Das Hochsprung-Finale bei den Olympischen Spielen in Paris hat sich am Samstagabend zu einem irren Krimi entwickelt. Das bessere Ende erlebte Hamish Kerr, der sich im Stechen gegen Shelby McEwen durchsetzen konnte.
Hochspringer lehnten Gold-Teilung ab
Nach dem regulären Wettkampf hatten beide Athleten als einzige die 2,36 Meter übersprungen, aber keiner schaffte die 2,38m. Dadurch gab es keinen eindeutigen Sieger und es kam die Frage auf: Einigen sich die Hochspringer auf zwei erste Plätze oder geht es ins Stechen? 2021 in Tokio kam es zur gleichen Situation, dort teilten sich Mutaz Essa Barshim aus Katar und der in Paris dramatisch aus dem Gold-Rennen gefallene Italiener Gianmarco Tamberi die Goldmedaille.
Olympia: Athleten einigen sich auf das Stechen
Der Neuseeländer Kerr berichtete im Nachgang, wie es zur Entscheidung am Samstagabend kam: „Ich dachte immer, dass es so großartig wäre, etwas zur Geschichte beizutragen und die Chance zu bekommen, tatsächlich das Stechen zu machen. Ich wusste sofort, dass wir Geschichte schreiben würden, und das haben wir geschafft.“ Kerr habe über den Fall X schon länger nachgedacht und schon länger beschlossen, dass er die Goldmedaille ausfechten und nicht teilen würde.
McEwen fügte hinzu: „Wir haben miteinander gesprochen und er sagte: ‚Lass uns springen.‘ Und ich antwortete: ‚Ich bin voll und ganz dafür.‘“ Der US-Amerikaner erklärte, dass er davon ausging, dass beide Sportler „am Ende ein wenig müde geworden sind“.
Doch der 28-Jährige schilderte, dass er ebenso an die Chance auf das Preisgeld von 50.000 Dollar gedacht habe. Dies hätten sich die Athleten bei einer Entscheidung für das Doppel-Gold teilen müssen. „Ich habe eine Familie zu ernähren“, betonte McEwen.
Elf Fehlversuche in Folge
Das Stechen entwickelte sich dann zu einem Krimi, denn die ersten elf Versuche waren nicht erfolgreich. Nach zweimaligen Senken der Latte scheiterte McEwen zunächst an den 2,34m, ehe sein Kontrahent diese Höhe übersprang und sich damit den Olympiasieg sicherte.
„Wenn ich diesen Sprung nicht geschafft hätte oder einen sehr bald, wären wir wahrscheinlich immer noch da draußen“, witzelte Kerr im Anschluss. Nach seinem entscheidenden Versuch sprintete er in die Mitte des Feldes im Stade de France. „Ich dachte, es wäre lustig, so auf dem Feld zu laufen“, sagte Kerr: „Aber ich habe auch ein halbes Auge auf die Speerwerfer gehabt.“
Selbstverständlich war er sehr glücklich darüber, dass es letztlich ins Stechen ging: „Das war ein ganz besonderer Moment, den wir als Hochsprunggemeinschaft teilen konnten“, meinte der Neuseeländer. Er fügte hinzu, dass es schön sei, Geschichte geschrieben zu haben.
US-Star: „Habe Gold nicht erreicht, aber...“
„Ich wäre so stolz gewesen, im Stechen Zweiter zu werden - wahrscheinlich stolzer, als eine Goldmedaille zu teilen, weil ich wusste, dass das bereits geschehen war. Das war das Wichtigste für mich: Zu versuchen, auf eine andere Art und Weise zu dieser Geschichte beizutragen“, erklärte Kerr.
Und sein Kontrahent? Er akzeptierte die Niederlage im Stechen: „Ich habe Gold nicht erreicht, aber ich bin trotzdem dankbar für das, was ich erreicht habe.“