Pan Zhanle sorgte am Mittwochabend in der La Defense Arena für den ersten Schwimm-Weltrekord bei den Olympischen Spielen in Paris – und wie! Über die Königsdisziplin 100 Meter Freistil blieb der Chinese – Spitzname: fliegender Fisch - in 46,60 Sekunden vier Zehntel unter seiner eigenen Bestmarke der WM in Doha im Februar. Dieser Quantensprung wirft gleich mehrere Fragen auf.
Fabel-Weltrekord wirft Fragen auf
Die Leistungsexplosion mutet umso erstaunlicher an, da Pan Zhanle im Vorlauf beinahe ausgeschieden wäre. Dort war der 19-Jährige am Dienstagmorgen exakt zwei Sekunden langsamer als einen Tag später im Finale. Nur sechs Hundertstel trennten ihn vom vorzeitigen Aus. Ist Pan Zhanle nur ein abgezockter Gambler, dessen Pokerspiel so gerade aufging?
Zudem kommt Pan Zhanle förmlich aus dem Nichts. Anfang des Jahres war er noch ein unbeschriebenes Blatt, wurde dann Weltmeister und holte sich als Startschwimmer der Staffel den Weltrekord.
Olympia: Pan Zhanle stellt Fabel-Weltrekord auf
Nun ist er Olympiasieger mit Weltrekord und riesigem Vorsprung. Mehr als eine Sekunde Vorsprung hatte Pan Zhanle vor dem zweitplatzierten Australier Kyle Chalmers. Seit 1954 der 50-Meter-Pool zum Standard wurde, hat es das nicht annähernd gegeben.
„Es ist eine erstaunliche Zeit. Er hat alle anderen mit über einer Sekunde geschlagen – mich eingeschlossen. Und das über 100 Meter Freistil, wo die Abstände normalerweise sehr knapp sind“, sagte David Popovici SPORT1 bei einem Pressetermin des offiziellen Olympia-Zeitnehmers Omega.
Popovici ist nicht irgendein Schwimmer. Der 19 Jahre alte Rumäne war vor Pan Zhanle Weltrekordhalter über 100 Meter Freistil. Vor ihm stand der Weltrekord 13 Jahre lang bei 46,91 Sekunden, aufgestellt vom Brasilianer Cesar Cielo in einem der heute verbotenen Ganzkörperanzüge.
Popovici gilt ebenfalls als Wunderschwimmer. In Paris sicherte er sich Gold über 200 Meter Freistil, über die halbe Distanz sprang Bronze heraus.
Doping? „Jeder ist unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist“
„Pan Zhanle ist in meinem Alter. Er hat für dieses Rennen hart gearbeitet“, sagte Popovici weiter und wollte sich an den schnell aufkommenden Doping-Spekulationen nach dem Fabel-Weltrekord nicht beteiligen: „Jeder ist unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Ich kann das nicht!“
Ein Beigeschmack bleibt – zumal nach der Veröffentlichung der ARD-Doping-Redaktion, dass 23 chinesische Schwimmer 2021 positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet worden waren. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat bislang die Erklärung der chinesischen Antidopingbehörde akzeptiert, wonach es in einer Hotelküche zu einer Kontamination mit dem Medikament gekommen sein soll.
Damals positiv getestete Athletinnen und Athleten starteten an den Sommerspielen in Tokio, elf davon sind auch jetzt in Paris dabei. Pan Zhanle gehört nicht zu ihnen, er war zum Zeitpunkt der Proben erst 16 Jahre alt.
Es gibt weitere prominente Dopingfälle in China. 2018 etwa wurde ein Kontrolleur gezwungen, eine Dopingprobe des Schwimmers Sun Yan mit einem Hammer zu zerstören. Trotzdem durfte der Athlet an den WM 2019 starten und gewann zweimal Gold. Erst 2020 wurde er von der WADA nachträglich gesperrt.