Sieben Spiele, sechs Siege: Die deutschen 3x3-Basketballerinnen haben die Vorrunde als einziges der acht Teams mit nur einer Niederlage abgeschlossen und damit den Umweg über die Play-ins vermieden. Das Quartett des Deutschen Basketball Bundes (DBB) mit Marie Reichert, Sonja Greinacher, Svenja Brunckhorst und Elisa Mevius liegt voll auf Medaillenkurs.
„Haben alle schon einmal geschlagen“
Vor dem Halbfinale gegen Kanada (05. August, 18.30 Uhr) gab Greinacher SPORT1 ein Exklusiv-Interview. Die 32-Jährige spricht über den sensationellen Gruppensieg und beschreibt ihre Freude sowie ihre Überraschung über diesen Erfolg, der ihre Erwartungen bei weitem übertroffen hat.
Greinacher verweist zudem auf den wachsenden Zuspruch und das steigende Interesse am 3x3-Basketball, welche sie als zusätzliche Motivation erachtet. Darüber hinaus berichtet sie von Begegnungen mit prominenten Athleten im olympischen Dorf. Zum Abschluss gibt sie noch einen Einblick in ihren Alltag, ihre Glücksbringer und wie sie ihre Freizeit während der Spiele verbringt.
„Halbfinale ein unglaublicher Erfolg“
SPORT1: Was bedeutet der Einzug ins Halbfinale für Sie persönlich?
Sonja Greinacher: Es ist natürlich Wahnsinn. Ich hätte mir das vorher nie erträumen können. Wir sind hier reingegangen und haben gehofft, dass wir in die Play-ins kommen. Ich war mir da relativ sicher, dass wir das schaffen, aber dass wir jetzt im Halbfinale stehen und auch als Erster aus der Vorrunde gehen, ist einfach unglaublich. Man hat die ganze Zeit die Gedanken an die Medaille unterdrückt, aber jetzt ist der Gedanke einfach da.
SPORT1: Also ist das Finale jetzt das Ziel?
Greinacher: Ich würde schon wirklich sehr, sehr gerne ins Finale kommen (lacht). Dieses nächste Spiel ist einfach unglaublich wichtig, weil, wenn man dann im Finale ist, dann ist alles, was ab da passiert, nur noch die Kirsche auf der Torte. Dadurch kann man sehr befreit aufspielen. Dann spielt man auch meistens noch besser. Aber klar, solange wir mit einer Medaille hier rausgehen, werde ich überglücklich sein.
„Wir haben alle schon einmal geschlagen“
SPORT1: Wie schätzen Sie Ihre Chancen gegen Kanada sowie in einem möglichen Finale gegen Spanien oder die USA ein?
Greinacher: Alle Teams, die jetzt noch drin sind, haben wir schonmal geschlagen. Mit Australien ist die einzige Mannschaft, gegen die wir verloren haben, schon raus. Und wenn wir es wirklich schaffen, ins Finale einzuziehen und dann einfach nur noch befreit spielen können, dann ist das die beste Position, die man haben kann. Man hat ja auch in den Spielen gesehen, dass wir so unglaublich viel Spaß haben zusammen zu spielen. Und ich glaube, dann ist auch Gold drin.
SPORT1: Sie sprechen von Spaß im Team - wie wichtig ist eine gute Teamdynamik, um erfolgreich zu sein?
Greinacher: Ich glaube, die ist super wichtig, mit einer der wichtigsten Faktoren. Wir kriegen auch ganz oft das Feedback, dass man es uns ansieht, dass wir gerne zusammenspielen. Auch von Menschen, die lange kein Basketball geguckt haben und uns nicht kennen und das trotzdem sofort erkennen. Das ist super, super cool. Und das ist auch das, was wir von Anfang an gesagt haben. Wir wollen einfach jedes dieser Spiele genießen. Wir haben hier die Möglichkeit gehabt, sieben Spiele bei Olympia zu spielen. Andere Sportler kommen hierhin und haben vielleicht drei Versuche beim Hochsprung oder so und das ist einfach Wahnsinn. Wir gucken uns vor jedem Spiel in die Augen und sagen uns, dass wir das zusammen genießen wollen.
SPORT1: Die Euphorie ist wirklich zu spüren, immer mehr Augen sind auf 3x3 und auf Sie vier gerichtet. Löst das vermehrt Druck in Ihnen aus oder stellt es für Sie vielmehr eine Motivation dar?
Greinacher: Druck eigentlich gar nicht. Das ist das, was wir uns auch ganz lange gewünscht haben. 3x3 ist noch super jung und noch in den Babyschuhen. Das merkt man natürlich, wenn man zu großen Turnieren fährt und die Leute am Flughafen fragen: Was macht ihr denn? Und man dann sagt: 3x3-Basketball. Dann wird erstmal ein bisschen komisch geguckt. Das fand ich schon immer super schade, weil es einfach so eine schöne Sportart ist und dadurch, dass es so ein kurzes, intensives Spiel ist, gerade den Zuschauern unheimlich viel bietet. Und jetzt zu hören, dass uns ganz, ganz, viele Leute zuschauen und 3x3 das erste Mal sehen und wahrnehmen, war ein Riesenziel von uns.
