Bubka - der schon zu aktiven Zeiten durch seine clevere Selbstvermarkung ein großes Vermögen anhäufte - in die Politik.

Er hielt viele öffentliche Ämter, wurde 2008 Mitglied des IOC, saß zwischen 2002 und 2006 im ukrainischen Parlament, war über viele Jahre der Leiter des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine sowie Vizepräsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF.

Bubka ist aktuell bei Olympia in Paris vor Ort, ist auf dem öffentlichen Parkett aber vorsichtiger geworden: Er meldet sich immer mal wieder auf der Social-Media-Plattform X und versichert seiner kriegsgebeutelten Heimat dort seine Solidarität. Die Kommentarfunktion hat er dabei standardmäßig deaktiviert.

Am Dienstag tauchte er dann aber doch auf der großen Bühne auf - und hängte Duplantis bei der Siegerehrung die Goldmedaille um den Hals.