Die Frage, ob sie mit ihrer Olympia-Teilnahme in Paris fahrlässig gehandelt habe, konnte Malaika Mihambo nicht nachvollziehen. Der Körper habe nur kurz mal gestreikt, nach einer halben Stunde sei ja alles wieder ganz okay gewesen.
Ein gefährliches Signal von Mihambo
Ihr Trainer Ulrich Knapp drehte den Spieß sogar um. Mihambo habe Bewunderung verdient für ihre aufopfernde Leistung. In „einer Gesellschaft, wo sich jeder mit Nasenbluten einen Krankenschein nimmt und eine Woche zuhause bleibt“, habe Deutschlands Weitsprung-Star „angeschlagen alles gegeben.“
Mihambo mit Rollstuhl aus Stadion gefahren
Nach ihrem EM-Coup im Juni war Mihambo an Corona erkrankt. In Paris gewann sie Silber, ging dabei über ihre körperlichen Grenzen und wurde nach dem Wettkampf mit Atemnot im Rollstuhl aus dem Stadion gefahren.
Die Frage, wie Mihambos Auftritt zu bewerten ist, treibt am Tag nach den besorgniserregenden Szenen um. War das heldenhaft oder hat die Olympiasiegerin von Tokio ein Bild abgegeben, das einer Vorbildfunktion nicht gerecht wird?
Corona-Langzeitfolgen nicht abzuschätzen
Nicht falsch verstehen, da ist eine Sportlerin mit einem großen Ziel, mit einem Traum, der plötzlich zu platzen droht. Da ist ein Ereignis, das nur alle vier Jahre stattfindet – da gilt es abzuwägen: Was ist zumutbar, was ist möglich, wie hoch ist das Risiko? Wer würde es in dieser Situation nicht auch versuchen?
Fakt ist aber auch: Die hochemotionale und polarisierende Diskussion um den Umgang mit COVID hat Mihambo auf jeden Fall wieder befeuert. Eine Vorzeige-Athletin ordnet dem Erfolg bei Olympia alles unter, den Gefahren für den eigenen Körper zum Trotz – das ist ein gefährliches Signal! Und wir sprechen hier nicht über eine Bronchitis inklusive einer drohenden Herzmuskelentzündung. Die Langzeitfolgen einer solch physischen Belastung unter den Nachwirkungen einer Corona-Erkrankung sind schlichtweg nicht abzuschätzen.
US-Superstar Lyles läuft mit Corona
Das Stade de France glich am Donnerstagabend ja ohnehin einer Notfallaufnahme. 100-Meter-Olympiasieger Noah Lyles ging über die doppelte Distanz sogar trotz eines positiven Coronatests an den Start. Nach seinem dritten Platz wurde der US-Superstar ebenfalls medizinisch versorgt und mit dem Rollstuhl aus dem Stadion gefahren.
Das deutsche Team, das stellte Dr. Jörg Bügner, Vorstand Leistungssport im Deutschen Leichtathletik-Verband, auf SPORT1-Nachfrage klar, hat in diesem Fall eine schärfere Linie. Ein Start mit Corona-Erkrankung ist den Athleten untersagt, zum eigenen Schutz und dem der Teamkollegen.
Zehnkämpfer Manuel Eitel musste aus diesem Grund kurz vor Olympia seine Teilnahme absagen. In diesem Punkt greifen Vernunft und Verantwortungsbewusstsein.