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"Wir profitieren hier immer noch von der Infrastruktur aus der DDR"

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"Wir profitieren hier immer noch von der Infrastruktur aus der DDR"

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„DDR-Infrastruktur hilft uns noch“

Florian Wellbrock, Deutschlands erfolgreichster aktiver Schwimmer, geht bei Olympia in Paris wieder auf Gold-Mission. Im SPORT1-Interview spricht er über seine Vorbereitung, den deutschen Schwimm-Aufschwung und Vergleiche mit dem Fußball.
Florian Wellbrock nimmt bei Olympia wieder Gold ins Visier
Florian Wellbrock nimmt bei Olympia wieder Gold ins Visier
© IMAGO/Laci Perenyi
Florian Wellbrock, Deutschlands erfolgreichster aktiver Schwimmer, geht bei Olympia in Paris wieder auf Gold-Mission. Im SPORT1-Interview spricht er über seine Vorbereitung, den deutschen Schwimm-Aufschwung und Vergleiche mit dem Fußball.

Nach 13 Jahren sorgte er 2021 für das erste Olympia-Gold der deutschen Schwimmer seit Britta Steffen. Und mit insgesamt sieben WM-Titeln ist Florian Wellbrock die absolute Galionsfigur des DSV.

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In Paris will der Freiwasser- und Langstrecken-Spezialist seine Medaillensammlung ausbauen. Der 26 Jahre alten Bremer, der am Standort Magdeburg trainiert, wird dabei auch von einer generellen, kleinen Euphoriewelle um den deutschen Schwimmsport getragen, die in den vergangenen Jahren viele vielversprechende Talente hervorgebracht hat.

Im SPORT1-Interview spricht Wellbrock über seine Vorbereitung auf Paris, das Erfolgsmodell Magdeburg und darüber, warum er eher nicht mit den Fußball-Stars tauschen will.

SPORT1: Herr Wellbrock, Olympia in Paris naht. Es sind Ihre dritten Spiele - und Sie reisen diesmal als Titelverteidiger über die 10 km im Freiwasser an. Ändert sich da die Herangehensweise?

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Wellbrock: Den Olympiasieg schon ein Mal geschafft zu haben, gibt Rückenwind. Man hat ein anderes Selbstbewusstsein, wenn man das, was man erreichen will, schon einmal geschafft hat. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich deswegen besonders entspannt in die Wettkämpfe gehe, der Hunger auf neue Medaillen ist sehr, sehr groß.

„Ich freue mich wieder auf ganz normale Spiele“

SPORT1: Ist nach den noch stark von Corona beeinträchtigten Spielen in Tokio die Vorfreude auf Paris noch etwas größer?

Wellbrock: Ja, es ist natürlich schöner, wenn richtig viele Fans vor Ort sind und mitfiebern können. Das ist nicht nur für die Fans, sondern auch für uns Sportler eine schöne Sache. Ich freue mich als Athlet nach den Corona-Spielen 2021 wieder auf ganz normale Spiele. Dass diese besonderen Zwänge von vor drei Jahren wegfallen, das ist ein großer Faktor. Ich hoffe und glaube, dass mit diesen Spielen auch die olympischen Werte wieder mehr zur Geltung kommen und das sportliche Miteinander mehr im Fokus stehen wird.

SPORT1: Die Sicherheitslage in Paris war allerdings auch ein wiederkehrendes Thema bei den Olympiavorbereitungen. Machen Sie sich in dieser Hinsicht Sorgen?

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Wellbrock: Ich muss gestehen, dass ich mir über die Sicherheitslage so gut wie gar keine Gedanken mache. Natürlich bekommt man diese Nachrichten hin und wieder mit, aber ich gehe einfach davon aus, dass für die Sicherheit gesorgt wird. Gerade bei den Olympischen Spiele ist die Sicherheitslage immer hoch und in Rio de Janeiro und Tokio hat es damals auch wunderbar funktioniert.

SPORT1: Wegen des Verschmutzungsgrads der Seine war bis Anfang Juli unsicher, ob die Freiwasser-Wettbewerbe dort stattfinden können. Hat das die Vorbereitung beeinträchtigt?

Wellbrock: Das war natürlich ein Thema, wir haben die Lage in regelmäßigen Abständen verfolgt. Es ist ein bisschen schade, dass uns da die Hände gebunden sind und wir auf die Organisation der Spiele und das Wetter angewiesen sind. Letztlich müssen wir uns aber einfach auf das Training konzentrieren und schauen, dass wir uns bestmöglich vorbereiten. Mehr kann man in so einer Situation nicht machen.