SPORT1: Welche prominenten Athletinnen und Athleten haben Sie im Camp bereits kennengelernt?
Greinacher: Doch so einige ... Die Deutschen natürlich - wir haben Alex Zverev und Angie Kerber auf der Eröffnungsfeier gesehen. Wir haben Simone Biles in der Mensa und Serena Williams beim Abendessen gesehen. Da sind schon einige Legenden an uns vorbeigegangen.
Greinacher schätzt das Essen im Olympischen Dorf
SPORT1: Konnten Sie sich auch mit einigen von ihnen unterhalten?
Greinacher: Wir haben zum Beispiel mit Simone Biles geredet. Das war natürlich auffällig, weil sie sehr klein ist und jeder sie kennt, während wir sehr groß sind. Da hat sie uns auch gefragt, welchen Sport wir machen (lacht). Mit dem ein oder anderen haben wir natürlich auch ein Foto gemacht und wenn man sich traut Leute anzusprechen, hat man natürlich Kontakt (lacht). Die meisten sind einfach unglaublich freundlich und nett. Man kriegt nie das Gefühl, dass jemand nicht mit einem reden will.
SPORT1: Haben Sie auch Probleme mit dem Essen und der Auswahl im Olympischen Dorf?
Greinacher: Ne, das kann ich so nicht bestätigen. Wir reden da oft drüber, aber es gibt viel Auswahl, es gibt viel Frisches. Es gibt alles, was man so braucht - von Salat und Kohlenhydraten hin zum Dessert. Klar, wir sind jetzt schon eine Weile hier und da wird es irgendwann ein kleines bisschen eintönig, auch wenn es eigentlich viel Auswahl gibt. Aber ich finde, dafür, dass sie hier so viele Sportler aus aller Welt versorgen müssen, ist es echt voll in Ordnung.
SPORT1: Sie sind schon eine Woche vor Ihrem ersten Spiel angereist, bleiben Sie auch noch nach eurem letzten?
Greinacher: Also theoretisch haben wir am Donnerstag unseren Abreisetag. Das heißt, dass wir dann auch noch paar Tage nach unserem letzten Spiel hier sind, was natürlich echt cool ist. Jetzt sind die 5-gegen-5-Basketballer auch hier, also die Männer kamen gestern und die Frauen kommen morgen nach ihrem Spiel. Und das wollen wir uns natürlich auch noch angucken und überlegen, je nachdem wie es da weitergeht, ob wir dann nicht doch noch ein paar Tage dranhängen.
Duftkerze schenkt Greinacher Olympia-Glück
SPORT1: Also verfolgen Sie auch jetzt schon nebenbei die anderen Sportarten?
Greinacher: Ja, auf jeden Fall. Wir hatten Tickets für Handball und Beachvolleyball. Svenni (Svenja Brunckhorst, Anm. d. Red.) war schon bei der Leichtathletik. Als wir hier angekommen sind, hatten wir ja ungefähr eine Woche, in der wir noch keine Spiele hatten. Und natürlich läuft hier überall Sport, die Wettkämpfe sind ständig auf irgendwelchen Bildschirmen zu sehen und daher verfolgt man schon echt viel.
SPORT1: Haben Sie eine Routine oder einen Glücksbringer während der Olympischen Spiele?
Greinacher: Die Routine hängt immer ein bisschen vom Spielplan ab. Am Freitag hatten wir ja einen Doppelspieltag und da mussten wir relativ früh aufstehen und dann am Abend wieder spielen. Da stand dann natürlich gut essen und Mittagsschlaf auf dem Programm. Und als Glücksbringer habe ich eine Duftkerze mit. Die hat mir eine Mitspielerin, Frieda Bühner, die mit den 5-gegen-5-Mädels dabei ist, geschenkt. Die war dann auch bei unserer 3x3-Quali dabei und hat uns Glück gebracht. „Summer in Paris“ ist die Geruchsrichtung und wenn es hier in der Wohnung ein bisschen muffelig wird, wird die Kerze angemacht (lacht).
SPORT1: Wie haben Sie den freien Tag genutzt?
Greinacher: Ich bin am Morgen tatsächlich aus dem Olympischen Dorf gegangen und habe mich mit Familie und Freunden zum Frühstück getroffen. Ich war einfach in Downtown Paris und wollte mal was anderes sehen, andere Klamotten anziehen, was anderes essen. Das hat super gutgetan. Und jetzt kommt viel Physio und viele Behandlungen, dass ich für das Halbfinale so fit wie möglich bin.