Rückschlag bei WM schnell weggesteckt

SPORT1: Anders als in anderen Sportarten gab es für die Schwimmer in diesem Jahr schon ein Großereignis, die WM in Doha im Februar. Für Sie liefen die Wettkämpfe erst enttäuschend, am Ende konnten Sie dann noch eine Silbermedaille gewinnen. Welche Erfahrungen haben Sie mitgenommen?

Wellbrock: Die wichtigste Erfahrung war für mich persönlich mit Sicherheit, dass ich die negativen Ergebnisse gut wegstecken konnte und mit der Silbermedaille einen guten Abschluss der WM gefunden habe. Zur Wahrheit gehört aber auch: Auf die Vorbereitung für die WM lag in diesem Jahr nicht der hundertprozentige Fokus, alles ist auf Olympia ausgerichtet.

SPORT1: Wie viel Vorbereitungsaufwand stecken denn in so einer Olympia-Mission?

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Wellbrock: Ich lege in einer normalen Woche 80-90 Kilometer im Wasser zurück, plus das Athletik- und Ausdauertraining an Land. Hinzu kommt der Aufwand, vier Jahre - bzw. drei in diesem Fall - privat und sportlich alles auf dieses eine Ereignis auszurichten. Man hangelt sich von internationaler Meisterschaft zu Meisterschaft und versucht sich immer ein Stück zu verbessern.

SPORT1: Im deutschen Schwimmsport ist nach langer Zeit wieder eine gewisse Euphorie aufgekommen, vom besten DSV-Aufgebot seit rund 30 Jahren ist anderswo die Rede. Zu Recht?

Wellbrock: 30 Jahre ist ein bisschen weit ausgeholt. Aber ich denke, dass wir mittlerweile ein sehr starkes, ein gewachsenes Team mit einer guten Mischung aus jungen und erfahrenen Athleten haben. Ich bin nicht mehr der einzige Medaillenkandidat. Das tut dem ganzen Schwimmsport sehr gut.

Zu wenig Aufmerksamkeit? „Ich fühle mich sehr wohl“

SPORT1: Nehmen Sie mit Ihrer Erfahrung eine gewisse Leader-Rolle im Team ein?

Wellbrock: Ich merke schon, dass ich im Team einen gewissen Stellenwert habe. Die Leute kommen auf mich zu, wenn sie Fragen haben. Sie wissen, dass ich ein bisschen was an Expertise und Erfahrung mitbringe.

SPORT1: Der Schwimm-Stützpunkt Magdeburg hat sich in den vergangenen Jahren als Erfolgsmodell hervorgetan. Was können andere Sportstandorte in Deutschland von ihm lernen?

Wellbrock: Was in Magdeburg definitiv ein besonderer Vorteil ist: Wir profitieren hier immer noch von der Infrastruktur aus der DDR. Die Wege zwischen Schule, der Unterbringung im Sportinternat und den Sportstätten sind extrem kurz. Dadurch lässt sich der Tagesablauf für die Schüler optimieren. Bei uns im Profibereich spielt das dann zwar keine so große Rolle mehr, aber um überhaupt in der breiten Masse Nachwuchsathleten zu entwickeln, die dann in den Profibereich kommen, hilft diese Infrastruktur sehr. Hinzu kommt ein Trainerteam, das sehr leistungsbereit ist und etwas bewegen will. Zusammen mit einer Handvoll talentierter Sportler, die nach vorne kommen wollen, ist das eine sehr gute Kombination, um Erfolge feiern zu können.

SPORT1: Auf Olympia fokussiert sich viel öffentliche und mediale Aufmerksamkeit, im Alltag läuft der Schwimmsport bei der breiten Masse immer noch eher unter dem Radar, anders als der Fußball. Ist Ihnen das als Athlet ganz recht oder finden Sie diese Unwucht da auch etwas schade?

Wellbrock: Für mich kann ich sagen, dass ich mich in meiner Rolle und meiner Position sehr wohl fühle. Ich kann nicht beurteilen, wie es wäre, diese mediale Aufmerksamkeit wirklich das ganze Jahr über zu haben, deswegen kann ich mich selbst schlecht reinversetzen. Mit der Situation, wie sie ist, fühle ich mich aber sehr wohl.

SPORT1: In der Vergangenheit hat der eine oder andere olympische Sportler die Spiele genutzt, um Diskussionen anzustoßen, ob man die öffentliche Aufmerksamkeit zwischen Fußball und anderen Sportarten nicht gerechter verteilen könnte.

Wellbrock: Stimmt - ich kann mir aber vorstellen, dass wir es da auch mit einem gewissen, allzu menschlichen Problem zu tun haben: dass man immer dazu geneigt ist, das haben zu wollen, was man nicht hat. Wenn wir als Schwimmer jetzt auf einmal eine annähernd ähnliche mediale Aufmerksamkeit hätten wie der Fußball, könnte ich mir vorstellen, dass das einige gern sehr schnell wieder rückgängig machen würden.